Nr. 6
JUGEND
1903
jfaures
Der Herr Ianräs sprach sehr entschieden
3» Frankreichs Kammer für den Frieden,
Er meinte vernünftig: „Wir sollten eben
Doch mit den Deutschen verträglich leben,
Die uns begegnen jeder Zeit
Mit Freundlich-, Artig-, ja Herzlichkeit!"
lind als ich das in der Zeitung gelesen,
Da bin ich hoch erfreut gewesen
Und dachte: „Der ist der Klügste im Lande,
Der heult nicht mit jener Schwefelbande
Die dreißig Jahre nun lebt von Verhetzung!"
Dann las ich weiter: von Rechtsverletzung,
Und daß man es nie aeceptieren dürfe,
Daß sich das Recht der Gewalt unterwürfe,
Und daß die Elsaß Lothringer-Brüder
Ihr Vaterland sicher einst kriegten wieder. —
Und noch von anderen albernen Dingen
Fing Herr Iauräs an sein Lied zu singen.
Ganz wie die übrige Schwefelbande
Schwefelte da der Klügste im Lande,
Und kaute wieder den alten Kohl —
Michel, da mußt Du verzichten wohl,
Daß die Franzosen auf dieser Erden
Jemals wieder vernünftig werden!
Hermann
Streiflichter der „Jugend"
viermal hintereinander hat der deutsche Reichs-
tag mit großer Mehrheit die Sicherung des
Wahlgeheimnisses, das, was Herr Oertel mit
echt agrarischer Zartheit ein „Clvsetgesetz" nennt,
gefordert. Viermal ließ ihn ein hoher Bundes-
rath abfahre» und fand den Beschluß unannehm-
bar, Und siehe da> Am 23. Januar erklärte
Staatssekretär Graf Posadowsky: „Wenn im
Volke ein Mißtrauen bezüglich des Wahlgeheimnisses
besteht, so erfüllt eine Regierung, die Maßregeln
ergreift, um dies Mißtrauen zu beseitige», ledig-
lich eine sittliche und ethische Pflicht!" Spät
kommt der Herr Graf, ober er kommt doch! Aber
warum kommt er? Ist ein hoher BundeSrath so
langsam von Begriffen, daß er seine sittlichen und
ethischen Pflichten erst einsiehk, wenn ihm zum
fünften Male die Nase darausgestoßen wird? Oder
hat er am Ende gar erst eingesehen, daß die Sicher-
ung des Wahlgeheimnisses nicht blos jenen Junkern
und Unternehmern gegenüber wirksam sein könnte,
die ihre Arbeiter terrorisiren, sondern auch sehr
nützlich gegen den Terrorismus der Arbei-
ter selber? Hat der Herr Bundesralh Solches
bisher nicht kapirt, dann ist er ivirklich sein Geld
nicht werth. Stimmt er aber der Reform jetzt blos
zu, weil er seinen eigenen Bortbeil darin
erkannt hat, dann ist er nicht sittlich und nicht
ethisch und noch was ganz anders werth, als —
sein Geld! — o —
(Offenes Bekenntnitz
„Da Fremdenb'fuach in München geht z'ruck.
Dös is recht; i bi froh, wann i koan Fremden
net siechl"
MalUscbe 6legie
von Signore vomenico u-urelmscster in Mozzo
kombardo
Aguinaldo beabsichtigt die Gründung einer schis-
malischen Rationalkirche auf den Philippinen, Dr.
Lueger empfing den päpstlichen Runtius Taiiani im
Wiener Rathhaus mit großer Feierlichkeit,
Corpo della Madonna! Aden sie das papa, das
eilige votier son wieder grande verdrussen,
weil sie wolleli die FilipinoS-Aeuptling Aguinaldo
nimmer das Pantoffel buffen!
wollen sie diese üol du! diavolo, diese Bellenbratel
eine ehiesa schismatica gründen,
Einer Kesserkirk! wart' nur, du bestia, dick
werden unsere Errgott son finden!
Da sein sie die christlich-sosiale Aeuptling, die
sindaco da Vienna, die Lueger, die dottore
Gans andere treue Sohn della ehiesa und eine
umilissimo servitore
Eine untertänigste Bediente von das papa!
Aden sie empfang' die reverendissima Eminenza,
Meine ochwürdigfte Lansmann die nuntio Taiiani
in das Ratsaus con grandiosa solennita,
Mit große Feier. Aben sie Buckerl,gemackt
die nragistrato tutto,
Die ganse Magistrat. ©, wenn sie sein eine
wallische Eminenza lanlo benvennto,
So Willkomm' bei die deutsche Signori von Vienna,
nackher sein sie nock nit verlor' der Irredental
Der bacco l Muffen sie sam werden der porco
ledesco, der deufcheSwein, daß er fressen Polenta
Da nostro mano, aus unsere And I Dann
wollen wir Katzelmacher sammeln su eine tdndo,
Su eine große Lapital bei alle Italiani von
das Welt, von tun' il rnondo,
Daß die dottore Lueger können werden eilig
gesprochen magnifico tanto,
Mit immlische Glans I Evviva Carlo il bello,
il nuovo Santo!
Bibel und Babel
weissagend sprach Jeremias:
Weh' 'euch, ihr Plagiatoren!
Ls ist, id) prophezei' euch das,
All eure Müh' verloren.
Linst wird das alte Testament
Enthüllt als eine Fabel,
Erfahren wird's die Welt am End',:
Die Bibel stammt aus Babel.
Ich fürchte nicht Kopernikus,
Auch Darwin nicht und Häckel,
Sie find den Frommen ein Verdruß,
Den Heiligen ein Ekel.
Doch ein Professor aus Berlin,
Der ist mein Schreck, nicht hehl ich's,
wenn der kommt, sind wir alle hin —
Und aprss nous Is Delitzsch.
Berichtigung
In unserer Nr. 52 Jahrgang 1902 brachten
wir ein polemisches Gedicht „Aus dem heutigen
Zukunftsstaat", das an folgende Zeitungsnach-
richt anknüpfte: „In den Grusomverken wu.den
zwei Arbeiter entlassen, weil sie sich weigerten, die
Dankadresse der Krupp'schen Arbeiter an den Kaiser
zu unterschreiben."
Wir stehen nicht an, zu erklären, daß diese
Zeitungsmeldung sich nachträglich als vollständig
unwahr erwies. Zugleich geben wir der
nachfolgenden Berichtigung Raum, die Herr
F, Schichau-Elbing unterm 26. Januar an
den Herausgeber der „Jugend" richtete:
Mit Bezug auf „Aus dem heutigen
Zukunftsstaat" gestatte ich mir, Ihnen
mitzutheilen, daß die Finna Schichau mit
der Firma Krupp in keiner Weise liiert ist
und daß die Arbeiter meiner Werke der Dank-
adresse der Krupp'schen Arbeiter an den Kaiser
vollständig fern stehen. Jeder Druck auf die
Arbeiter in oiesem Sinne durch Unterbeamte
würde diesseits auf's Strengste verurtheilt
werden.
Hochachtungsvoll
F. Schichau.
Am Brunnen vor dem Thore,
Da spritzt der ^min die Nix',
Er trifft sie hinter'm Obre,
Die Nix ruft: „Meister Sir! —
Wie wird mir so wohligodolig!
Doch, blöder Geselle,
Das ist die falsche Stelle, —
Erifs mit „Gdol" nur Mund und Zahn,
Da bat's noch Wunder stets gethan!"
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „JtXiE\l>“ Bezug zu nehmen.
9ö
JUGEND
1903
jfaures
Der Herr Ianräs sprach sehr entschieden
3» Frankreichs Kammer für den Frieden,
Er meinte vernünftig: „Wir sollten eben
Doch mit den Deutschen verträglich leben,
Die uns begegnen jeder Zeit
Mit Freundlich-, Artig-, ja Herzlichkeit!"
lind als ich das in der Zeitung gelesen,
Da bin ich hoch erfreut gewesen
Und dachte: „Der ist der Klügste im Lande,
Der heult nicht mit jener Schwefelbande
Die dreißig Jahre nun lebt von Verhetzung!"
Dann las ich weiter: von Rechtsverletzung,
Und daß man es nie aeceptieren dürfe,
Daß sich das Recht der Gewalt unterwürfe,
Und daß die Elsaß Lothringer-Brüder
Ihr Vaterland sicher einst kriegten wieder. —
Und noch von anderen albernen Dingen
Fing Herr Iauräs an sein Lied zu singen.
Ganz wie die übrige Schwefelbande
Schwefelte da der Klügste im Lande,
Und kaute wieder den alten Kohl —
Michel, da mußt Du verzichten wohl,
Daß die Franzosen auf dieser Erden
Jemals wieder vernünftig werden!
Hermann
Streiflichter der „Jugend"
viermal hintereinander hat der deutsche Reichs-
tag mit großer Mehrheit die Sicherung des
Wahlgeheimnisses, das, was Herr Oertel mit
echt agrarischer Zartheit ein „Clvsetgesetz" nennt,
gefordert. Viermal ließ ihn ein hoher Bundes-
rath abfahre» und fand den Beschluß unannehm-
bar, Und siehe da> Am 23. Januar erklärte
Staatssekretär Graf Posadowsky: „Wenn im
Volke ein Mißtrauen bezüglich des Wahlgeheimnisses
besteht, so erfüllt eine Regierung, die Maßregeln
ergreift, um dies Mißtrauen zu beseitige», ledig-
lich eine sittliche und ethische Pflicht!" Spät
kommt der Herr Graf, ober er kommt doch! Aber
warum kommt er? Ist ein hoher BundeSrath so
langsam von Begriffen, daß er seine sittlichen und
ethischen Pflichten erst einsiehk, wenn ihm zum
fünften Male die Nase darausgestoßen wird? Oder
hat er am Ende gar erst eingesehen, daß die Sicher-
ung des Wahlgeheimnisses nicht blos jenen Junkern
und Unternehmern gegenüber wirksam sein könnte,
die ihre Arbeiter terrorisiren, sondern auch sehr
nützlich gegen den Terrorismus der Arbei-
ter selber? Hat der Herr Bundesralh Solches
bisher nicht kapirt, dann ist er ivirklich sein Geld
nicht werth. Stimmt er aber der Reform jetzt blos
zu, weil er seinen eigenen Bortbeil darin
erkannt hat, dann ist er nicht sittlich und nicht
ethisch und noch was ganz anders werth, als —
sein Geld! — o —
(Offenes Bekenntnitz
„Da Fremdenb'fuach in München geht z'ruck.
Dös is recht; i bi froh, wann i koan Fremden
net siechl"
MalUscbe 6legie
von Signore vomenico u-urelmscster in Mozzo
kombardo
Aguinaldo beabsichtigt die Gründung einer schis-
malischen Rationalkirche auf den Philippinen, Dr.
Lueger empfing den päpstlichen Runtius Taiiani im
Wiener Rathhaus mit großer Feierlichkeit,
Corpo della Madonna! Aden sie das papa, das
eilige votier son wieder grande verdrussen,
weil sie wolleli die FilipinoS-Aeuptling Aguinaldo
nimmer das Pantoffel buffen!
wollen sie diese üol du! diavolo, diese Bellenbratel
eine ehiesa schismatica gründen,
Einer Kesserkirk! wart' nur, du bestia, dick
werden unsere Errgott son finden!
Da sein sie die christlich-sosiale Aeuptling, die
sindaco da Vienna, die Lueger, die dottore
Gans andere treue Sohn della ehiesa und eine
umilissimo servitore
Eine untertänigste Bediente von das papa!
Aden sie empfang' die reverendissima Eminenza,
Meine ochwürdigfte Lansmann die nuntio Taiiani
in das Ratsaus con grandiosa solennita,
Mit große Feier. Aben sie Buckerl,gemackt
die nragistrato tutto,
Die ganse Magistrat. ©, wenn sie sein eine
wallische Eminenza lanlo benvennto,
So Willkomm' bei die deutsche Signori von Vienna,
nackher sein sie nock nit verlor' der Irredental
Der bacco l Muffen sie sam werden der porco
ledesco, der deufcheSwein, daß er fressen Polenta
Da nostro mano, aus unsere And I Dann
wollen wir Katzelmacher sammeln su eine tdndo,
Su eine große Lapital bei alle Italiani von
das Welt, von tun' il rnondo,
Daß die dottore Lueger können werden eilig
gesprochen magnifico tanto,
Mit immlische Glans I Evviva Carlo il bello,
il nuovo Santo!
Bibel und Babel
weissagend sprach Jeremias:
Weh' 'euch, ihr Plagiatoren!
Ls ist, id) prophezei' euch das,
All eure Müh' verloren.
Linst wird das alte Testament
Enthüllt als eine Fabel,
Erfahren wird's die Welt am End',:
Die Bibel stammt aus Babel.
Ich fürchte nicht Kopernikus,
Auch Darwin nicht und Häckel,
Sie find den Frommen ein Verdruß,
Den Heiligen ein Ekel.
Doch ein Professor aus Berlin,
Der ist mein Schreck, nicht hehl ich's,
wenn der kommt, sind wir alle hin —
Und aprss nous Is Delitzsch.
Berichtigung
In unserer Nr. 52 Jahrgang 1902 brachten
wir ein polemisches Gedicht „Aus dem heutigen
Zukunftsstaat", das an folgende Zeitungsnach-
richt anknüpfte: „In den Grusomverken wu.den
zwei Arbeiter entlassen, weil sie sich weigerten, die
Dankadresse der Krupp'schen Arbeiter an den Kaiser
zu unterschreiben."
Wir stehen nicht an, zu erklären, daß diese
Zeitungsmeldung sich nachträglich als vollständig
unwahr erwies. Zugleich geben wir der
nachfolgenden Berichtigung Raum, die Herr
F, Schichau-Elbing unterm 26. Januar an
den Herausgeber der „Jugend" richtete:
Mit Bezug auf „Aus dem heutigen
Zukunftsstaat" gestatte ich mir, Ihnen
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der Firma Krupp in keiner Weise liiert ist
und daß die Arbeiter meiner Werke der Dank-
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würde diesseits auf's Strengste verurtheilt
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Hochachtungsvoll
F. Schichau.
Am Brunnen vor dem Thore,
Da spritzt der ^min die Nix',
Er trifft sie hinter'm Obre,
Die Nix ruft: „Meister Sir! —
Wie wird mir so wohligodolig!
Doch, blöder Geselle,
Das ist die falsche Stelle, —
Erifs mit „Gdol" nur Mund und Zahn,
Da bat's noch Wunder stets gethan!"
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „JtXiE\l>“ Bezug zu nehmen.
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