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Paul Rieth

Rnsrland-^rankreich und England

Eduard: „Hausfreund gefällig?" — Der Czar: „Mir gangst!"

lKömis^e 6KroniK

faß der Kaiser fromm, und weise,

3(uf der letzten Hörner reife
Mit dem Papst, dem klugen Greise,

Und dem König gleicherweise
Hat verkehrt so warm und herzlich —
Denen, welche allzu schwärzlich,

Ist's in einem Punkte schmerzlich:

Denn dem langgepfiegten Wahn,

Daß der Papst im Vatikan
2lls Gefang'ner schläft auf Stroh,

Kam es gar nicht L propos!
dllle Welt sah, daß er frei
Und von Glanz umgeben sei.

Doch die Sache andrerseits
Hatte einen großdn Heiz
Wieder für die schwarze Presse;

Sie verfolgt mit Interesse
Alles, was in Hom geschah
Zu der Kirche gloria,

Sie verzeichnet freudig jede —

Selbst 'ue nicht gehalt'ne Hede!

Und von dieser karm man lesen:

„Schad', sie wär' so schon gewesen!"

(was doch auch der klügste Mann
Ganz bestimmt nicht wissen kann!)

Kurz, die Leute triumphiren,

Iubiliren, renommiren,

Ganz, als dürften zu den Ihren,

Zu der Kirche Generälen
Sie den deutschen Kaiser zählen,

Sehen unfern hochverehrter:

Kaiser schon katholisch werden —

Doch befinden Jene sich

Auf dem Holzweg, meine ich. —

Freilich ist im Vatikan
Deutschland Trumpf ja momentan,
Wie der Vatikan zur Frist
Trumpf in Dentschlarrd gleichfalls ist!
Leo schickt, erfreut darob,

Auch rrach Metz den Bischof Ko pp,

Daß er bei der Dom-Fagade-

Neu-Lrrthüllungs-Fest-Parade
Als Legat a latere
Neben unserm Kaiser steh'.

Und auch sonst und anderweitig
Liebt man heiß sich gegenseitig.

Dieses wird die Herrn Franzosen
Sicher nicht gering erbosen —

Sonst bekanntlich waren sie
Ja der Kirche intimi.

Aber jetzt, es ist ein Graus,

Schmeißen sie die Grden 'raus.

Seh'n sie aber nun die Art,

Wie man Micheln um der: Bart
Geht — so kriegen sie 'neu Schreck —
Dieses aber war der Zweck!

Bald erfährt dann von der Kurie
Michel wieder 'ne Injurie
Und der reuige Franzos
Kehrt zurück in ihren Schooß!

Also meint ein Pessimist —

Glaubt Ihr, daß es anders ist?

Ilerodot

Hans Richrer, London, hatte dem „Berliner
Waguer-Denkmal - Comite" auf eine Einladung
zur Mitwirkung am großen Musikkongreß schrift-
lich seine Bedenken gegen eine derartige Beranstal-
tmrg ausgesprochen. Er erhielt, wie uns von un-
zuverlässiger Quelle vertranlichlmitgeteilt wird, fol-
gende Antwort:

„Jcehrter Herr Richter!

Erlauben Se mal! haben Sie überhaupt Eenen
blassen Dunst von die janze Wagnerische Musike?
Sie haben den ollen Herrn persönlich jekannt, sin
also v oreinjenommen. Den Jeist Wagners haben
wir ebensojut, wie Sie, mit Lösseln jefressen. Wir
arrangirendie olloso mit den b errrfensten Männern,
alles Berliner. Die kleineWagner-Jemeinde muß
jroß werden. Aber man feste! Rich bloß Opern
nn Konzerte des Meisters besuchen-- bet hat jar
keenen Zweck nich! Rezitirt muß er werden! Ver-
dunkelter Saal natürlich! Verständnis rnuß jeweckt
werden! Jawoll! Wagner jehört nich Bayreuth,
der jehört bet deutsche Volk. Bayreuth liegt aber in
Bayern — na also! Ob Wagner heute mit uns

1903

übereinstimmen würde oder nich, det is uns furch-
bar Pipe. Wie heißt's in „Fliejenden Holländer"?
„Un der Lebendige hat recht." Hurrah! Uebri-
jens is uns janz wurscht, wat Sie von uns denken.
Empfangen Sie, hochjeehrter Herr Kapellmeister,
den Ausdruck der vorzüglichsten Hochachtung

Det Comite.

P. 8. Aus dem Programm des geplanten sechs-
tägigen internationalen Musikfestes können
wir Ihnen heute schon Folgendes verrathen:
Großer Chinesischer Festmarsch, dirigirt von
dem Ehrcn-Vorsitzenden Prinzen Stil-Ach-Ne.
Richard Wagners „Ritt der Walküren" einge-
arbeitet nach der Melodie der ungarischen
Czikospost von Börös Miska.

„Die Puderquaste", Berliner Polka nach der
Melodie des „Rixdorfer".

„Zu dir, Frau Venus, kehr' ich wieder".
Pariser Einzugsmarsch, gespielt beim Besuch
Eduards des Dicken in Paris, compvnirt von
Saint-Saöns.

Richard Wagners Amerikanischer Festmarsch
mit dem Schlüsse „Die Washington-Post",
dirigirt von Sousa.

„Deirke Dir, nrein Liebchen, was ich im
Traume gesehn." Rach Motiven von Walters
Preislied aus den „Meistersingern", bearb. von
Ludolf Waldmann.

Zum Schlüsse: „Der Cake-Walk". Allge-
meines Orchestrion-Concert sämmtlicher
Riesen-Orchestrions Deutschlands und des
Auslandes, dirigirt von Meister Tam-Tam
und Mons. Klim-Bim.

Die neueste Zensurbebörde

Der berühmte italienische Tragöde ®rmeti
Rovelli konnte seine Absicht, in Konstantinopel
als Lhylock im „Kaufmann von Venedig" aufzu-
treten, nicht verwirklichen, da diese Vorstellung in-
folge Einspruches des Großrabbiners unterbleiben
mußte.

Von jeher haben die Herren pocrcn
Durch die Zensur erheblich gelitten,

Man har sie entweder ganz verboten,

Zum Mindesten aber gehörig beschnitten.

Trotz allem wurde diese Sippe
Von Tag zu Tag ersichtlich kühner,

Bis unter die Zensoren gingen
Als Retter des Staats die Großrabbincr.
Ein wunder, daß zu Zcnsurbciräthcn
Man sie nicht ernannt schon in früher» Zeiten,
Da sie doch immer sind gewesen,

Die besten Fachmänner im Beschneiden!

Krokodil

Der Zweck heiligt die Mittel

Herr Dasbach schreibt an den Grasen Hoens
broech: „Die Handlungen, die Sie „in sich verwerf-
liche Handlungen" nennen, sind offenbar solche, die
von Ihnen als in sich verwerfliche angesehen wer-
den, von den betreffenden jesuitischen Schriftstellern
aber als indifferent angesehen wurden. Diese Er-
örterungen haben aber mit dem infamen Grundsätze,
den man den Jesuiten vorwirst, gar nichts zu thun."

Herr Dasbach hat ganz Recht. Er selbst liefert
den besten Beweis für seine Worte. Oder hält nicht
Graf Hoensbroech die Feigheit für etwas schlecht-
hin Verwerfliches? Herr Dasbach dagegen hält
sie offenbar nur für etwas Indifferentes, das
unter Umständen, wenn es dem guten Zweck
der Reinwaschung der Jesuiten dient, sogar
zu einer Tugend werden kann. Wer wollte ihm
auch um dieser Ansicht willen gram sein? Der
Zweck heiligt die Mittel! Darum muß eben
auch der Satz, daß der Zweck die Mittel heilige,
wider besseres Wissen ln majorem 8ovietatis ckesu
gloriam abgeleugnet werden können; denn
sonst würde ja der Zweck die Mittel nicht
heiligen, tzuock erat ckemoustranckum l

Tarulr

J 82
Index
Krokodil: Die neueste Zensurbehörde
Herodot [Pseudonym]: Römische Chronik
Paul Rieth: Rußland-Frankreich und England
Tarub: Der Zweck heiligt die Mittel
[nicht signierter Beitrag]: Hans Richter, London, hat dem ...
 
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