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1903

Nr. 22

Mahres Gesdncbtcben

In einem größeren Telephonamte sollte jüngst
das gesamte weibliche Personal bezüglich der Be-
schaffenheit des Gehöres, bezw. auf etwaige
pathologische Veränderungen des Gehöres von
einem Spezialarzte untersucht werden. Als die
ersten der untersuchten Telephonistinnen zurück-
kamen, fragte sie eine der nun an die Reihe
kommenden ganz verschämt und angstvoll: „Muß
man sich da ausziehen?" —

Das üüpfcrl auf dem i

Beinahe eine Morithat

Frau Meier war einst übers Meer gefahren
Und nicht zur rechten Zeit zurückgekehrt
Und darum ward Frau Meier nach zehn Jahren
vom hohen Amtsgericht für todt erklärt.

Nun war Frau Meier gar nicht todt gewesen
— Und dies war für Frau Meier auch ein Glück! —
Doch als sie sich im Llatt als todt gelesen,

Da kehrte sie in's Vaterland zurück;

Frau Meier sprach: „Es kränkt mich doch unbändig,
Aus dieser lvelt eliminirt zu sein ■—•

Erklären Sie mich wieder für lebendig!" —
Jedoch das hohe Amtsgericht sprach: „Nein!

Das würde uns die Akten blos verderben,
vom Protokoll radirt man nichts heraus!

Sie thäten gut, jetzt wirklich zu versterben —
Dann gleicht sich ja die Sache wieder ans!"

Frau Meier hat die traurige Geschichte
Durch sämmtliche Instanzen durchgehetzt,

Jedoch erging es ihr beim Reichsgerichte
Nicht besser, als beim Amtsgericht, zuletzt.

verzweifelt dachte sie an Selbstvcrheernng,

Da kam ihr Anwalt schnell herbei und rief:
„ksurrah! Ich hab's: in Ihrer Todtcrklärung
Da steht das Tüpferl auf dem i hier schief!

Das ist ein Grund, das Urtheil anzufechtcn,
lveil dieses nicht in Grdnung ist formell!"

Und steh: Frau Meier kam zu ihren Rechten
Und darf jetzt wieder leben offiziell!

Das Tüpferl auf dem i hat sie gerettet,

Denn ohne dieses Tüpferl auf den: i

. J UGEND .

war' sie jetzt längst in's kühle Grab gebettet —
So ward zum Heil der lapsus calami!

Die Sache ist passirt in diesen Tagen,

Jedoch ich halte es für meine Pflicht,

Vas Land, wo sie den Zopf so lange tragen,
Luch zu verschweigen — Thiua ist es nicht!

rips

Zur Wähler-Jfolirnng

Herrn Privatier vludelhubcrs patentirrcs
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Streiflichter der „Jugend"

<WIr betonen ausdrücklich, daß die hier geäußerten
Ansichten sich nicht immer mit denen des Herausgebers
und der Redaktion der.Fugend" decken. Uns kommt
es jedoch darauf an, den Lesern neue, bemerkenswerthe
Anregungen zur Bildung eines eigenen Nrtheils zu
geben, und deßhalb halten wir uns für verpflichtet, der
„Jugend" und besonders den „Streiflichtern" jedweden
Zwang der Schablonen und vorgefaßten Meinungen
fernzuhalten.)

Frühling! Aus den Puppen schlüpfen die
Schmetterlinge, in die Resormkleider unsere lieben
Frauen. Alle miteinander, weiß Gott, von der
Demimondäne bis zur Confirmandin. Die Sache
hätte sich also durchgesetzt; zu deutsch: sie ist Mode.
Ich gönne es den Herren, die dafür agitirt haben;
und in der Mitfreude, die Nietzsches größtes Gebot
mir befiehlt, vergebe ich ihnen den heillosen Wirr-

warr, den sie so manches Mal aus der phhsiologischen
Wahrheit von den Formen des Frauenleibes und der
pathologischen Legende von den grausigen Folgen un-
serer Frauenkleidung uns zusammengebraut haben.
Das Nachthemd, das sich Resormkleid nennt, ist Mode.
Als Herr Gerson ein Dutzend Ladenmädchen damit
staffirte, witterte ich es schon: Aha! Es ging ja auch
nicht länger: ewig nur der ridiküle Wechsel zwischen
Puffen oben und Puffen unten am Aermel, zwischen
faltigem und glattem Rock, zwischen geradlinigem
und verbogenem Hut — es mußte etwas radikal
Neues kommen. Das Resormkleid kam. Im Som-
mer werden es alle Bürgerstvchter tragen, im
nächsten Frühling die Arbeitermädel. Und dann
lvird die elegante Damenwelt — sich zur Taille zurück
reformiren lassen.

Denn ihr meint doch nicht, ihr Kindsköpfe, die
„Vernunft" habe gesiegt? Vielleicht unsere ober-
flächliche, schale Männervernunst! Tiefer aber sitzt
die eingeborene Vernunft des Weibes; die moralische
Vernunft, sozusagen. Und die ist wider die Reform.
Erg» die Reform wider sie. Wieso? Das kleine
ostpreußische Mädchen, das uns durch seine Ball-
gespräche amüsirt, hat's uns verrathen. Die Mädel
würden (z. B. beim Tanzen) ewig lachen müssen,
hätten sie kein Korsett. Wieso? Weil sie kitzelig
sind. Wer sich liebevoll ins. Seelenleben des Weibes
versenkt hat, der weiß, daß die besten Weiber kitzelig
sind. Die liebsten, süßesten, herzigsten; die echtesten!
Und Kitzeln zwar ist entzückend; Gekitzeltwerden
aber unmoralisch. Daran scheitert alles. Das geht
einen Frühling, einen Sommer, einen Herbst,
einen Winter — Schluß! Das Gute siegt . . .

Ihr meint doch nicht, das Korsett, die Taille
seien den Weibern unbequem? Ihr kennt die
Weiber nicht, ihre Nerven nicht, ihr Kindsköpfe!
Die Weiber sind geduldig, denn sie spüren Schmerzen
weniger, als die Männer. Die Weiber sind graziös,
denn sie spüren Unbequemlichkeiten gar nicht. Dem
Dandy im Zehncentimeterkragen liest man's am
Gesicht ab, wie er sich gemartert vorkommt; das
Weib spürt kein Hühnerauge, kein Strumpfband,
keine Schnürsurche, keinen Stehkragen . . . Wenn
all das wieder Mode wird: sie werden's tragen
und nicht mucksen und es gar nicht merken, daß es
einmal anders war. Bald, bald — und darum
nehmt diesen Frühling wahr! So leicht kommt
kein Kitzel-Frühling wieder ... Versacrumi

Ernst Gystrow

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Ernst Gystrow: Streiflichter der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
Pips: Das Tüpferl auf dem i
 
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