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1603

JUGEND

(Mit Genehmigung der Verleger
Amsler & Ruthardt, Kgl. Hofkunsthandhing, Berlin W. 64)

Ein wack'rer Mann von feinen Litten,
Besonders gut bei pof gelitten ■—

Doch bei den Musen und der Kunst
Da stand er weniger in Gunst.

Die Musen — eine Kompagnie
Don Musketieren schienen sie —

Die wurden wacker exerziert

Und rechts um, links um kommandiert;

Den Stechschritt lernten so, o je,

Euterpe und Melpomene.

So kam denn unser Musikant
Einmal zurück zum peimathstrand,

Sah's an und fand die Sache toll.

Die kampfesmuth'ge Ader schwoll
Und er gerietst in stellen Zorn.

Und da er sah, wie jedes Korn,

Das in die Tretemühle floß,

Bb noch so voll und noch so groß,

Zu Spreu und Kleie ward gerieben
Und nur die pülsen übrig blieben,

Die pülsen und das leere Stroh —

Da ttanitf er auch die Sache so;

In goldncr Rücksichtslosigkeit

Sprach er das Wort, das weit und breit

In alle Sande scholl hinaus,

Das Wort vom „Eircus pülsen" aus.

Das Wort war scharf und gallig bitter
Und ein gewaltiges Ungewitter
Entfesselte sich auf den Frechen,

Der da gewagt es auszusprechen.

Doch neuer Tag bringt neue Sorgen;
vergessen war nach wen'gen Morgen
Was eben alle Welt entsetzt —

Rur nicht von detien, die's verletzt.

Und wiederum vergingen Jahre,

In denen manches Sonderbare
Geliefert unser Musikant.

Und wieder zn dem Ucimathstrand
Kehrt er zurück. Gestorben war
Der Korporal der Muscnschar
Inzwischen und ein andrer jetzt
Auf seinen hohen Platz gesetzt.

Auch er ein perr, gar hochgeboren,
von höchstem Adel auserkoren,

Untadlig und von feinen Sitten,

Besonders gut bei pof gelitten,

Doch kein Soldat — ein Dilettant!

Auch ihm statt' unser Musikant
Einst schwere Unbill zugefügt, —

Mit bitter» Worten scharf gerügt,
lvas dilettantisch er verbrochen —

Und so was bleibt nicht ungerochen.

So kam einmal in jenem paus
Ein neues Mpernwerk heraus,

Das fanden viele intressant.

Auch unser Veld, der Musikant,

Der schickte schleunig zum Kassier,

Ließ holen der Billetc zwier,

Und zahlte baar, was sie gekostet.

Doch weh'! nicht war das Schwert verrostet,
Das nun die Rachegöttin schwang,

Rein, scharf war cs und spiegelblank:

Sobald der neue Intendant
Gehört, daß unser Musikant
Mit seiner Gattin zum Theater
Des Abends kominen wollte — that er
Gar heimlich einen hohen Schwur
Und sagte: „panusch, warte nur!"

Und eilig schickt' er in die Stadt
In alle Läden, bis er statt'

Makart, Visiten, Kabinetts,

Drei Dutzend treffliche Porträts
von unscrm Pelden. Rasch enteilt er,

An alle Diener rasch verteilt er
Die Bilder und befiehlt mit Strenge:
„Wenn heute Abend in der Ulenge,

Die Einlaß heischet in den Saal,

Sich zeigt des Bild's Briginal,

Dann werft mit einem kraft'gen Sans
Den Frevler aus der Thüre 'naus.

Mit seinem Kopfe haftet mir,

Wer ihn hereinläßt zn der Thür!"

Und Abend wird'?, von allen Seiten
Die Leute zum Theater schreiten.

Die Menge drängt sich in den Saal,

Und fröhlich unter ihrer Zahl,

Die Gattin an dem Arni, galant,

Nichts ahnend unser Musikant.

Und schon tritt er durchs offne Thor,

Da tönt ihn, fürchterlich ins Ghr
Ein donnernd „Palt" und „Stillcftand!"
Das Kabinettsbild in der Rand,

Tritt ihm mit Stab und put und Degen
Des pauses Portier entgegen,
vergleicht ihn mit dem Bild ergrimmt
Und ruft: „Er ist es! Alles stimmt!

Im Augenblicke aus dem paus,

Sonst wirft der pausknecht Sie hinaus —
Sonst muß ich einen Schutzmann holen —
So hat cs der pcrr Graf befohlen."

Und lächelnd reichet und galant
Der Gattin unser Musikant

DA3 FEST

Max Klinger

(„Brahms-Phantasie“)

'73

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Max Klinger: Das Fest
 
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