1903
\
Nr. 23
B. Zellensrdnung
1) Kategorie I kommt in eine gewöhnliche
Zelle. Mobiliar sind Tisch, Hocker ohne Lehne,
Etrohsackbett zum Äufklappen, Wasserkrug, Eßnapf.
2) Kateg orie II dito. Außerdem Seldstbejchästtg-
ung mit besonderer Berücksichtigung des früheren
Berufs. Ausgenommen sind Mörder, Luftschiffer,
Redakteure und Schriftsteller. Letztere haben die
Wahl zivischen Wollezupfen und Filzpautinenfabri-
kation.
3) Kategorie III erhält eigenes Bett, Sopha,
Zeitungen (aber nur conservative). Selbstbeschästia-
ung exclusive Couponschneiden und Pistolenducue,
die der besonderen Erlaubniß des Anstaltsdirektors
bedürfen. Selbstbeköstigung (Diners bis zu 3 Mk.).
Cigarren-, Skat- und Tarokabende, allwöchentlich
mindestens zweimal.
4) Kategorie IV erhält Salonmöbel im Em-
pire-Stil. Äußer Chaiselongue und Divan minde-
stens ein zweischläfriges Bett. Pikante Lektüre
(namentlich coufiscirte Schriften und Ansichtspost-
karten). Selbstbeköstigung (Diners bis zu 20 Mk.).
Eigener Weinkeller. Selbstbcschästigung mit oder
ohne Damengesellschaft. Hausbälle. Roulettespiel.
Weibliche Bedienung. Außerdem jede Woche, wie
bei den Münchner Kellnerinnen, zwei Ausgehtage.
C. Ehrenbezeigungen
1) Kategorie I und II haben vor dem ge-
sammten Aüfsichtspersonal die militärischen Hon-
neurs zu machen. Redakteure, die nicht stramm
stehen, werden krumm geschlossen und vier Tage in
die Dunkelzelle gebracht. Im Wiederholungsfälle
Stehkäfig!
2) Kat eg orie III hat nicht zu grüßen, wird
aber vom Personal mit Herr und Titel angeredct.
3) Kategorie IV muß vom Aussichtspersonal,
genau dem militärischen Rang entsprechend, gegrüßt
werden. Vor Standesherrn haben die Ausseher so
lange stramm zu stehen, bis Abtreten commandirt
wird. Doch ist den Herren Gefangenen nicht ge-
stattet, sich dem Aussichtspersonal gegenüber der
Nilpferdpeitsche zu bedienen.
v. Leitende Grundsätze
Die Gefäugnißdirektoren, sowie das gestimmte
nüt dem Strafvollzug betraute Aussichtspersonal hat
sich stets gegenwärtig zu halten, daß nach 8 I der
preußischen Verfassung alle Preußen vor
dem Gesetze gleich sind.
£ex Heinze rediviva
In der Revision, die der Staatsanwalt gegen
die Freisprechung einer Romanschrift-
stellerin einlegte, führte er unter andern: Folgen-
des aus:
„Das Unzüchtige erfordert nicht, daß der Ver-
fasser unzüchtige Zwecke verfolgte, sondern nur, daß
er sich bewußt war, daß durch sein schriftstellerisches
Erzeugniß ein geschlechtlicher Reiz hervorgerusen
werden könne. Ein auf Lüsternheit spekulierender
Vertrieb ist auch nicht erforderlich, sondern es ge-
nügt, daß das Buch jedermann zugänglich gemacht
ist und dahin wirken konnte, geschlechtliche Lüstern-
heit zu erregen.
Wenn man solche Definitionen hört, da ver-
geht einem allerdings die „Gcschlechtslust."
Nächstens werden in den Zeitungen die Ge-
burtsanzeigen konfiszirt!
In» Zeiserlwageu
„Luckl, Du mußt halt soag'n, daß D' g e i st e s -
krank bist."
«Dö» nutzet ml nir. Ja, wann i a Prinz waar,
nachher glaubeten sie'» scho' eher!"
Pour le mere-ite
(Der französische Senator Plot richtete ein Schreiben
an den Ministerpräsidenten Lombe», um die Gründung
eines Verdienstordens für französische Mütter zu for-
dern, welche zahlreiche Kinder zur Welt gebracht haben.)
Zopf!
Auf dem Goethe-Tag zu weimar wurde
dieses Jahr kein Festvortrag gehalten. In der
Generalversammlung stritten infolge-
dessen mehrere gelehrte päuser eifrig
über die Frage, ob durch den Ausfall
des Festvortragcs 8 (3 der Vereins-Satz-
ungen verletzt worden sei oder nicht.
„Und da wundert man sich noch, daß ein junger
Großherzoa zuerst keine allzu große Sehnsucht
verspürte?" rief Goethe aus, als er von dieser
Leistung seiner „Verehrer" Kcnntniß erhielt.
81.
Jni Regensburger vorn
„Entschuldigen», Hochwüvdcn, i möcht' Sic
in a wicht'gen Sach' auf an Augenblick alloan
sprechen."
„Scho recht, aber in d' Sakristei könna ma
jetzt nöt — do werd'grad a waylkartell
abg'schloss'n."
Hur siem
ClederbueD des „Schwarzen Jlujusf“
wahlschacher ttn Temxel
CZ schwingt sich in der Kathedral'
Mein fromm Gebet empor,
Sie ist auch mein Geschäftslokal,
Mein Lager, mein Kontor.
Und kommt zu mir ein Demokrat,
Dem thu' ich, (o der Thorl)
Wie Petrus einst mit Malchus that:
Ich hau' ihn übers Ohr.
Im Jenseits winkt mir dann als Lohn
Dereinst der Heil'genschein. —
St. Schädler wird der Schutzpatron
Der Stimmviehhändler sein.
Frldo
Kleines Gespräch
„Für das viele Bier," sagte Rampolla nach
dem Pilgerempfang zu Or. Kausen, „könntet
ihr Bayern viel mehr Peterspfennig — und dumm
macht's auch —"
„San S' froh!" bedeutete ihm Kausen.
Stemberg's Rückkehr
Endlich kommt er aus dem Kasten,
Abgethan sind Speck und Linsen,
Wieder lebt er ohne Fasten
Gönnerhaft von seinen Zinsen.
Seine Villa läßt auf's Neue
Er bereits zum Einzug schmücken.
Demnach scheinen Schuld und Neue
Ihn nicht allzusehr zu drücken.
Langsam wird er sich erfrischen —
Freilich jetzt bei bess'ren Sitten:
Frieda Woyda hat inzwischen
Ja die Schonzeit überschritten.
K. K.
Kleine Gespräche
Podewils machte bei B ü l o w Besuch.
„Also," scherzte er, „Generäl solln wir von
enk Preißn bezieh'»?"
„warum denn net?" lächelte der Kanzler,
„lvarum denn allweil bloß Lentrums-
redaktör'?"
„Der Leib-Schimmel soll also in Rom abwech-
selnd einen kurzen und dann einen langen
Prachtschwanz gehabt haben."
„Das war halt symbolisch — für die Reichs-
politik!"
perler und Griechen
Gedicht von Illaxl Bierjung, V. liateinlrlolle
Der Schah ließ in den griechischen Zeitungen ver-
künden, er knüpfe durch Errichtung einer persischen
Gesandtschaft in Athen die Beziehungen wieder an, die
leider im Jahre 5 J 0 v. LH. abgebrochen worden seien.
Die seit den Perserkriegen bestandene Spannung müsse
jetzt endgültig beseitigt werden.
weil ich die Niederlag' vom Rcrres
Nicht wußte, kriegte ich zwei Stund'
Arrest; infolge dieses Alerks'es
Pass' ich die Perser! Diese Isund'!
Doch auch die Griechen sozusagen
Sind ein erbärmliches Geschmeiß,
weil einer ihre Niederlagen
Natürlich auch nicht alle weiß.
Nun aber schreiben die Iournäler,
Daß sich versöhnen wollen gar
Jetzt endlich diese zwei Krakehler
Nach fünfundzwanzighundert Jahr'!
Solch eine riesige Gemeinheit
Sah aber doch kein Mensch noch nicht!
Fällt dieses diesen Schuften ein heut'
Erst nach der griechischen Geschicht'!
wo unsereins als wie die Narren
Schon lang gebüffelt haben muß
Den ganzen Perserkriege-Schmarren! —
-Jetzt pfeif' ich auf den Friedensschluß!
Beruhigung
„Hier, liebe Freundin, stell' ich Dir meinen Vetter,
den Marinefähnrich, vor, aber dieser pflegt Rle-
manden zu erstechen!"
421
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Nr. 23
B. Zellensrdnung
1) Kategorie I kommt in eine gewöhnliche
Zelle. Mobiliar sind Tisch, Hocker ohne Lehne,
Etrohsackbett zum Äufklappen, Wasserkrug, Eßnapf.
2) Kateg orie II dito. Außerdem Seldstbejchästtg-
ung mit besonderer Berücksichtigung des früheren
Berufs. Ausgenommen sind Mörder, Luftschiffer,
Redakteure und Schriftsteller. Letztere haben die
Wahl zivischen Wollezupfen und Filzpautinenfabri-
kation.
3) Kategorie III erhält eigenes Bett, Sopha,
Zeitungen (aber nur conservative). Selbstbeschästia-
ung exclusive Couponschneiden und Pistolenducue,
die der besonderen Erlaubniß des Anstaltsdirektors
bedürfen. Selbstbeköstigung (Diners bis zu 3 Mk.).
Cigarren-, Skat- und Tarokabende, allwöchentlich
mindestens zweimal.
4) Kategorie IV erhält Salonmöbel im Em-
pire-Stil. Äußer Chaiselongue und Divan minde-
stens ein zweischläfriges Bett. Pikante Lektüre
(namentlich coufiscirte Schriften und Ansichtspost-
karten). Selbstbeköstigung (Diners bis zu 20 Mk.).
Eigener Weinkeller. Selbstbcschästigung mit oder
ohne Damengesellschaft. Hausbälle. Roulettespiel.
Weibliche Bedienung. Außerdem jede Woche, wie
bei den Münchner Kellnerinnen, zwei Ausgehtage.
C. Ehrenbezeigungen
1) Kategorie I und II haben vor dem ge-
sammten Aüfsichtspersonal die militärischen Hon-
neurs zu machen. Redakteure, die nicht stramm
stehen, werden krumm geschlossen und vier Tage in
die Dunkelzelle gebracht. Im Wiederholungsfälle
Stehkäfig!
2) Kat eg orie III hat nicht zu grüßen, wird
aber vom Personal mit Herr und Titel angeredct.
3) Kategorie IV muß vom Aussichtspersonal,
genau dem militärischen Rang entsprechend, gegrüßt
werden. Vor Standesherrn haben die Ausseher so
lange stramm zu stehen, bis Abtreten commandirt
wird. Doch ist den Herren Gefangenen nicht ge-
stattet, sich dem Aussichtspersonal gegenüber der
Nilpferdpeitsche zu bedienen.
v. Leitende Grundsätze
Die Gefäugnißdirektoren, sowie das gestimmte
nüt dem Strafvollzug betraute Aussichtspersonal hat
sich stets gegenwärtig zu halten, daß nach 8 I der
preußischen Verfassung alle Preußen vor
dem Gesetze gleich sind.
£ex Heinze rediviva
In der Revision, die der Staatsanwalt gegen
die Freisprechung einer Romanschrift-
stellerin einlegte, führte er unter andern: Folgen-
des aus:
„Das Unzüchtige erfordert nicht, daß der Ver-
fasser unzüchtige Zwecke verfolgte, sondern nur, daß
er sich bewußt war, daß durch sein schriftstellerisches
Erzeugniß ein geschlechtlicher Reiz hervorgerusen
werden könne. Ein auf Lüsternheit spekulierender
Vertrieb ist auch nicht erforderlich, sondern es ge-
nügt, daß das Buch jedermann zugänglich gemacht
ist und dahin wirken konnte, geschlechtliche Lüstern-
heit zu erregen.
Wenn man solche Definitionen hört, da ver-
geht einem allerdings die „Gcschlechtslust."
Nächstens werden in den Zeitungen die Ge-
burtsanzeigen konfiszirt!
In» Zeiserlwageu
„Luckl, Du mußt halt soag'n, daß D' g e i st e s -
krank bist."
«Dö» nutzet ml nir. Ja, wann i a Prinz waar,
nachher glaubeten sie'» scho' eher!"
Pour le mere-ite
(Der französische Senator Plot richtete ein Schreiben
an den Ministerpräsidenten Lombe», um die Gründung
eines Verdienstordens für französische Mütter zu for-
dern, welche zahlreiche Kinder zur Welt gebracht haben.)
Zopf!
Auf dem Goethe-Tag zu weimar wurde
dieses Jahr kein Festvortrag gehalten. In der
Generalversammlung stritten infolge-
dessen mehrere gelehrte päuser eifrig
über die Frage, ob durch den Ausfall
des Festvortragcs 8 (3 der Vereins-Satz-
ungen verletzt worden sei oder nicht.
„Und da wundert man sich noch, daß ein junger
Großherzoa zuerst keine allzu große Sehnsucht
verspürte?" rief Goethe aus, als er von dieser
Leistung seiner „Verehrer" Kcnntniß erhielt.
81.
Jni Regensburger vorn
„Entschuldigen», Hochwüvdcn, i möcht' Sic
in a wicht'gen Sach' auf an Augenblick alloan
sprechen."
„Scho recht, aber in d' Sakristei könna ma
jetzt nöt — do werd'grad a waylkartell
abg'schloss'n."
Hur siem
ClederbueD des „Schwarzen Jlujusf“
wahlschacher ttn Temxel
CZ schwingt sich in der Kathedral'
Mein fromm Gebet empor,
Sie ist auch mein Geschäftslokal,
Mein Lager, mein Kontor.
Und kommt zu mir ein Demokrat,
Dem thu' ich, (o der Thorl)
Wie Petrus einst mit Malchus that:
Ich hau' ihn übers Ohr.
Im Jenseits winkt mir dann als Lohn
Dereinst der Heil'genschein. —
St. Schädler wird der Schutzpatron
Der Stimmviehhändler sein.
Frldo
Kleines Gespräch
„Für das viele Bier," sagte Rampolla nach
dem Pilgerempfang zu Or. Kausen, „könntet
ihr Bayern viel mehr Peterspfennig — und dumm
macht's auch —"
„San S' froh!" bedeutete ihm Kausen.
Stemberg's Rückkehr
Endlich kommt er aus dem Kasten,
Abgethan sind Speck und Linsen,
Wieder lebt er ohne Fasten
Gönnerhaft von seinen Zinsen.
Seine Villa läßt auf's Neue
Er bereits zum Einzug schmücken.
Demnach scheinen Schuld und Neue
Ihn nicht allzusehr zu drücken.
Langsam wird er sich erfrischen —
Freilich jetzt bei bess'ren Sitten:
Frieda Woyda hat inzwischen
Ja die Schonzeit überschritten.
K. K.
Kleine Gespräche
Podewils machte bei B ü l o w Besuch.
„Also," scherzte er, „Generäl solln wir von
enk Preißn bezieh'»?"
„warum denn net?" lächelte der Kanzler,
„lvarum denn allweil bloß Lentrums-
redaktör'?"
„Der Leib-Schimmel soll also in Rom abwech-
selnd einen kurzen und dann einen langen
Prachtschwanz gehabt haben."
„Das war halt symbolisch — für die Reichs-
politik!"
perler und Griechen
Gedicht von Illaxl Bierjung, V. liateinlrlolle
Der Schah ließ in den griechischen Zeitungen ver-
künden, er knüpfe durch Errichtung einer persischen
Gesandtschaft in Athen die Beziehungen wieder an, die
leider im Jahre 5 J 0 v. LH. abgebrochen worden seien.
Die seit den Perserkriegen bestandene Spannung müsse
jetzt endgültig beseitigt werden.
weil ich die Niederlag' vom Rcrres
Nicht wußte, kriegte ich zwei Stund'
Arrest; infolge dieses Alerks'es
Pass' ich die Perser! Diese Isund'!
Doch auch die Griechen sozusagen
Sind ein erbärmliches Geschmeiß,
weil einer ihre Niederlagen
Natürlich auch nicht alle weiß.
Nun aber schreiben die Iournäler,
Daß sich versöhnen wollen gar
Jetzt endlich diese zwei Krakehler
Nach fünfundzwanzighundert Jahr'!
Solch eine riesige Gemeinheit
Sah aber doch kein Mensch noch nicht!
Fällt dieses diesen Schuften ein heut'
Erst nach der griechischen Geschicht'!
wo unsereins als wie die Narren
Schon lang gebüffelt haben muß
Den ganzen Perserkriege-Schmarren! —
-Jetzt pfeif' ich auf den Friedensschluß!
Beruhigung
„Hier, liebe Freundin, stell' ich Dir meinen Vetter,
den Marinefähnrich, vor, aber dieser pflegt Rle-
manden zu erstechen!"
421
Karl Ettlinger: Lex Heinze rediviva
Maxl Bierjung: Perser und Griechen
Arpad Schmidhammer: Beruhigung
Arpad Schmidhammer: Pour le mèr-ite
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
K. E.: Sternbergs Rückkehr
Monogrammist Frosch: Im Zeiserlwagen
Si.: Zopf
Arpad Schmidhammer: Im Regensburger Dom
Frido: Aus dem Liederbuch des "Schwarzen Aujust"
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Gespräche
Maxl Bierjung: Perser und Griechen
Arpad Schmidhammer: Beruhigung
Arpad Schmidhammer: Pour le mèr-ite
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
K. E.: Sternbergs Rückkehr
Monogrammist Frosch: Im Zeiserlwagen
Si.: Zopf
Arpad Schmidhammer: Im Regensburger Dom
Frido: Aus dem Liederbuch des "Schwarzen Aujust"
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Gespräche