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Nr. 23

1903

Wenn meine ürciume . . .

Wenn meine Cräume Schlafen gehn,

Denn wird wohl auch mein heben enden
Die Cräume, die mir Glück und hult
Heut noch aus vollen Bechern spenden.

Doch wenn einft die zur Ruhe gehn,

Die meines Lebens Blüthen lind,

Dann klagt nur noch im Roienftrauch
Huf meinem Grab der flbendwind.

Huf meinem Grabe blüthenlchwer
£in Strauch voll rother Rolen lieht,

Doch meine Cräume gingen Still,

Wie Blätter, die der Wind verweht.

Banns Bolzfchuher

Jm Sdrwabenlande

R. AI. Eichler

Wenn die Stunden Fchlcigen —

von Tritt v. Ostini

/ffiit alter Kreuzgang mit Herrlich erhaltenen Grabsteinen und
ZLl Todtenschildern und die eben von häßlicher Tünche befrei-
ten Zirbenholztäflnngen ans den: fünfzehnten Jahrhundert, die
man in einem Amtsgebäude entdeckt hatte, führten mich in
das weltverlorene Provinzstädtchen. Begeistert hatte mir ein
Maler von den gothischen Herrlichkeiten erzählt und beigesügt,
dast man da wohl auch noch ein gutes Stück alte Zinn- oder
Jrdenwaare, oder gar ein ehrwürdiges geschnitztes Mbbel um
wenig Geld kaufen könne. Erst im nächsten Jahre sollte die
Eisenbahn in die Gegend fahren — jetzt lag das Städtchen noch
weitab vom Verkehr in einem wahren Dornröschenschlaf, ver-
schollen und kultursremd, still, dast Jeder seinen Nachbar schnar-
chen hörte, eng, daß Jeder in seines Nächsten Suppenschüssel
sah." Hohe Giebelhäuser, in allen Farben des Regenbogens be-
malt, standen um den Markt, eine altväterische gelbe Postkutsche
vermittelte die Verbindung mit der Welt draußen, altväterische,
langsame und behäbige Menschen sahen auS den Fenstern oder
standen plaudernd unter den Hausthüren. Sie hatten viel
Zeit dazu.

Die Umgebung war reizvolles, fruchtbares und waldreiches
Hügelland, manches altersgraue Schloß und manche sehens-
werthe Kirche stand in einem der Dörfer in der Runde — und
so wurden aus einem kurzen Ausflug zur Antiquitätenjagd
einige behaglich genossene Urlaubswochen.

Man wohnte natürlich im Gasthof zur Post, wo eine dralle
Matrone von Wirthin ihr nahrhaftes und freundliches Regiment
führte, wo auch die Herren Ingenieure vom Bahnbau einge-
kehrt waren und allabendlich die Honoratioren zusprachen. Unter
den Letzteren hätte der alte griechische Weise mit seiner Laterne
vergeblich einen Menschen gesucht. Es waren nur Typen: Der
Herr Stadtpsarrer, der Herr Oberamtsrichter, der Herr Doktor,
der Herr Apotheker — lauter Gestalten, wie sie vor sechzig Jahren
auch schon an diesem und jedem anderen Provinzstammtische ge-
sessen haben mochten! Mit einer ungeheuerlichen Anspruchs-
losigkeit kanten sie allabendlich ihre gleichen Scherze und Nek-
kereien, ihre gleichen politischen und sozialen Weisheiten wieder
und hörten gelegentlich neugierig, aber mit Mißtrauen zu, wenn
wir, die wir ein wenig mehr von der Welt gesehen hatten, Be-
richt erstatteten über Dinge, die ihnen noch nicht vorgekommen
tvaren. Wir — denn wir waren unser zivei: der erste Ingenieur
vom Bahnbau kam noch dazu, ein schlanker, blonder Mensch
von etwa sechsunddreißig Jahren. Er hatte gelocktes, reiches
Haar und gefällige Züge, die fast ein wenig zu weich erschienen
wären, hätte nicht der ewig gleiche ernste Ausdruck der Augen
sie männlicher gemacht. Er hatte die halbe Erde bereist, hatte in
Südamerika eine Bahn angelegt, an der Firth of Förth Brücke
mitgearbeitet und in Kimberley Minen eingerichtet. Erst seit
Jahr und Tag war er wieder im Lande. Da er die Karten haßte,
wie ich, und seine Collegen in jeder freien Minute ihren Skat
trommelten, mußte er wohl an den Stammtisch kommen, wenn
er Abends nicht allein sein wollte. Und er wollte nicht allein sein.
Es war eine Unruhe in ihm, die auisiel. Ich hatte die Emp-
findung, als spreche er manchmal nur, um seine Stimme
zu hören, als fürchte er jeden unbeschäftigten Augenblick.
Wenn ihn keine Ansprache zerstreute, horchte er oft wie geistes-
abwesend, verträumt in die weite Ferne hinaus und man mußte
Register
Reinhold Max Eichler: Im Schwabenlande
Fritz Frh. v. Ostini: Wenn die Stunden schlagen
Hanns Holzschuher: Wenn meine Träume...
 
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