Nr. 8
1903
. JUGEND .
Bülow sagte am 5. Februar im Reichstag:
„Ich suche mich fern zu halten von einer An-
schauungsweise. wie sie der Abg. Ledebour zum
Ausdruck gebracht, die ich zu kirchthurmartig
finde. Denn wenn wir auch noch so sehr
die Hörner einzögen, würde unser Schnek-
kenhaus schließlich doch zertreten werden."
(Sehr richtig! Bravo I)
Wir wünschen dem Reichskanzler solche Hörner
(s. Zeichn. links!) — aber keine solchen (s. rechtst)
MeltcbrontK der „Zugend
^^iefer sinkt der Fasching nieder —
M Neuer gibt es immer wieder:
3„ Berlin läßt die Tenfur,
Wie der Leser schon erfuhr,
Heyse's Drama „lNagdalene"
Absolut nicht auf die Scene.
Der Minister Hammerstein
Ging darauf im Landtag ein,
Und es machte der Minister
Da den tristen Fall noch trister,
Als er sagte: „Dieses Stück
Weis' ich mit Protest zurück!
Zwar ich find es wohl poetisch,
Sittlich, schön und sehr ästhetisch,
Aber so was Religiöses
Auf der Bühne ist was Böses —
Gut ist nur ein Spiel der Schau,
Wo der Mensch mit seiner Frau
Und mit seinem Töchterlein
Hingeh'n kann!" sprach Hammcrstein.
Hiezu rechnet die Regierung
Gffenbar die „Einquartirung"
Vder „Leontinens Männer"
Mder sonst ein Stück für Renner,
Wo erröthct bis in's Haar
Selbst der älteste Husar! —
Linen wartthurm groß
und schön
Auf der Müggelberge Höh'n
Wollen sie zu Bismarcks Ehren
Neu errichten und begehren
Linen Beitrag auch für ihn
von der Nachbarstadt Berlin.
Die verordneten der Stadt
Haben aber rund und glatt
Solchen Antrag abgelehnt,
Singer hat nicht schlecht verhöhnt
Jene, die für solchen Vuark
Forderten Dreitausend Mark!
G, ihr Weißbierdemokraten:
Ghne eines Bismarcks Thaten
Wär Berlin auch heute noch
Blos ein schaudervolles Loch,
Blos ein jammerbares Nest —
Schämt euch, daß ihr dies vergeßt! —
In der gleichen Metropole
Deutschen Geistes bot dem Wohle
Armer Kranker sich als Retter,
Apotheker Nardenkötter,
Der, von allerhand Gesindel
Unterstützt bei seinem Schwindel,
Für den Dreck in seinen Flaschen,
Aus der armen Teufel Taschen —
Sich viertausend Thaler stahl
Monatlich — 's ist coloffal!
Jetzo soll er dafür brummen!
Ach, cs scheint mir, daß die Dummen
In der klügsten Stadt auf Lrden
Auch noch lang' nicht alle werden! —
Hamburgs „Bürgerschaft"
hat neulich
Falke — das ist hocherfreulich
Und wird allerseits gebilligt! —
Linen Ehrenfold bewilligt!
Aber Reden ohne Takt,
Läppisch und auch abgeschmackt,
Hörte man bei der Debatte,
Die sich da entspoinicn hatte.
Lines dieser Kirchenlichter
Meinte: „Kriegt jetzt so ein Dichter
Gleich dreitausend Mark (!)
in Baar
Auf die Hand in einem Jahr,
Ruht er gleich in Sans und Braus
Sich auf seinen Lorbeern aus;
Für die Lyrik wird er dann
viel zu dick, der gute Mann!
Nein! Durch solchen Geldcmpfang
würde blos im Werdegang
Selbiger Poet gestört,
Denn zur Poesie gehört —
Thut's auch ein Poet nur ungern,
Nun einmal bei uns das Hungern!"
Sprach die weisen, milden Worte,
Nahm den Hut — und ging zu
„Pforte."
In dem Münchner
Künstlerhause
Waren jüngst zu Tanz und Schmause
„Eins, $wei, drei — voila!“
Abg. Spahn kam bekanntlich während seiner Iolltarif-Lompromiß-
verhandlungen stets im Ly lind er in den Reichstag. Das Ge-
heimniß dieses Lylinders ist jetzt gelüftet! Man vermuthet,
Laß Spahn zum kgl. preußischen Hof-Schwarzkünstler ernannt wird.
Allerhand vergnügte Leute,
Die der Tarneval erfreute.
Masken trug man im Gesicht,
D'rum erkannte man sich nicht.
Alles ging ganz ehrbar zu,
Bis — um Mitternacht! Huhn! —
Etliche der schönen Rinder,
Die von Sitten etwas minder,
Thaten voller Uebermuth,
Wie man auf Redouten thut!
Der Herr Fürstand, tief verletzt,
Forderte die Karten jetzt
von den kreuzsidelen Damen —
Auf den Karten standen Namen,
Welche jeden Hofball zieren,
Doch berechtigt, sie zu führen,
War nicht Lines dieser Mädel.
Mb sie sonst auch lieb und edel
Waren und mit echten Prinzen
Aus verschiedenen Provinzen
Dieses Reiches angekommen
And sich, wie erwähnt, benommen!
Zornig sprach das Lomitö:
„Dieses ist kein bal parö,
wo erlaubt im Tanz zu toben
Mit den Füßen meistens oben!
Solches füllt uns hier mit Groll —
Darum packt Luchl Fort!
Pascholl!"
was aus rcancy wird gejchrieben,
Klingt beinahe übertrieben —
Aber ein Appellgericht
Uebertreibt bei so was nicht!
Im Lonvent zum „Guten
Hirten",
Wo die Mägdlein, die verirrten,
Und die elternlosen Waisen
Aus des Volkes armen Kreisen
Zustucht vor der Welt genommen,
Haben ganz verruchte Nonnen
Mhne Mitleid und Erbarmen
Ausgebeutet jene Armen
Unersättlich, sie mißhandelt,
wohlthat heuchlerisch gewandelt
In verbrechen, daß empört
Man und schaudernd Solches hört!
Les' ich den Bericht jetzunder,
Nimmt mich nur das Line Wunder:
Daß die guten
„Hirtenschw estern"
Heimlich dort in ihren Nestern
Nicht die Mägdelein, die jungen,
Auch zur Schande noch
gezwungen.
Lin Bordell trägt jederzeit
Mehr noch ein, als Handarbeit!
Heroilot
falsche Biedermaier!
Lächerbar ist diese Mode
Mit dem Biedermaierstil,
Den man pflegt jetzt mit Methode,
Auswärts und im Domicil!
Sopha's mit geschwungnen Lehnen
Hat man, kirschbaumholzpoliert,
Spielt die Ueberbrettelszenen
Biedermairisch costümiert;
Schlingt Lravatten um den Kragen,
Deren Bau kein Mensch begreift,
Und die süßen Mädchen tragen
Mull und Tüll, getupft, gestreift;
Tragen hübsche Kreuzbandschuhe.
Sind naiv und voll Gefühl,
Zieh» aus Urgroßmutters Truhe
Urgroßmutters (stidikül!
Tollen trägt jetzt auf dem Scheitel,
Wer was hält auf Lleganz —
Aber alles dies ist eitel
Maskeradeftrlefanz!
Oftmals reizt mich, Hohn zu lachen,
Diese Biedermaierei,
Welche sie blos kün stlich machen
Und kein echter Geist dabei!
Ach! Zum echten Biedermaier
Brauchte Gemüth und stille Kraft,
Herzenswarm und heiter fei er,
Bieder, stramm und ehrenhaft!
Schönes muß er froh begrüßen,
Wo er Solches irgend steht
Und auf wohlgebauten Züßen
Wandte seiner Sehnsucht Lied!
Gegen Zrauen niemals schüchtern
Sei er, aber auch nicht toll,
Und beim Weine nicht zu nüchtern,
Aber auch nicht bombenvoll!
(sticht zu zahm und nicht zu heftig,
Immer maßvoll, psu ä peu,
Mittelsein und mittelkrästig,
(stecht ein Mann des juste milieu!
Also sei des echten Bieder-
maiers Wesen, Geist und Ton!
Jeder Andre ist mir wider-
lich als Imitation!
Mag er noch so täuschend gleißen —
Rur erborgt ist all sein Licht:
Meier — ja, so kann er heißen,
Aber bieder ist er nicht!
Biedermeier mit «i
Stimmen aus dem Publikum
Stiftsdame Baronesse X- (älterer Ordnung): Ich finde es geradezu
frivol, den Fehltritt der Kronprinzessin Louise mit ihren gesegneten Um-
ständen zu entschuldigen.
Leutnant v. X.: Waren Sie schon einmal in diesen Umstanden, gnä-
diges Fräulein?
Stiftsdame: Welche unartige Frage!
Leutnant: Aber dann können Sie ja gar nicht darüber nrtheilen.
Ich glaube, daß ich in solchen Umstanden zu den tollsten Streichen aufgelegt
sein würde, Fahnenflucht nicht ausgeschlossen. Fiiucius
IJO
1903
. JUGEND .
Bülow sagte am 5. Februar im Reichstag:
„Ich suche mich fern zu halten von einer An-
schauungsweise. wie sie der Abg. Ledebour zum
Ausdruck gebracht, die ich zu kirchthurmartig
finde. Denn wenn wir auch noch so sehr
die Hörner einzögen, würde unser Schnek-
kenhaus schließlich doch zertreten werden."
(Sehr richtig! Bravo I)
Wir wünschen dem Reichskanzler solche Hörner
(s. Zeichn. links!) — aber keine solchen (s. rechtst)
MeltcbrontK der „Zugend
^^iefer sinkt der Fasching nieder —
M Neuer gibt es immer wieder:
3„ Berlin läßt die Tenfur,
Wie der Leser schon erfuhr,
Heyse's Drama „lNagdalene"
Absolut nicht auf die Scene.
Der Minister Hammerstein
Ging darauf im Landtag ein,
Und es machte der Minister
Da den tristen Fall noch trister,
Als er sagte: „Dieses Stück
Weis' ich mit Protest zurück!
Zwar ich find es wohl poetisch,
Sittlich, schön und sehr ästhetisch,
Aber so was Religiöses
Auf der Bühne ist was Böses —
Gut ist nur ein Spiel der Schau,
Wo der Mensch mit seiner Frau
Und mit seinem Töchterlein
Hingeh'n kann!" sprach Hammcrstein.
Hiezu rechnet die Regierung
Gffenbar die „Einquartirung"
Vder „Leontinens Männer"
Mder sonst ein Stück für Renner,
Wo erröthct bis in's Haar
Selbst der älteste Husar! —
Linen wartthurm groß
und schön
Auf der Müggelberge Höh'n
Wollen sie zu Bismarcks Ehren
Neu errichten und begehren
Linen Beitrag auch für ihn
von der Nachbarstadt Berlin.
Die verordneten der Stadt
Haben aber rund und glatt
Solchen Antrag abgelehnt,
Singer hat nicht schlecht verhöhnt
Jene, die für solchen Vuark
Forderten Dreitausend Mark!
G, ihr Weißbierdemokraten:
Ghne eines Bismarcks Thaten
Wär Berlin auch heute noch
Blos ein schaudervolles Loch,
Blos ein jammerbares Nest —
Schämt euch, daß ihr dies vergeßt! —
In der gleichen Metropole
Deutschen Geistes bot dem Wohle
Armer Kranker sich als Retter,
Apotheker Nardenkötter,
Der, von allerhand Gesindel
Unterstützt bei seinem Schwindel,
Für den Dreck in seinen Flaschen,
Aus der armen Teufel Taschen —
Sich viertausend Thaler stahl
Monatlich — 's ist coloffal!
Jetzo soll er dafür brummen!
Ach, cs scheint mir, daß die Dummen
In der klügsten Stadt auf Lrden
Auch noch lang' nicht alle werden! —
Hamburgs „Bürgerschaft"
hat neulich
Falke — das ist hocherfreulich
Und wird allerseits gebilligt! —
Linen Ehrenfold bewilligt!
Aber Reden ohne Takt,
Läppisch und auch abgeschmackt,
Hörte man bei der Debatte,
Die sich da entspoinicn hatte.
Lines dieser Kirchenlichter
Meinte: „Kriegt jetzt so ein Dichter
Gleich dreitausend Mark (!)
in Baar
Auf die Hand in einem Jahr,
Ruht er gleich in Sans und Braus
Sich auf seinen Lorbeern aus;
Für die Lyrik wird er dann
viel zu dick, der gute Mann!
Nein! Durch solchen Geldcmpfang
würde blos im Werdegang
Selbiger Poet gestört,
Denn zur Poesie gehört —
Thut's auch ein Poet nur ungern,
Nun einmal bei uns das Hungern!"
Sprach die weisen, milden Worte,
Nahm den Hut — und ging zu
„Pforte."
In dem Münchner
Künstlerhause
Waren jüngst zu Tanz und Schmause
„Eins, $wei, drei — voila!“
Abg. Spahn kam bekanntlich während seiner Iolltarif-Lompromiß-
verhandlungen stets im Ly lind er in den Reichstag. Das Ge-
heimniß dieses Lylinders ist jetzt gelüftet! Man vermuthet,
Laß Spahn zum kgl. preußischen Hof-Schwarzkünstler ernannt wird.
Allerhand vergnügte Leute,
Die der Tarneval erfreute.
Masken trug man im Gesicht,
D'rum erkannte man sich nicht.
Alles ging ganz ehrbar zu,
Bis — um Mitternacht! Huhn! —
Etliche der schönen Rinder,
Die von Sitten etwas minder,
Thaten voller Uebermuth,
Wie man auf Redouten thut!
Der Herr Fürstand, tief verletzt,
Forderte die Karten jetzt
von den kreuzsidelen Damen —
Auf den Karten standen Namen,
Welche jeden Hofball zieren,
Doch berechtigt, sie zu führen,
War nicht Lines dieser Mädel.
Mb sie sonst auch lieb und edel
Waren und mit echten Prinzen
Aus verschiedenen Provinzen
Dieses Reiches angekommen
And sich, wie erwähnt, benommen!
Zornig sprach das Lomitö:
„Dieses ist kein bal parö,
wo erlaubt im Tanz zu toben
Mit den Füßen meistens oben!
Solches füllt uns hier mit Groll —
Darum packt Luchl Fort!
Pascholl!"
was aus rcancy wird gejchrieben,
Klingt beinahe übertrieben —
Aber ein Appellgericht
Uebertreibt bei so was nicht!
Im Lonvent zum „Guten
Hirten",
Wo die Mägdlein, die verirrten,
Und die elternlosen Waisen
Aus des Volkes armen Kreisen
Zustucht vor der Welt genommen,
Haben ganz verruchte Nonnen
Mhne Mitleid und Erbarmen
Ausgebeutet jene Armen
Unersättlich, sie mißhandelt,
wohlthat heuchlerisch gewandelt
In verbrechen, daß empört
Man und schaudernd Solches hört!
Les' ich den Bericht jetzunder,
Nimmt mich nur das Line Wunder:
Daß die guten
„Hirtenschw estern"
Heimlich dort in ihren Nestern
Nicht die Mägdelein, die jungen,
Auch zur Schande noch
gezwungen.
Lin Bordell trägt jederzeit
Mehr noch ein, als Handarbeit!
Heroilot
falsche Biedermaier!
Lächerbar ist diese Mode
Mit dem Biedermaierstil,
Den man pflegt jetzt mit Methode,
Auswärts und im Domicil!
Sopha's mit geschwungnen Lehnen
Hat man, kirschbaumholzpoliert,
Spielt die Ueberbrettelszenen
Biedermairisch costümiert;
Schlingt Lravatten um den Kragen,
Deren Bau kein Mensch begreift,
Und die süßen Mädchen tragen
Mull und Tüll, getupft, gestreift;
Tragen hübsche Kreuzbandschuhe.
Sind naiv und voll Gefühl,
Zieh» aus Urgroßmutters Truhe
Urgroßmutters (stidikül!
Tollen trägt jetzt auf dem Scheitel,
Wer was hält auf Lleganz —
Aber alles dies ist eitel
Maskeradeftrlefanz!
Oftmals reizt mich, Hohn zu lachen,
Diese Biedermaierei,
Welche sie blos kün stlich machen
Und kein echter Geist dabei!
Ach! Zum echten Biedermaier
Brauchte Gemüth und stille Kraft,
Herzenswarm und heiter fei er,
Bieder, stramm und ehrenhaft!
Schönes muß er froh begrüßen,
Wo er Solches irgend steht
Und auf wohlgebauten Züßen
Wandte seiner Sehnsucht Lied!
Gegen Zrauen niemals schüchtern
Sei er, aber auch nicht toll,
Und beim Weine nicht zu nüchtern,
Aber auch nicht bombenvoll!
(sticht zu zahm und nicht zu heftig,
Immer maßvoll, psu ä peu,
Mittelsein und mittelkrästig,
(stecht ein Mann des juste milieu!
Also sei des echten Bieder-
maiers Wesen, Geist und Ton!
Jeder Andre ist mir wider-
lich als Imitation!
Mag er noch so täuschend gleißen —
Rur erborgt ist all sein Licht:
Meier — ja, so kann er heißen,
Aber bieder ist er nicht!
Biedermeier mit «i
Stimmen aus dem Publikum
Stiftsdame Baronesse X- (älterer Ordnung): Ich finde es geradezu
frivol, den Fehltritt der Kronprinzessin Louise mit ihren gesegneten Um-
ständen zu entschuldigen.
Leutnant v. X.: Waren Sie schon einmal in diesen Umstanden, gnä-
diges Fräulein?
Stiftsdame: Welche unartige Frage!
Leutnant: Aber dann können Sie ja gar nicht darüber nrtheilen.
Ich glaube, daß ich in solchen Umstanden zu den tollsten Streichen aufgelegt
sein würde, Fahnenflucht nicht ausgeschlossen. Fiiucius
IJO