Nr. 21
JUGEND
1903
den Du ja kennst, wenn er etwas Pikantes er-
zählt: „Donnerwetter, ein Raffeweib!" Das ist
aber nicht wahr, denn die Jury hat ihr, wie
ich von Diana höre, den Preis aberkannt und
über ihre Geburt cursieren die dunkelsten Ge-
rüchte, die ich Dir aus Schamhaftigkeit nicht
wieder sagen kann.
Mir haben gräßliches Wetter — eine Kälte,
daß man keinen Menschen hinausjagen möchte!
Neues kann ich nicht viel von hier berichten.
Die Straßen sind fast hundelcer, wer es sich
halbwegs leisten kann, ist mit seinen Menschen
nach Italien.
„She" ist wieder einmal mit Vierlingen
uiedergekommen, das Hund! — le pfere ist
natürlich wie stets bei ihr — inconnu.
Unser Vetter Bayard, das alte Ekel, hat
wieder geheirathet und läuft jetzt mit seiner
jungen Frau Semiramis an ein er Kette, wie
man nur sein Kind „Semiramis" nennen kann!
Sie soll übrigens ans einer alten Dackelfamilie
stammen und sehr niedlich sein. Deswegen hat
Bayard sich auch mit ihr an eine Kette legen
lasten — ich glaube die Kleine hätte ihm sonst
bald genug Hörner aufgesetzt. Die Idee, sich
bei der Eheschließung an eine gemeinsame Kette
legen zu lasten, soll übrigens von den Menschen
übcrnominen sein und scheint mir sehr zweck-
mäßig.
Nun lebe wohl, mein Inuigstgelicbter, lasse
recht bald von Dir hören und sei herzlichst um-
pfotet von Deiner stets getreuen
Berlin, {0. April tS0Z.
P. S. Wir haben jetzt eine sehr gute Köchin,
besonders Kaldannen kocht sie brillant. Wie
macht sich denn Eure Julie — salzt sic noch
immer nicht?
Gedanken
Der sächsische Geheimrath spricht:
„Un woher, meine Herrn, ivoher gommt denn das
ganze sogenannte soziale Elend? Der wiehste Luxus in
Eigarrn un Lagerbier, de Butzsucht, de außerehelichen
Niederginfte, de Brostitution, de iewertriewene Ginder-
sterblichgeit?!-Von der verfluchten Sozial-
demokratie!!"
Hn die Kleiber
Jur Jeichnung von I. R. Witze!
Euch brauch' ich! Euresgleichen thur mir norh,
wie mir die Blumen »sth thun auf der Flur,
Die Himmelsbläue und das Abendrot!)
Und alles Schöne, Zarte der Vlarur.
Ich weiß cs wohl, um satt zu werden nur,
Genügte auch des Alltags trocken Brot;
Doch so zu lebe», ohne jede Spur
Des Schönen, wäre schlimmer als der Tod.
Drum brauch' ich Euch! Und Eures Angesichts
Errökhcn, Lächeln, Euer Blick und Wort
Und Lieben sind mir Alles — oder Vlichts:
Denn wenn ich wandlc auf der Bahn
des Lichts,
Dann schreit' ich über Euch, o Blumen, fort,
Gleichgültig ob Ihr blühet, ob verdorrt-
A. I>e Xora
für das Meid!
Jur Jeichnung von I. R. Witzel
Ich kann's nicht anders leugnen: schwer entrüstet
Hat mich dies obenstchende Gedicht!
wcnn's einen so nach Weiblichkeit gelüstet,
Verschweigt man's wenigstens und
sagt cs nicht!
Trotz seiner Jamben tadellosem Flusse,
Dünkt mich der Herr Verfasser arg frivol,
Der, wie im Schnupftabak und Alkohol,
Im Weib nur sicht ein Mittel zum GcnusscI
Daß die Leute, ja sogar unscre Freunde und
Feinde, uns für besser oder schlechter halten, als
wir wirklich sind, das ist erklärlich und entschuld-
bar; aber daß wir selber oft nicht genau wissen,
welches Maß von christlicher Nächstenliebe wir
in diesem oder jenem Falle entfalten werden,
daß wir manchmal erst kleinlich abwagen, um
schließlich den Einstüsterungen des Egoismus zu
erliege», — das sollte uns zur Bescheidenheit
und Milde in der Beurtheilung unserer Mit-
menschen stimmen. Georg Hirth
o
26as doch der Name nicht vermag! Oft
thuts ein Strichclchen und dieselbe Sache hat
ei» andres Ansehn: Wenn der Corps-Student
oder der Herr Graf „kotzt", dann ist es schon
nicht mehr gekotzt! „Pfui, wie gemein!"
Zcuo
Vor Gericht
Richter: „Mas haben Sie zu Ihrer Ent-
schuldigung noch anzuführen?"
Angeklagte: „Ich bin schon den siebenten
Monat in mildernden Umständen!"
Neues von Serenissimus
Der berühmte Forschungsreisende vr. K. hat
sich nach einer zweijährigen Äfrikareise in die kleine
Residenzstadt zurückgezogen, um sich von den Folgen
der Anstrengungen und des mörderischen Klimas
zu erholen. Auf einem Spaziergang im Park wird
er von Serenissimus huldvoll angeredet:
„Nun, mein lieber Doktor, wie bekommt Ihnen
denn mein Klima?"
Schulhumor
Lehrer: Was bedeutet es: „im Schweiße Dei-
nes Angesichts sollst Du Dein Brot essen?"
Schüler: „Du sollst so lauge essen, bis Du
schwitzst."
Naiv
Gouvernante (zur kleinen Emma, die auf
dem Grasboden Purzelbäume schlägt): „Pfui,
Emmy, das schickt sich nicht für kleine Mädchen!"
Emmy (schmollend): „Nun, dann wart' ich
halt, bis ich groß bin!"
/k: Schmidhammer
Der erfolgreiche Börsianer:
„Haben Se schon den großen Cohn
gesehn?"
Ja, las dev Here denn nie in feinem Leben,
was Schiller von der Frau so hübsch erklärt,
wie sie, geschickt im Flechten und im weben,
Die Knaben prügelt und die Mädchen lehrt?
wie in den Schrank, der reinlich ist geglättet,
Sie leinene und wollne Sachen legt,
Des schönen Fühlen« heil'gcs Feuer hegt
Und vor Versumpfung oft den lNann errettet?
Ja, har der Herr auch Goethe nicht gelesen,
Der einerseits kein Kostverächter war,
Jedoch zu gleicher' Zeit wie höh're Wesen
Die Frauen stcrs verehrt har offenbar?
Der constaticrt: Den Man», den Ewig-
Schwachen,
Ihn zieht das Ewig-Weibliche hinan
Und bei den edlen Frauen fragt er an
In allen Schicklichkcirs- und Anstandssachen?
Ja, spürt der Herr im Geist denn keine Regung
Von einer Ahnung, wie in unsrer Zeit
Die so mit Recht geschätzte Frau'nbewcgung
Das Weib aus Harcmsklaverei befreit?
wie sic erfolgreich jetzt den Mann befehde»,
Als widerrechtlich aufgczwungncn Herrn?
Hielt ihm vergeblich Lina Morgenstern,
Anita Augspurg ihre schönen Reden?
Nein! Sehr verehrter Herr Sonettenschrciber:
wenn auch das Weib wie's liebe Brot
der Mann
Zum Leben nörhig hat — „Ich brauche
Weiber!"
Schreit nur ein Röcknitz, oder Don Jüan!
Die Wonnen, die sic uns empfinden lassen,
Genießt im Singular sie still und treu —
Doch proklamiert nicht ohne zarte Scheu,
wie Herr de Vlora, den Lonsum in Massen!
Biedermeier mit «l
370
JUGEND
1903
den Du ja kennst, wenn er etwas Pikantes er-
zählt: „Donnerwetter, ein Raffeweib!" Das ist
aber nicht wahr, denn die Jury hat ihr, wie
ich von Diana höre, den Preis aberkannt und
über ihre Geburt cursieren die dunkelsten Ge-
rüchte, die ich Dir aus Schamhaftigkeit nicht
wieder sagen kann.
Mir haben gräßliches Wetter — eine Kälte,
daß man keinen Menschen hinausjagen möchte!
Neues kann ich nicht viel von hier berichten.
Die Straßen sind fast hundelcer, wer es sich
halbwegs leisten kann, ist mit seinen Menschen
nach Italien.
„She" ist wieder einmal mit Vierlingen
uiedergekommen, das Hund! — le pfere ist
natürlich wie stets bei ihr — inconnu.
Unser Vetter Bayard, das alte Ekel, hat
wieder geheirathet und läuft jetzt mit seiner
jungen Frau Semiramis an ein er Kette, wie
man nur sein Kind „Semiramis" nennen kann!
Sie soll übrigens ans einer alten Dackelfamilie
stammen und sehr niedlich sein. Deswegen hat
Bayard sich auch mit ihr an eine Kette legen
lasten — ich glaube die Kleine hätte ihm sonst
bald genug Hörner aufgesetzt. Die Idee, sich
bei der Eheschließung an eine gemeinsame Kette
legen zu lasten, soll übrigens von den Menschen
übcrnominen sein und scheint mir sehr zweck-
mäßig.
Nun lebe wohl, mein Inuigstgelicbter, lasse
recht bald von Dir hören und sei herzlichst um-
pfotet von Deiner stets getreuen
Berlin, {0. April tS0Z.
P. S. Wir haben jetzt eine sehr gute Köchin,
besonders Kaldannen kocht sie brillant. Wie
macht sich denn Eure Julie — salzt sic noch
immer nicht?
Gedanken
Der sächsische Geheimrath spricht:
„Un woher, meine Herrn, ivoher gommt denn das
ganze sogenannte soziale Elend? Der wiehste Luxus in
Eigarrn un Lagerbier, de Butzsucht, de außerehelichen
Niederginfte, de Brostitution, de iewertriewene Ginder-
sterblichgeit?!-Von der verfluchten Sozial-
demokratie!!"
Hn die Kleiber
Jur Jeichnung von I. R. Witze!
Euch brauch' ich! Euresgleichen thur mir norh,
wie mir die Blumen »sth thun auf der Flur,
Die Himmelsbläue und das Abendrot!)
Und alles Schöne, Zarte der Vlarur.
Ich weiß cs wohl, um satt zu werden nur,
Genügte auch des Alltags trocken Brot;
Doch so zu lebe», ohne jede Spur
Des Schönen, wäre schlimmer als der Tod.
Drum brauch' ich Euch! Und Eures Angesichts
Errökhcn, Lächeln, Euer Blick und Wort
Und Lieben sind mir Alles — oder Vlichts:
Denn wenn ich wandlc auf der Bahn
des Lichts,
Dann schreit' ich über Euch, o Blumen, fort,
Gleichgültig ob Ihr blühet, ob verdorrt-
A. I>e Xora
für das Meid!
Jur Jeichnung von I. R. Witzel
Ich kann's nicht anders leugnen: schwer entrüstet
Hat mich dies obenstchende Gedicht!
wcnn's einen so nach Weiblichkeit gelüstet,
Verschweigt man's wenigstens und
sagt cs nicht!
Trotz seiner Jamben tadellosem Flusse,
Dünkt mich der Herr Verfasser arg frivol,
Der, wie im Schnupftabak und Alkohol,
Im Weib nur sicht ein Mittel zum GcnusscI
Daß die Leute, ja sogar unscre Freunde und
Feinde, uns für besser oder schlechter halten, als
wir wirklich sind, das ist erklärlich und entschuld-
bar; aber daß wir selber oft nicht genau wissen,
welches Maß von christlicher Nächstenliebe wir
in diesem oder jenem Falle entfalten werden,
daß wir manchmal erst kleinlich abwagen, um
schließlich den Einstüsterungen des Egoismus zu
erliege», — das sollte uns zur Bescheidenheit
und Milde in der Beurtheilung unserer Mit-
menschen stimmen. Georg Hirth
o
26as doch der Name nicht vermag! Oft
thuts ein Strichclchen und dieselbe Sache hat
ei» andres Ansehn: Wenn der Corps-Student
oder der Herr Graf „kotzt", dann ist es schon
nicht mehr gekotzt! „Pfui, wie gemein!"
Zcuo
Vor Gericht
Richter: „Mas haben Sie zu Ihrer Ent-
schuldigung noch anzuführen?"
Angeklagte: „Ich bin schon den siebenten
Monat in mildernden Umständen!"
Neues von Serenissimus
Der berühmte Forschungsreisende vr. K. hat
sich nach einer zweijährigen Äfrikareise in die kleine
Residenzstadt zurückgezogen, um sich von den Folgen
der Anstrengungen und des mörderischen Klimas
zu erholen. Auf einem Spaziergang im Park wird
er von Serenissimus huldvoll angeredet:
„Nun, mein lieber Doktor, wie bekommt Ihnen
denn mein Klima?"
Schulhumor
Lehrer: Was bedeutet es: „im Schweiße Dei-
nes Angesichts sollst Du Dein Brot essen?"
Schüler: „Du sollst so lauge essen, bis Du
schwitzst."
Naiv
Gouvernante (zur kleinen Emma, die auf
dem Grasboden Purzelbäume schlägt): „Pfui,
Emmy, das schickt sich nicht für kleine Mädchen!"
Emmy (schmollend): „Nun, dann wart' ich
halt, bis ich groß bin!"
/k: Schmidhammer
Der erfolgreiche Börsianer:
„Haben Se schon den großen Cohn
gesehn?"
Ja, las dev Here denn nie in feinem Leben,
was Schiller von der Frau so hübsch erklärt,
wie sie, geschickt im Flechten und im weben,
Die Knaben prügelt und die Mädchen lehrt?
wie in den Schrank, der reinlich ist geglättet,
Sie leinene und wollne Sachen legt,
Des schönen Fühlen« heil'gcs Feuer hegt
Und vor Versumpfung oft den lNann errettet?
Ja, har der Herr auch Goethe nicht gelesen,
Der einerseits kein Kostverächter war,
Jedoch zu gleicher' Zeit wie höh're Wesen
Die Frauen stcrs verehrt har offenbar?
Der constaticrt: Den Man», den Ewig-
Schwachen,
Ihn zieht das Ewig-Weibliche hinan
Und bei den edlen Frauen fragt er an
In allen Schicklichkcirs- und Anstandssachen?
Ja, spürt der Herr im Geist denn keine Regung
Von einer Ahnung, wie in unsrer Zeit
Die so mit Recht geschätzte Frau'nbewcgung
Das Weib aus Harcmsklaverei befreit?
wie sic erfolgreich jetzt den Mann befehde»,
Als widerrechtlich aufgczwungncn Herrn?
Hielt ihm vergeblich Lina Morgenstern,
Anita Augspurg ihre schönen Reden?
Nein! Sehr verehrter Herr Sonettenschrciber:
wenn auch das Weib wie's liebe Brot
der Mann
Zum Leben nörhig hat — „Ich brauche
Weiber!"
Schreit nur ein Röcknitz, oder Don Jüan!
Die Wonnen, die sic uns empfinden lassen,
Genießt im Singular sie still und treu —
Doch proklamiert nicht ohne zarte Scheu,
wie Herr de Vlora, den Lonsum in Massen!
Biedermeier mit «l
370
A. De Nora: An die Weiber
Biedermeier mit ei: Für das Weib!
[nicht signierter Beitrag]: Schulhumor
Max Hagen: Der sächsische Geheimrath spricht
Arpad Schmidhammer: Der erfolgreiche Börsianer
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Georg Hirth: Gedanken
[nicht signierter Beitrag]: Vor Gericht
[nicht signierter Beitrag]: Naiv
Biedermeier mit ei: Für das Weib!
[nicht signierter Beitrag]: Schulhumor
Max Hagen: Der sächsische Geheimrath spricht
Arpad Schmidhammer: Der erfolgreiche Börsianer
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Georg Hirth: Gedanken
[nicht signierter Beitrag]: Vor Gericht
[nicht signierter Beitrag]: Naiv