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Nr. 16

1903

Die Heirathsfrage

Von Gustaf Frölling

Ein Pflug Mus; her, eine Egge dabei,

Ein Roß, zu zieh» und zu schleppen für zwei,
lind ein Gärtchen, und Bohnen und Kohl

hinein —

Erk, was?

Maja, was?

So »ins; es sein!

Ein Ferkel, das uns den Abfall verbrauch',
llud Hühner und Enten bekommen wir auch,
Und Kaffee und Zucker und Obst und Wein —
Erk, was?

Maja, was?

So muß es sein!

Auf unserer Wiese, da weidet die Kuh,

In Daunenbetten gehn wir zur Ruh',

Und seines Porz'lan und Geschirr ist im

Schrein —

Erk, was?

Maja, was?

So muß es sein!

Aber Maja, du, Maja — wo soll's her?
Ich bin blutarm, und du faul wic'u Bär,
Du bettelst, und ich bin ein Knecht, nicht

m ehr —

Erk, was ?

Maja, was?

Wo soll's her??

>A. !>• Schwedischen von Hanns v. Gumppenberg)

Tod

Ich Hab Dich gerufen in mancher Nacht,

Wenn die Sorge mein Bettgenoß war.

Ich habe Dir Kranze der Sehnsucht gebracht
Und gebetet an Deinem Altar,

Ich lag auf der Schwelle und grub in de» Stein
Ein »salve» mit blutender Hand —

Du schrittest vorüber, Du kehrtest nicht ein.

Wo der Gruß der Verzweifelten stand.

Die Jahre vergingen... Das Leben war stark.
Noch einmal erblühte mein Muth,

Noch einmal durchrann mir die Jugend das Mark
Und schlug mir wie Flammen ins Blut!

Mein Schlaf war von selige» Traumen schwer,
Mein Mund hat geküßt und gelacht —-
Ich hörte das Rauschen der Esche nicht mehr,
Die de» Schlummer der Todte» bewacht... —

Auch Deiner vergaß ich — ich kenne Dich nicht!
Was reckst Du die Arme nach mir.

Was winkst Du und lächelst mit fahlem Gesicht?
Es packt mich ein Grauen vor Dir!

I» heimlicher Kammer verberg ich ei» Glück, —
Ich ttug's wie ein Dieb dort hinauf —

Da kehrst Du, Verstuchter, noch einmal zurück

Und reißest ein Grab vor mir auf-

Hrma Ritter

II. Nisle -J-

Eben deswegen!

Von cvtto Bohrend

Fra» Rosa hatte nach schwerem innerem
Ringen den Entschluß gefaßt, ihrem Mann Alles
zu beichten. Und dies „Alles" wollte etwas be-
deuten, und es war wohl erklärlich, daß ihr vor
dem entscheidenden Augenblicke bangte, wie To-
desschauer überlief es sie bisweilen, jetzt wo sie
in der trübe nicdersiukcnden Dämmerung des
kurzen Novembertagcs den kaum noch sichtbaren
Zeiger auf dem weißen Ziffcrblatte des Regulators
immer wieder mit den Augen suchte, wie er so
langsam und doch unheimlich sicher der entschei-
denden Minute eutgegcnkroch.

Es fröstelte sie, trotzdem in dem lauschigen
Gemache eine behagliche wärme herrschte.

Die Uhr hob aus u^id verkündete mit Hellen
Schlägen, deren jeder einzelne ihr wie ein gellendes
Hohnlachcn klang, die vierte Stunde. Noch zehn
Minuten und sie mußte den wohlbekannten Schritt
ihres Mannes, der aus der Universität heimkehrte,
hören, und dann — es packte sie wie ein Fieber-
frost, sie biß die Zähne aufeinander.

Aber Fra» Rosa hatte den festen Entschluß
gefaßt, zu beichten, und ein solcher Entschluß war
bei ihr unwiderruflich. Vielleicht hatte diese Hart-
näckigkeit ihres Charakters auch den letzten Anstoß
gegeben — vor Jahresfrist — daß sie vom rechten
Wege abwich.

Rene war es, die sie zu der furchtbaren Beichte
trieb, denn sie war eine religiös angelegte Natur.
2lbcr nicht reine Reue, denn wo gibt es in der
Menschcnbrust ein reines Gefühl, ein Gefühl,
das nicht mit Zuthatcu anderer Gefühle durch-
setzt ist?

Gewiß, sie bereute und ihre Strafe sollte die
Beichte sein —nur durch diese konnte sie sich vor
sich selbst läutern und ein neues Leben beginnen,
wenn sie Vergebung fand, ja wenn — sie wußte
es nicht, sie war ihrein Manne ja feit langenr
fremd geworden.

Und sie liebte diesen Mann wieder mit der
wilden Gluth der ersten Zeit ihrer Ehe, den-schönen,
ernsten Mann mit der hohen Stirn, den milden
blauen Augen, dem weichen, wallenden dunklen
Barte, der breitschultrigen, muskulösen Gestalt.

Und sie haßte jenen andern, um den sie ihn
verrathen hatte, den geschmeidigen, hochaufgeschos-
senen Gecken — was war es nur gewesen, daß
dieses bleiche, entnervte Gesicht, diese brennenden
Augen, dieses geheimnißvolle Raunen der Stimme
jemals hatten einen Reiz für sie haben können? —
wie ein Duft von Lhypre zog es ihr in die
widerwillig sich blähenden Nasenflügel — ein
ewiger, verhaßter Duft — jetzt —

Ein Nirhtsthuer, ein Tagedieb, ein Hohlkopf,
ein Mensch ohne Ehre und Gewissen — sie hatte
ihn endlich nach langem Irrwahn durchschaut,
gründlich durchschaut.

Und dagegen ihr Martin, der so emsig seiner
Wissenschaft lebte, der sich nur so wenig Vergnü-
gungen und diese auch nur seiner Frau zu Liebe
gönnte, der bis spät Nachts über seinen Büchern
saß und ihr Heimkommen aus dem Theater, aus
Lonecrten oder Gesellschaften erwartete. — „Bist
Du da, Rosa?" — „Ja, und es ist recht spät
geworden, nicht wahr? — Das Theater dauerte so
lange" — oder „sie wollten mich nicht eher fort-
lassen". — „So, ist es schon spät, ich weiß es
gar nicht — aber hast Du Dich gut amüsirt?" —
„Gewiß Martin," kaum hörte er noch die hastige,
nervös gegebene Antwort, schon wieder über seine
Bücher gebeugt.

Doch hier lag eine Schuld des Mannes, er hatte
sein lebeusfrisches Weib vernachlässigt, sie konnte
sich nicht so von Freude und Genuß abschließen,
wie er, sie mußte ihr Dasein mit Lust und Leben
ausfüllen. Und aus dem Gefühle, Unrecht z»
leiden, war der erste schwarze Gedanke erwachsen.
Auch er trug eine Schuld.

Ja, es war nicht die reine Reue — sie liebte
ihren Gatten wieder, sie verachtete jenen andern,

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Register
Gustaf Fröding: Die Heirathsfrage
Anna Ritter geb. Nuhn: Tod
Heinrich Nisle: Zierleiste
Otto Behrend: Eben deswegen!
 
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