Nr. 22
rmmmm
J UGEND
1903
Standbild des Dalai Lama von Mien
Von Kassian Kluibcnscbädcl, Cuifelemaler
(Dr. Lueger benutzte in dem Rechtsstreit der Wiener Lommune mit den Elektri-
zitäts-Gesellschaften die Feuerwehr zur gewaltsamen Verhinderung der von den Gesellschaften unter-
nommenen Kabelanschlüsse.)
G Mensch, wenn du nicht bist ein ganz verworfener und verdammter Gauch,
Dann rück' vor diesem Postamente! nicht blos den kjut, sondern fall' gleich auf den Bauch!
Allhier thronet, umkränzt von einem stimmungsvollen Barrierestock-Panorama,
Der schöne Karl, Doktor, Bürgermeister und wiener Dalai Lama. —
Dieweilen es uns in Desterreich bis auhero noch immer niangelt an einer eitiheitlichen Führung,
Gründete Seine Gottheit der Dalai Lama kurz entschlossen eine Bebenregierung
Und verlieh derselben, damit ihr nicht mangle der nothwendige lsalt,
In seiner Allmacht gnädigst die volle Exekutivgewalt.
Leider waren dazu nicht zu haben Gendarmerie, Polizei und Militär,
Blieb schließlich nichts übrig als zu mobilisiren die löbliche Feuerwehr.
Fürwahr, es wäre ein weiterer göttlicher Einfall und gar nicht so ohne,
Wenn man schleunigst ergänzen würde diese wehrhaften Schlauchbataillone
Durch sämmtliche frommen Bruderschaften, Betschwestern und sonstigen
frauenbündlerischen Weiberröcke,
kjetzkapläne, Wahlagitatoren und christlich-sozialen Sturmböcke,
Auf daß unseres Götzen Herrlichkeit zur unumschränkten Geltung käme
Und die bisherige Regierung freiwillig ihren schlichten Abschied nähme!
Dann brauchten sich die verehrlichen Elektrizitäts-Gesellschaften mit ihren Kabeln
nicht weiter zu bemühen,
Sintemalen es keinem Menschen in Desterreich mehr einsiele, ein Licht zu beziehen!
Vom srecben Joe!
Ucbcv die Gcrreidezöllc
Und das Eolsnialfpstem
Sprach der Licblingssohn der Hölle,
Lhamberlain, in Birmingham.
Und er sprach von den Lanadcrn,
Und wie Michel, der Despot,
Biss um mir John Bull zu hadern,
Mir dem Zollkrieg Jenen droht.
wie ein Gassenbub, ein trister,
Lügt nach einem schlechten Streich,
Log der mächtigste Minister
Von der Erde größtem Reich!
Seine Wähler zu erwärmen,
war ihm jedes Mittel gut —
Darum log er von des Gennan
Ungerechtem Ucbcrmuth I
Ach, gerade er kann's wissen,
wie der Michel stets sich duckt,
wie er auch die herbsten Bissen
So geduldig 'runtcrschlucktl
Oft genug hat der bewiesen
Seinen sanften Duldergcist —
Und ich wette, daß er diesen
Bissen ebenfalls vcrspcistl
Hans
Von der
Verjüngung in der Hrmee
offiziöse Dementis unseres Sonderberichterstatters
Die Zeitungsnotizen, daß der Rücktritt des Erb-
prinzen von Meiningen mit dessen Erlaß gegen die
Soldaten-Mißhandlungen zusammenhänge, sind
niederträchtige ErfindungenprofessionsmäßigerNörg-
ler. Denn erstens finden in Deutschland schon längst
keine Soldatenmißhandlungen mehr statt. Daraus
ergibt sich zur Evidenz, daß auch im 6. Armeekorps
keine vorgekvmmcn sein können. Wie sollte also
das Commando des 6. Armeekorps die Lächerlichkeit
begehen, einen Mißstand, der gar nicht existirt, in
einem besonderen Erlaß zu bekämpfen? Vollends
ausgeschlossen aber ist es, daß der fragliche Erlaß,
falls er wirklich erfolgt sein sollte, die Mannschaften
direkt ausgesordert haben sollte, sich zu beschweren.
Ein Soldat beschwert sich überhaupt nicht; er ist
doch kein Briefbeschwerer.
Man sieht daraus klar und deutlich, daß an der
ganzen Geschichte kein wahres Wort ist. Der Erb-
prinz von Meiningen hat allerdings das Commando
niedergelegt, aber lediglich aus Altersrücksichten; er
ist nämlich, wie wir vernehmen, schon ein hoher
Dreißiger. Dagegen nicht richtig ist die Nachricht,
daß der König von Sachsen die Regierung nieder-
gelegt habe, weil man ihm in Berlin nachträglich
einen ähnlichen Erlaß gegen Soldatenmißhand-
lungen, den er als Prinz vor zehn Jahren ver-
brochen, übel vermerkt haben soll.
Auch die Meldung, daß Graf Häseler von seinem
Posten als kommandirender General des 16. Armee-
korps zurückgetreten sei, weil Gras Hülsen-Häseler
bei der Kaiserparade in Metz einen Schlaganfall er-
litten habe, ist von A bis Z ersunden. Denn erstens
leidet Graf Häseler an einer Blinddarmentzündung,
zweitens hat Graf Hülsen-Häseler keinen Schlag-
anfall erlitten, und drittens sind die Beiden nicht
ein und dieselbe Person. Aber wie sagt das Sprich-
wort? Unverhofft kommt oft!
Darum geht auch der Kriegsminister v. Goßler
— angeblich, weil er sich unbeliebt gemacht hatte,
in Wirklichkeit aber, weil der Mann, wie fast alle
unsere höheren Militärs, viel zu alt ist. Ver-
jüngung der Armee lautet die Devise des neuen
Jahrhunderts! Cri-Cri
„Scbafskopf 1“
Gedicht von Ittaxl Bierjung, V. Latein-Klasse
Der hundertste Geburtstag war ja neulich
Vom Liebig, den wo jeder Münchner kennt,
weil er der erste war, dem so abscheulich
Mit Säure man bespritzt sein Monument.
Von diesem Licbig Hab' ich jüngst gelesen,
Daß er trotz seinem riesigen Verstand
2luch in der Klass' der Letzte sei gewesen
Und „Schafskopf" der Professor ihn genannt-
So haben diese Schufte Den getadelt
Und jedenfalls auch ganz gemein gchunzr,
wo später selbst den Dünger hat
geadelt,
Indem er ihn bereitete mit Kunst.
Drum wenn ich dieß bedenke, wird mir besser:
Der Letzte bin ich, und
„Sie Schafskopf, Siel"
Sprach öfters auch zu mir schon der professer —
wahrscheinlich wcrd' ich also ein Geniel
ITlein Schaft
Gedicht von maxi Bierjung, V. Latein-Klasse
Mein Schatz, die süße Guste Ukeier,
wo inich von ganzer Seele liebt
Und sozusagen meiner Leier
Die dichterische Schwungkraft gibt —
wohnt in der Buttermelkerstraße
kjausnummro ; im Entresol
Und ist ein Ausbund ihrer Raffe —
Einfach eil, Engel! Ghne Kohl!
So was wie hinten ihre Zäpfchen
Hängt Überhaupts an Niemand nicht!
Und vorne hat sie zu dem Köpfchen
Lin ganz ein paffendes Gesicht!
Ulid küssen kann sie! Auf dem Life
Hat sie im Winter mich einmal
Geküßt ...! Geküßt...! Auf eine weise,
Ich sage blos: phänomenal!
Sonst sag ich nichts und gält's mein Leben!
Denn dadrauf habe:, wir uns schon
Gleich unser Ehrenwort gegeben:
Daß Keiner nichts erfahrt davon!
Das Schönste ist ja ohne Zweifel
Die Liebe, die wo Niemand spannt;
Denn das hat immer schon den Teufel,
wenn einmal Einer etwas ahnt!
Eine aktuelle Frage
wer war der erste Zionist?
lUoriz Spiegelberg. Er selbst sagt in den
„Räubern," erster Akt zweite Scene, zu Karl Moor:
„wie wär's, wenn wir Juden würden und das
Königreich auf's Tapet brächten?"
402
rmmmm
J UGEND
1903
Standbild des Dalai Lama von Mien
Von Kassian Kluibcnscbädcl, Cuifelemaler
(Dr. Lueger benutzte in dem Rechtsstreit der Wiener Lommune mit den Elektri-
zitäts-Gesellschaften die Feuerwehr zur gewaltsamen Verhinderung der von den Gesellschaften unter-
nommenen Kabelanschlüsse.)
G Mensch, wenn du nicht bist ein ganz verworfener und verdammter Gauch,
Dann rück' vor diesem Postamente! nicht blos den kjut, sondern fall' gleich auf den Bauch!
Allhier thronet, umkränzt von einem stimmungsvollen Barrierestock-Panorama,
Der schöne Karl, Doktor, Bürgermeister und wiener Dalai Lama. —
Dieweilen es uns in Desterreich bis auhero noch immer niangelt an einer eitiheitlichen Führung,
Gründete Seine Gottheit der Dalai Lama kurz entschlossen eine Bebenregierung
Und verlieh derselben, damit ihr nicht mangle der nothwendige lsalt,
In seiner Allmacht gnädigst die volle Exekutivgewalt.
Leider waren dazu nicht zu haben Gendarmerie, Polizei und Militär,
Blieb schließlich nichts übrig als zu mobilisiren die löbliche Feuerwehr.
Fürwahr, es wäre ein weiterer göttlicher Einfall und gar nicht so ohne,
Wenn man schleunigst ergänzen würde diese wehrhaften Schlauchbataillone
Durch sämmtliche frommen Bruderschaften, Betschwestern und sonstigen
frauenbündlerischen Weiberröcke,
kjetzkapläne, Wahlagitatoren und christlich-sozialen Sturmböcke,
Auf daß unseres Götzen Herrlichkeit zur unumschränkten Geltung käme
Und die bisherige Regierung freiwillig ihren schlichten Abschied nähme!
Dann brauchten sich die verehrlichen Elektrizitäts-Gesellschaften mit ihren Kabeln
nicht weiter zu bemühen,
Sintemalen es keinem Menschen in Desterreich mehr einsiele, ein Licht zu beziehen!
Vom srecben Joe!
Ucbcv die Gcrreidezöllc
Und das Eolsnialfpstem
Sprach der Licblingssohn der Hölle,
Lhamberlain, in Birmingham.
Und er sprach von den Lanadcrn,
Und wie Michel, der Despot,
Biss um mir John Bull zu hadern,
Mir dem Zollkrieg Jenen droht.
wie ein Gassenbub, ein trister,
Lügt nach einem schlechten Streich,
Log der mächtigste Minister
Von der Erde größtem Reich!
Seine Wähler zu erwärmen,
war ihm jedes Mittel gut —
Darum log er von des Gennan
Ungerechtem Ucbcrmuth I
Ach, gerade er kann's wissen,
wie der Michel stets sich duckt,
wie er auch die herbsten Bissen
So geduldig 'runtcrschlucktl
Oft genug hat der bewiesen
Seinen sanften Duldergcist —
Und ich wette, daß er diesen
Bissen ebenfalls vcrspcistl
Hans
Von der
Verjüngung in der Hrmee
offiziöse Dementis unseres Sonderberichterstatters
Die Zeitungsnotizen, daß der Rücktritt des Erb-
prinzen von Meiningen mit dessen Erlaß gegen die
Soldaten-Mißhandlungen zusammenhänge, sind
niederträchtige ErfindungenprofessionsmäßigerNörg-
ler. Denn erstens finden in Deutschland schon längst
keine Soldatenmißhandlungen mehr statt. Daraus
ergibt sich zur Evidenz, daß auch im 6. Armeekorps
keine vorgekvmmcn sein können. Wie sollte also
das Commando des 6. Armeekorps die Lächerlichkeit
begehen, einen Mißstand, der gar nicht existirt, in
einem besonderen Erlaß zu bekämpfen? Vollends
ausgeschlossen aber ist es, daß der fragliche Erlaß,
falls er wirklich erfolgt sein sollte, die Mannschaften
direkt ausgesordert haben sollte, sich zu beschweren.
Ein Soldat beschwert sich überhaupt nicht; er ist
doch kein Briefbeschwerer.
Man sieht daraus klar und deutlich, daß an der
ganzen Geschichte kein wahres Wort ist. Der Erb-
prinz von Meiningen hat allerdings das Commando
niedergelegt, aber lediglich aus Altersrücksichten; er
ist nämlich, wie wir vernehmen, schon ein hoher
Dreißiger. Dagegen nicht richtig ist die Nachricht,
daß der König von Sachsen die Regierung nieder-
gelegt habe, weil man ihm in Berlin nachträglich
einen ähnlichen Erlaß gegen Soldatenmißhand-
lungen, den er als Prinz vor zehn Jahren ver-
brochen, übel vermerkt haben soll.
Auch die Meldung, daß Graf Häseler von seinem
Posten als kommandirender General des 16. Armee-
korps zurückgetreten sei, weil Gras Hülsen-Häseler
bei der Kaiserparade in Metz einen Schlaganfall er-
litten habe, ist von A bis Z ersunden. Denn erstens
leidet Graf Häseler an einer Blinddarmentzündung,
zweitens hat Graf Hülsen-Häseler keinen Schlag-
anfall erlitten, und drittens sind die Beiden nicht
ein und dieselbe Person. Aber wie sagt das Sprich-
wort? Unverhofft kommt oft!
Darum geht auch der Kriegsminister v. Goßler
— angeblich, weil er sich unbeliebt gemacht hatte,
in Wirklichkeit aber, weil der Mann, wie fast alle
unsere höheren Militärs, viel zu alt ist. Ver-
jüngung der Armee lautet die Devise des neuen
Jahrhunderts! Cri-Cri
„Scbafskopf 1“
Gedicht von Ittaxl Bierjung, V. Latein-Klasse
Der hundertste Geburtstag war ja neulich
Vom Liebig, den wo jeder Münchner kennt,
weil er der erste war, dem so abscheulich
Mit Säure man bespritzt sein Monument.
Von diesem Licbig Hab' ich jüngst gelesen,
Daß er trotz seinem riesigen Verstand
2luch in der Klass' der Letzte sei gewesen
Und „Schafskopf" der Professor ihn genannt-
So haben diese Schufte Den getadelt
Und jedenfalls auch ganz gemein gchunzr,
wo später selbst den Dünger hat
geadelt,
Indem er ihn bereitete mit Kunst.
Drum wenn ich dieß bedenke, wird mir besser:
Der Letzte bin ich, und
„Sie Schafskopf, Siel"
Sprach öfters auch zu mir schon der professer —
wahrscheinlich wcrd' ich also ein Geniel
ITlein Schaft
Gedicht von maxi Bierjung, V. Latein-Klasse
Mein Schatz, die süße Guste Ukeier,
wo inich von ganzer Seele liebt
Und sozusagen meiner Leier
Die dichterische Schwungkraft gibt —
wohnt in der Buttermelkerstraße
kjausnummro ; im Entresol
Und ist ein Ausbund ihrer Raffe —
Einfach eil, Engel! Ghne Kohl!
So was wie hinten ihre Zäpfchen
Hängt Überhaupts an Niemand nicht!
Und vorne hat sie zu dem Köpfchen
Lin ganz ein paffendes Gesicht!
Ulid küssen kann sie! Auf dem Life
Hat sie im Winter mich einmal
Geküßt ...! Geküßt...! Auf eine weise,
Ich sage blos: phänomenal!
Sonst sag ich nichts und gält's mein Leben!
Denn dadrauf habe:, wir uns schon
Gleich unser Ehrenwort gegeben:
Daß Keiner nichts erfahrt davon!
Das Schönste ist ja ohne Zweifel
Die Liebe, die wo Niemand spannt;
Denn das hat immer schon den Teufel,
wenn einmal Einer etwas ahnt!
Eine aktuelle Frage
wer war der erste Zionist?
lUoriz Spiegelberg. Er selbst sagt in den
„Räubern," erster Akt zweite Scene, zu Karl Moor:
„wie wär's, wenn wir Juden würden und das
Königreich auf's Tapet brächten?"
402
Kassian Kluibenschädl: Standbild des Dalai Lama von Wien
Maxl Bierjung: Schafskopf!
Cri-Cri: Von der Verjüngung in der Armee
Hanns (Hans): Vom frechen Joe!
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Standbild des Dalai Lama in Wien"
[nicht signierter Beitrag]: Mein Schatz
[nicht signierter Beitrag]: Eine aktuele Frage
Maxl Bierjung: Schafskopf!
Cri-Cri: Von der Verjüngung in der Armee
Hanns (Hans): Vom frechen Joe!
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Standbild des Dalai Lama in Wien"
[nicht signierter Beitrag]: Mein Schatz
[nicht signierter Beitrag]: Eine aktuele Frage