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1903

j UGF.N D

Nr. 21

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Kadetten-Schneid Paul Rie

Dem Fennrich Hnjsener is schlecht jewerden, als er am nächsten Tage vor die Leiche des Einjährigen jcführt wurde

„Sv? — Also doch ’n schlapper Hund!"

wieder ihre Rechnung. „Butzi, jetzt müssen wir
an den Sekt denken. Jrroy, goüt americain, was?
Auf zwei Flaschen reicht’s nicht mehr, aber auf
anderthalb!“

Die halbe kam auf mich, die ganze auf Grete
und sie wurde überaus lustig dabei, entzückend
lustig! Zärtlichkeiten aber verbat sie sich heute
mit auffallender Strenge. Schliesslich war die
halbe Flasche nach der ganzen ausgetrunken,
Grete addierte mit Eifer und theilte mir das Facit
mit den Worten mit: ,Jetzt reicht’s gerade noch
für eine Droschke I“

Sie war ein wenig ernster geworden und sprach
beim Nachhausefahren wenig. Eigentlich nichts,
als die mehrfach wiederholten Worte: „Nicht

doch! Pfui! Lass’ mich! Du bist unartig!“

Ich schloss ihr die Hausthüre auf, nachdem
ich dem Kutscher mit pompöser Geberde meine
letzten achtzig Pfennige überreicht. Grete stand
auf der Schwelle der Hausthüre und sagte dann
mit rührender Einfachheit:

„Was ich Dir sagen wollte, Schatzi — die
Sache mit uns Zweien hat ein Ende! Weil ich
Dir nicht wehe thun wollte, sage ich Dir es erst

im letzten Augenblick — morgen früh kommt
mein neuer Freund aus Stuttgart herüber und wir
fahren dann wahrscheinlich nach Italien!“

Ich war viel zu perplex, um überhaupt was zu
sprechen. Sie aber fuhr fort: „Recht vielen Dank für
den vergnügten Abend! Adieu Schatz!“ Sie gab mir
einen schönen Abschiedskuss und das Letzte, was
ich von ihr hörte, war: „Du könntest mir noch Deine
Wachskerzchen geben — da hast Du sie, in der
Billettasche!“ Dann verschwand sie in der Thür .. .

Nach der Gefühlsseite zu war sie nicht stark
entwickelt! Hans W.

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Paul Rieth: Kadetten-Schneid
 
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