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1903

J U GEN D

Schwarze Rusaren

Bei dem Festmahl, das nach der Inthroni-
sation des Erzbischofs in Köln ftattfand, sagte
Domprobst L>r. Berlage:

„Ich denke mir das große Deutsche Reich be-
schützt von verschiedenen Regimentern, die verschie-
dene Farben tragen. Jedes der Regimenter hat
Treue gelobt und wird sie halten. Eines dieser Re-
gimenter führt unser Herr Erzbischof. Wenn es
gilt, dann werden die schwarzen Husaren ihm
zur Seite stehen und kämpfen für Kaiser und Reich."

Wie wir hören, hat sich aus diese Rede hin
der „Schwarze Aujnst" sofort L la suite
des neu errichteten Husaren-Regiments
„Schadler" stellen lassen und in Parade-Uni-
form der „Pfarrerkathl" einen Besuch ab-
gestattet. Si.

Oie zollpflichtigen 6lel

Ein 3dyII aus Oefterreich

Der Entwurf des „Allgemeinen Zolltarifs für
das österreichisch-ungarische Zollgebiet" belegt in
Rümmer 72 den Esel mit einem Einfuhrzoll von
fünf Kronen, während sich Zreund Langohr bis
nun seiner vertragsmäßig gesicherten völligen Zoll-
freiheit erfreuen konnte. Gänzlich zollfrei wird der
Esel in Hinkunft nur dann eingeführt werden können,
wenn er — zum „Hochzeitsgeschenk" oder als „Aus-
stattungsgegenstand" bestimmt ist. tSiche Artikel IX,
Absatz S.)

Zollschranken vor und rasch gesperrt die

Landcsgrenz'I

Bei Gott, wir brauchen wahrhaft keine

Loncurrcnz

Mtv unsre Esel, deren Zahl ja riesengroß,

Die eine fremde Einfuhr müßt' entwcrthcn bloß!
Zudem könnt' staatsgcfährlich werde» justament
Noch jedes imporrirre Esclsclcmcntl
Vver weiß, ob Langohr aus Berlin,

Rom und Paris

Sich auch als frommes Stimmvieh so

verwenden ließ',
wie die Grauthiere all die christlichsozialcn,
Die ihr „Zahl" begeistert schreien bei den

Wahlen!

Doch läßt fürsorglich das Gesetz in unscrmLand
Den Esel zollfrei als

Ausstattungsgcgenstand,
Weil sonst so manch Bureau in schmählich

kurzer Frist

Den cinz'gen Schmuck, den es besitzt,

verlieren müßt'.
Als Hochzcnsgab sind Esel selbstverständlich frei;
Hcirathen ist eben vielfach eine Eselei —
Doch kann dem Bräutigam man ja
^ . zumuthcn nie,

cc Zahl' als Mitglied der Zoologie!
Kopfsteuer müßt' man nennen einen

solchen 3oU,

v)clc kaufend echte Esel auserlesen —
N)ir Und bekanntlich in so mancher Hinsicht

Jedoch in dieser ausnahmsweise nicht LH i n^sem

Krokodil

Oeue Biographien

(Herausgegeben vom „Schwarzen Aujust")
Goethe

Zwar hat der Jesuit Al. Baumgartner
Goethes Leben und Werke vorurtheilslos beleuchtet
und dabei den protestantischen Heros geziemend
herabgedrückt — aber Goethes nichtswürdige Ge-
sinnung ist doch noch nicht genug beleuchtet, seine
„Lebensirrungen" sind noch nicht scharf genug er-
kannt. —

Zeine erotische Natur ist bekannt; zu allem
Ueberfluß bekennt er selbst („Der neue Amadis"):
„2lch! ich liebte fast mich tot." — Damit stimmt
auch, wenn er in den .Zahmen Genien' III erklärt:
„Ich wünsche mir eine hübsche Frau,

Die nicht alles nähme gar zu genau." —
Der famose „Erzieher der Deutschen" ruft der
Jugend cynisch zu („wahrer Genuß"):

„willst Du Dir ein Mädchen kaufen,

Zo geh —!"

So gesteht er denn selbst in einer reuerfüllten
Stunde ein („Schäfers Klagelied"):

„Ich bin heruntergekommen,

Und weiß doch selber nicht wie." —

Schande dem Deutschen, dessen Lehrer ein
Mensch ist, der offen zugibt („Zahme Zßenien" I):
„So ein Ragout von Wahrheit und von Lügen,
Das ist die Köcherei, die mir am besten schmeckt."

Er wagt es, den Wortbruch und Meineid zu
glorifizieren („2lbschicd"):

„Zu lieblich ists, ein wort zu brechen."
Natürlich! wie kann einen das wundern von
einem Menschen, der schon als Kind mit dem Ge-
fängniß oder gar Zuchthaus Bekanntschaft machte,
wie er selbst schamlos rühmt („Der neue Amadis"):
„Als ich noch ein Knabe war,

Sperrte man mich ein."

Seine Liebespaffionen kosteten später viel Geld.
So lange noch von zuhause Zuschuß kam, konnte
er wohl ansrufen („Zum neuen Jahr"): „Freut
Luch des Wechsels!" — Aber später! Er hatte
Verluste beim Terteln („Vanitas"): „Ich ver-
lor ein Bein"; er trieb leidenschaftlich das Kegel-
spiel („Epigramm" 27):

„Alle neun, sie winkten mir oft" —

Und schließlich kostete ihm auch die Drucklegung
seiner Werke — Verleger fand sich offenbar keiner
— große Summen („Epigramm" 35):

„Ich habe, wie schwer! meine Gedichte bezahlt!"

So ist selbstverständlich, daß diese catilinarische
Existenz Umsturzpläne im Schilde führt und seine
Genossen auffordert („Deutscher Parnaß"):

„Brüder, laßt uns alles wagen!" und schließ-
lich offen den Anarchisten sich in die Arme wirft
(„Zahme Genien" III):

„warum mir aber in neuester Welt

Anarchie gar so wohl gefällt-". —

Und wenn er auch einmal — wer weiß, aus
welchem Grunde? — den Ultramontanen schmeicheln
zu können glaubt, indem er spricht („vermächtniß"):
„Das Eentrum findest Du da drinnen,
woran kein Edler zweifeln mag" —:
ein deutscher Lentrums-Mann schüttelt einen Goethe
mit Entrüstung von seinen Frackschößen ab.

Auf Rricgsschule

Inspektions-Mffizier: „Bitte mir aus,
daß nur tadelloseste Wäsche anjezogen wird; 'n
Fenn'rich muß sich stets so tragen, daß, wenn er
bei 'n Unfall vor fremden Leuten dot bleibt, er
immerhin mit gutem Iewissen sagen kann: „Na,
bist wenigstens anständig anjezogen!""

Eine gure Mutter

Elschen: „Denk Dir nur, Annie, gestern hat
der Storch meiner Mama gar Zwillinge gebracht;
die läßt sich aber auch Alles aufhängen!"

Oer neue Olvlarck

„wenn ich von den Paragraphen da den
zweiten wcgnchme," fragte der Lehrer den
kleinen Bernhard, „was bleibt dann noch?"

„Det macht jar nischr aus!" meinte der Kleine.

„Bernhardchen," sagte der Lehrer kopf-
schüttelnd, „Du bist'n schlechter Rechner'"

In einer Zankec-Gesellschast unter-
hielt man sich über die Statue Friedrichs des
Großen, „was sollen wir auch mit dem alten,
rodten Preußenkönigl 7 Ein lebendiger,
französischer Marquis ist uns lieber,"
rief eine junge Millioncuse.

Das konfessionelle Bewußtsein erwacht er-
freulicherweise in allen Schichten der kochen-
den Volksseele.

„Darf ich mir Ihnen hcimgeh'n?" fragte
nächtlicherweile ein Herr eine — Dame.

„Bitt schön," erwiderte das fromme Mäd-
chcn streng, „erst 'n Taufschei' vorzoag'n!"

„Nach welcher Doctrin würden Majestät
die Türkei am Liebsten rcformircn 7" inter-
viewte ein Journalist den Sultan. „Nach
der Monroe-Doctrinl" seufzte letzterer.

Der Herzog von Norfolk, der Führer
einer englischen Ratholiken-Deputation, hielt
anläßlich des Papstjubiläums in Rom eine
sehr lange Rede über die Tcrritorialrcchte des
Papstes, ohne jedoch einen einzigen Gro-
schen für den Peterspfennig zu geben.

„Und w 0 ist der langen Rede kurzer Sinn?"
unterbrach ihn Ramxolla ungeduldig.

24Z
Index
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Schwarze Husaren"
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Krokodil: Die zollpflichtigen Esel
[nicht signierter Beitrag]: Neue Biographien
Si.: Schwarze Husaren
Karl Stemplinger: Neue Biographien
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Auf Kriegsschule
[nicht signierter Beitrag]: Eine gute Mutter
 
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