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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 8.1903, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.4045#0218
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Nr. 13

«Hör Agl, wenn Du mir mit Dein'm Herrn
net aushörst — da setz Dich her und trink'
eine Schale Kaffee mit. Wo steckt denn der
Jakl? — Jakll"

„Bin scho' da." Er kommt mit der Milch
herein. „Das war andere Arbeit, das Goas
fanga, ,gel, Agl?"

„Viecher san's scho'-" Sie sitzt noch immer
mit niedergeschlagenen Augen, die Hand auf
dem Schoß, wie ein Jnstitutsmädchen, — und
eben hat sie die Goas mit dem Jakl gefangen.

„Habt ihr vielleicht Hochzeit morgen und wollt
ihr das Stuhlfest bei mir feiern, weil's so dumm
schaut's alle Zwei?" brech ich endlich los.

Das wirkt, Agl kichert in die vorgehaltene
Hand. Jakl lacht.

„Wie wär's, Agl?"

„War ma scho' g'nua — und d' Almzcit vor
der Thür —"

„Natürli', da braucht's ja koa Stuhlfest —
gel?" Es liegt doch etwas Bitterkeit in der
Stimme Jakl's.

„Freili' net, wo's koa Sünd' gibt. ^Was sagst
er denn, der Pfarrer?" Mit der Schüchtern-
heit Agl's ist's zu Ende, die schwarzen Augen
blitzen jetzt voll Laune.

„Was er sagat, der Pfarrer? Luader san's,
d' Almerina alle mitcinand, dem Teufel sei
lieabster Fraß —"

»„Und daß er glei' richti' satt werd und
den andern Christenmenschen a Ruah laßt,"
setzt Agl hinzu, „copulir i d' Jaga dazua."
Agl bricht in Helle Heiterkeit aus über ihren
Witz. Jakl stichelt dagegen, halb bitter, halb
lüstern, — das Fahrwasser ist gefunden.

Ich lehne in der schwarzen Ecke am Herd,
rauche eine Cigarre und sehe dem lustigen Ge-
plänkel zu, ohne mich viel einzumischen. Dann
und wann reißt cs den Jakl zu richtiger Falz-
bewegung, er schnakelt mit den Fingern und
der Zunge und umkreist im Hahnenschritt die
Agl, die mit weit gebreitetem Rock, die Hände
auf dem Schurz gefaltet, mit götzcnbildlicher
Steifheit sich feiern läßt, nur der blaue Spenzer
hebt sich in zitternder Welle und die schwarzen
Augen blitzen feucht und warm.

Zuletzt nimmt der Jakl noch den Fotzhobel
in den Mund, spielt den Neubayrischen und
tanzt mit der Agl, daß die Hütten kracht.

„Jetzt muaß i do' geh'n," meint sie um
11 Uhr, ganz schwindlich. „Schiaß'ns halt an
richtig'» Gock'l! B'hüat Gott, Jakl, — ver-
schlaf' di' net. Schön war's." Ein heißer
Blick trifft ihn. „Mein schön' Dank halt, Herr!"
Ein steifer Knix. Das ist der Fluch „des Herrn."

Jakl begleitet sie hinaus. Ich höre sie draußen
noch schwätzen und lachen und krieche in mein
Heulager — die Wärme der Stube, die Müdig-
keit — ich schlafe rasch ein. — Einmal fahre ich
auf — eine Thüre geht irgendwo. — Ich rufe
„Jakl!" — Keine Antwort. — Ich greife
neben mich — kein Jakl. — Meine Gedanken
gehorchen nicht, ich schlafe wieder ein. Kurz
daraus, meinem Gefühl nach, weckt er mich —
er steht schon völlig angezogen vor mir. „Wo
warst Du denn? Ich habe Dich doch einmal
gerufen —"

„Mi' g'ruf'n? — Ja, — i schlaf' ja so
viel guat."

„Aber dagelegen bist auch nicht'

Eine kleine Verlegenheit kommt
„Ja so, — da werd' i grad nach
g'schaut hab'n. — I moan's halt!"

„So, meinst —"

„Stern schein«, koa Wind geht,
seh'n, schiaß'n thuans."

Der Ausblick dämpft sofort den in mir auf-
steigenden llnmuth über seine Falschheit.

Frühjahrsnacht l Tiefschwarz heben sich die
Waldberge vom sternlichten Himmel, ein laues
Lüfterl brummest um das Ohr, Schneewassec
rauschen in den Bächen, — heute springen
viele Knospen.

über ihn.
Wctt'r

Werd'ns

Dem Laanerjoch zu, Jakl voraus mit der
Laterne. Das Licht zittert ein wenig in seiner
sonst so ruhigen Hand.

„A saubere Dirn,, die Agil" werfe ich hin.

„G'fallt's Jhna?"

„Dir doch auch."

Da zuckt der Heuchler vor mir mit der
Achsel. „So mitala (mittelmäßig)."

Das soll er mir büßen.

Steil geht's aufwärts im Altholz. Die Sterne
erbleichen, ein kühler Wind zieht von der
Höhe, allmählig tritt die Form aus der Fin-
sterniß, ein weißer Stamm, eine phantastische
Wurzel.

Jakl löscht das Licht. Ter Falzplatz ist nicht
mehr weit. Wir machen Halt zum Lusen.
Man athmet kräftig ein und aus, stützt sich
auf den Bergstock und ist ganz Ohr. Erst
wird jedes Geräusch zum Falz. Ein fallen-
des Astl, das Rieseln eines Bächleins irgend-
wo, das Nesteln eines Vogels im Geäst.

„Jetzt — hast gehört?"

„Das war mei' Mag'n," erwiderte Jakl.

„Aber jetzt —" Ein zarter metallischer Ton

Jakl nickt zufrieden. „Aus der Buach, werd'ns
seh'n — g'hört scho' uns."

Der Ton wiederholt sich, in immer schnellerem
Tempo, bis zum Hauptschlag. Ein Blick zum
Himmel. Die Wipfel sind schon klarer. Unter
uns präludirt die erste Drossel.

Ich warte den Hauptschlag ab und springe
auswärts, Jakl folgt. Der Hahn falzt Schlag
auf Schlag. Wir kommen so etwa 100 Schritt
vorwärts, da versperrt uns eine gestürzte
Fichte den Weg. Ausweichen geht nicht, also
hinüber. Aber es langt nur für den einen
Fuß, dann verschweigt der Hahn. — Eine
schwere Lage, die spitzen Stören stechen in
meine Schenkel; bei der leisesten Bewegung
knackt es, — also aushalten I

Der Hahn schweigt. „Luader!" brummt
Jakl. Dann schnakelt er einmal, schweigt wie-
der. Die erotische Vision ist erloschen, jetzt ist
er ganz Aug und Ohr.„Wir regen uns nicht —
athmen kaum — ein aufregendes Hoffen und
Fürchten —

Da beginnt er, erst noch bedacht, Schnakler
auf Schnakler, dann immer schneller, seine
Sinne verwirren sich wieder, die Wirklichkeit
weicht dem Traum. —

Jetzt rasch, und keine Minute mehr verloren.
Die Dämmerung weicht, die Meisen zanken
schon im Geäst.

„Bleib' zurück, Jakl!" Sprung auf Sprung. -
Jetzt muß ich ihn sehen. Esel mit Deiner Äuch I
Die Buch ist leer. Jeden Spatz müßt' ich jetzt
sehen. Nur noch bis zu der Ficht'n wenn
ich komme. — — Der Hahn halt aus. Ich
wage drei tüchtige Sprünge. Stolpernd halte
ich mich noch an dem Fichtenstamme. — Der
Hahn verschweigt, und dicht vor mir muß er
sitzen.

Langsam hebe ich den Kopf, spekulire hinter
dem Stamm hervor. Teufel, dicht vor mir
keine 20 Schritt in der Buch — die Fichte
hat ihn nur verdeckt — und schweigt und reckt
verdächtig den Hals und trippelt auf dem Ast.
Hinter ihm zieht's purpurroth auf, kohlschwarz
hebt sich die Silhouette.

Wenn ich nur die Büchs an der Wang' hätt'
— aber ich wag' es nicht. Jetzt pludert er
sich, wendet sich gegen Sonnenaufgang. Da
fahre ich an die Wange. In dem Augenblick
beugt er sich vor, spreizt den Stoß, und heißer
wie je ertönt sein Liebessang.

Da packt's mich, ich ziehe den Finger zurück,
der schon am Drücker liegt. — Warum denn?
Der große Pan ist erwacht und schreitet durch
das Gebirge, — was willst du ihm sein Spiel
verderben, Menschlein?

Da wendet er sich plötzlich, spreizt die Flügel
zum Abritt, — in dem Augenblick kracht's l Ich
hab's nicht gethan, wahrlich nicht. — Der Hahn

U1510 N

Cesare Laurenti (Venedig)

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