Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Else Mehrte (Breslau)

schüttelte sich, daß die bellen Tropfen nmhcrsprihten
und den kleinen Bals hochhebend, sah es stolz
über seine Leistung nach den Geschwistern.

Da rauschte es plötzlich unter inir — ein fahl-
gelber Blitz, ein dumpfes Geräusch im Master
und schon verschwand ein Fuchs mit dem jungen
Tauchkünstler in den schwankenden Erlenbüschen.
Dann herrschte wieder tiefer Friede, die Enten
waren nicht mehr zu sehen, der aufgeregte Weiher
beruhigte sich und nichts mehr verrieth, daß hier
eben eine Drama im Thierleben stattgefunden hatte.

vom naheli Walde herüber schmälte ein Reh,
hoch über mir zogen Krähen in schwerfälligem
Fluge zu ihrem Ruheplatz. Ein grünschillerndcr
Eisvogel strich dicht am Ufer hin und schlüpfte
in überhängendes Wurzelwcrk.

Ich fing jetzt allmählich an unruhig zu wer-
den; denn mein Reiher ließ noch immer auf sich
warten. Sollte ich mich am Ende doch getäuscht
haben? Bäuinte er jenseits des Flusses auf bei
der „rothen" Onclle oder war er durch den räuber-
ischen Uebersall vergrämt worden?

Während ich so von Zweifeln erfüllt wartete
und jeden Augenblick meinte, jetzt müsse der Er-
sehllte sichtbar werden, rauschte es wieder in den
Erlcli, diesmal mir gegenüber.

Ich faßte die Flinte fester uild saß, die Büsche
scharf beobachtend, unbeweglich mit pochendem
Perzen.

Jetzt theilten sich die hohen Stauden, ein junges
hübsches Mädchen in lichtem Sommerkleid, einen
leichten Strohhut auf dein nußbraunen paar kam
hervor, blieb einen Augenblick stehen, sichernd
wie ein Reh, und wandte sich dann zu einem
Foxterrier, der ihr auf ldem Fuße folgte.

„Kusch Butzi, Kusch! So. . . schön!" schmei-
chelte sie, — mit dem weißen Sonnenschirm dro-
hend, mährend der Bund sich willig ins weiche
Moos niederließ.

Sieh da! dachte ich, wahrscheinlich eine Sommer-
frischlerin ans dem nahen Weyarn, dessen gold-
roth schimmernde Fenster vom Berge herab glühten.
Aber was will nur die junge Dame hier allein
und zu dieser Stunde?

Nr. iS

Auf dem Mfcmd

^N eit mehreren Tagen hatte
<516 ich bemerkt, daß sich ein
Reiher an meinem Forellen-
wasser niedergelassen hatte,
aber alle versuche, mich an
den gefährlichen Fischräuber
auf Schußweite herauzupür-
schen, waren an der Wach-
samkeit des schlauen Thieres
gescheitert.

Deshalb beschloß ich, ihn
Abends auf dem Anstand zu
erwarten, und begab mich
am Spätnachmittag zu einem
kleinen Ouellweiher, in dessen
Nähe der ungebetene Gast
gern aufbäumte.

Ls war ein wunderbar
stiller Platz, in den anmuth-
igen Auen der Nangfall ver-
steckt, grünes Schilf mit brau-
nen Kolbe», Heckenrosen und
Farnkraut wucherten durch-
einander, selten betrat eines
Menschen Fuß diese unent-
weihte liebliche Wildniß.

Ich setzte mich etwas er-
höht auf den glatten breiten
Stumpf einer Buche, so daß ich, selbst zwischen
jungen Erlen wohl verborgen, die ganze Umgeb-
ung bequem überblicken konnte. Regungslos, das
gespannte Gewehr auf den Knieen, erwartete ich
so mein seltenes Wild.

Die scheidende Augustsonne siel in schrägen
Strahlen auf das tiefgriine Wasser, über dem
zierliche Libelle» ihre Luftrcigen ausführten. 211)
und zu schnappte eine Forelle nach den zahlreichen
umhertanzenden Mücken; dann stiegen silberne
Blasen auf, ein Kreis bildete sich in der unbe-
weglichen Flut, der sich langsam in immer größeren
schwächeren Kreisen ans der spiegelglatten Dbcr«
fläche verlor.

Goldglänzende Fliegen standen plötzlich reg-
ungslos in der Luft und waren sogleich wieder
verschwunden, wie weggezaubcrt. Kein Laut war
zu vernehmen außer dem Summen umherschwär-
mender Insekten und dem Murmeln des nahen
Flusses. Jetzt erwachte ein laues Lüftchen, koste
um die weichen graugrünen Blätter der Erlen,
spielte mit den feinen Spitzen der Farnkräuter
und erstarb plötzlich wie es entstanden in der
drückenden Schwüle des Sommerabends.

Mir gegenüber am andern Ufer des Flusses
erglühten die düster» Tannen in sammtartigen,
braunblanen Tönen. Aber höher und höher stiegen
die Schatten, das Licht verdrängend, das jetzt nur
noch die Wipfel vergoldete, während der untere
Theil der Bäume untertauchte in violettem Duft.

Der Bimmel hatte eine blaßblaue Färbung
angenommen, ein einzelner Stern blitzte auf,
vom nahen Weyarn herunter klangen die Abend-
glocken über die friedlichen Auen hin.

Da raschelte es leise im Schilf; eine Wildente
führte ihre noch nicht flüggen Jungen in's Wasser.

Wie gewandt die sechs kleinen, graubraunen
Thierchen schon ruderten, die Alte nachahmend
tu jeder Bewegung.

Bald schwammen sie dicht zusammcngedrängt
hinter der Mutter her, bald putzten sie an ihrem
flaumigen Gefieder und wackelten dazu mit den
Schwänzchen. Ein besonders muthigcs Entlein
versuchte unterzutauchen und schien über die eigene
Kühnheit erstaunt, als es wieder emporkam. Es

1903

Ein Kcndez-vous wohl!
ging es mir durch den Kopf,
während ich unbeweglich in
meinem versteck sitzend, das
Weitere abzuwarten beschloß.
Das Mädchen war inzwischen
wieder zurückgetreten; ich
konnte nichts mehr von ihr
unterscheiden, nur die Spitzen
der Erlen bewegten sich an
einer Stelle unfern dem Platz,
wo der weiße Bund lag.

Nun, der glückliche Lieb-
haber scheint nicht sonderlich
Eile zu haben, meditirte ich
eben, da theilten sich die
Büsche anfs neue, und die
<7>weige auseinanderbiegend
trat die junge Schöne heraus
— in einem verwaschenen
blaßblauen Badekostüm, das
sich eng um ihre üppig-
schlanken Formen schmiegte.

Mit einigen vorsichtigen
Schritten trat sie an den Rand
des Weihers heran und streckte
das weiße schmale Bein bis
zum Knöchel in die dunkle
Fluth. Dann zog sie den
wohlgebildeten Fuß wieder
zurück, kniete nieder und wusch mit beiden Bän-
den Brust und Schultern.

Jetzt wär es mir nicht mehr möglich gewesen
mich unbemerkt zurückznziche», selbst wenn icb
gewollt hätte. Aber ich wollte auch nicht; denn
so viele badende Frauen ich auch schon an allen
möglichen Meeren gesehen, nie war mir eine so
anziehend erschienen, wie dieses rosige, vollständig
ahnungslose Geschöpf in seiner keuschen Jugend-
frische, umspielt vom goldigen Dämmerlicht des
sommerlichen Waldes.

Jetzt hatte die Kleine ihre Vorbereitungen
beendet, noch einmal lauschte sie regungslos, das
Köpfchen erhoben, die vollen Lippen halb geöffnet,
dann glitt der geschmeidige Körper in's Wasser,
weiß aufleuchtend in dem schwarzgrünen Becken.

Einmal kam sie ganz nahe an mir vorüber,
aber war es Zufall, war es ein ihr selbst un-
bewußtes Empfinden, sie tauchte plötzlich unter
und erschien erst eine Strecke weiter rechts wieder
auf der Oberfläche.

Dann stieg sie an's Ufer, die zarte Baut leicht
geröthet, und mir den Rücken kehrend, beugte sie sich
nieder und tätschelte den kleinen, siillliegenden Bund.

„So war's brav, Butzi, soo!" lobte sie und
während sic mit beiden fänden das gelockerte
Gnmmimützchen von ihrem reichen paar löste,
schlugen die Stauden hinter ihr zusammen.

Noch saß ich überrascht von dem ungewöhn-
lichen reizvollen Erlebnis;, da ertönte schon ihre
Helle Stimme, die dem puud rief.

Wie rasch doch auch Damen Toilette machen
können! dachte ich und spähte angestrengt in die
zunehmende Dämmerung hinaus, aber ich sah
nur noch einen rosafarbenen Streifen aufleuchten
im hohen Schilf. — Nach einer Weile verließ ich
mein versteck und machte mich zögernd auf den
Pcimweg; den Reiher hatte ich vergessen. —

Am nächsten Abend kämpfte ich eine gute
Iveile mit mir; der Anblick war so verlockend
gewesen, das es mich gelüstete, ihn ein zweites-
mal zu genießen — aber ich ging doch nicht
wieder auf den Anstand zum Weiher — auch
das Schönste wird entgöttcrt durch die Gewohnheit.

Hrtbur Schubart

304
Register
Anton Schubart: Auf dem Anstand
Else Mehrle: Blumenbukett
 
Annotationen