Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1903

JUGEND

Nr. 24

Der todte Staatsanwalt

Frei nach Freiligrath

Der Rechtsanwalt und Schriftsteller Paul Allers
in Ratibor wurde vom Ehrengerichtshof am Reichs-
gericht zu Leipzig zu 500 Mk. Geldstrafe und einem
verweise verurtheilt, weil er in einer Rovelle „Zranz
und Marie", die ihren Stoff aus Gerichtsakten
schöpft, sich über den Staatsanwalt, der in einem
Strafprozeß gegen einen Bauernburschen die Anklage
vertritt, in verletzender Weise geäußert habe. Dieser
Staatsanwalt, der überdies in der Rovelle einen ganz
andern Ramm führt, ist schon längst gestorben.

Kindl Höre meinen guten Rath
Und kitzle keinen Staatsanwalt!

Sonst wacht er auf, sonst wacht er auf,

Auch wenn er mausetodt und kalt!

Und schreibe mir Romane nicht,

Darinnen — o wie ich das find'I —

Etwelche Herren vom Gericht
Geschildert sind, wie sie oft sind!

Und hüte Deine Zunge wohl!

Bald ist ein böses Wort gesagt.

O Gott! Es war nicht bös gemeint!

Der Andre aber geht und — klagtl

Und stellt Dich vor das Tribunal,

Wo man Dich peinlich inquiriert!

Als Zeuge tritt der Todte auf,

Und der Lebendige plädiert!

Ein Schwerverbrecher stehst Du da,

Daß Dich ein Schauder vor Dir packt;

Und was Du stehn und bitten niagst,
Geduld! Geduld! Du wirst verknackt!

Drum höre meinen guten Rath
Und kitzle keinen Staatsanwalt!

Sonst wacht er auf, sonst wacht er auf,

Auch wenn er niausetodt und kalt.

Wespe

Ans -er pfarrerkathl

„Den Benefiziaten Schraufstetter in
Gdelzhausen," erzählte Hochwürden, „den
spirrn s' ein, weil er sich mit Schulmadln ver-
ganga hat!"

„G m ei," erwiderte Rat hl mitleidig, „der
werd halt koa geordents Hauswesen g'habt
Ham!"

„va; Mädchen au; der jRitide4*

frei nach Schiller

In einem Land bei guten Leuten
Erscheint mit jedem sechsten Jahr —
Bisweilen früher auch — in Freuden
Lin Wesen, hehr und wunderbar.

Ls zieht mit stattlichen Programmen
Und vielgestaltig durch das Reich;

Ls weiß die kalten zu entflammen,

Und macht die harten Herzen weich.

Ls hält mit Schwung und Feuer Reden
Zum Wohl des ganzen Vaterland'?;

Ls spricht von Schlichtung aller Fehde
Und von Beglückung jeden Stand's.

Das Wesen ist an allen Plätzen
In tröstlichem versprechen groß
Und leert ein volles Ulaaß von Schätzen
Den guten Leuten in den Schooß:

Ls theilt nach rechts und links nicht minder
wie nach der Mitte Gaben aus
Und baut für Litern wie für Rinder
Lin schöngefügtes Rartenhaus —

Und kommt dann nach der Zeit der Worte
Die Zeit des Handelns und der That,
Dann sprießen meistens nur verdorrte
Und faule Früchte aus der Saat;

Der Randidat marschirt in Freuden
Als „M. d. R." zum Reichstagsthor —
Und in dem Land bei guten Leuten
Bleibt nachher alles wie zuvor! ist

Gltramontane Pressfleijel

Die Ankündigung unserer Martin Luther-
Rintimer veranlaßt zwei ultramontane Blätter, den
„Bayr. Kourier" und die „Augsburger Postzeitung",
zu den unerhörtesten Beschimpfungen und verläum-
dungen gegen uns. Roch ehe er die Rümmer zu
Gesicht bekommen hat, nennt der „B. K." diese „eine
durch nichts gerechtfertigte freche Beleidigung der
Katholiken, eine infame Aufreizung kon-
fessioneller Leidenschaften" und fordert „alle
Verständigen auf, das Erscheinen jener Luther-
Nummer zu verhindern!" In ähnlicher Weise
fügt die Postzeitung Verleumdung und alberne Denun-
ziation aneinander.

paßt auf! Run wird es hübsch im Lande
Und wundervolle Zeiten nah'n:

Des Rückschritts Sansculottenbande
Tritt ihre Schreckensherrschaft an!

Und die sich nicht in Demuth fügen,

Die sollen's büßen, arg und schwer!
Verleumdung, Riedertracht und Lügen
Sind jener Helden starke Wehr!

Sie holen aus den tiefsten Pfützen
Den Stoff zu duftigem Geschoß,

Sie dürfen Dir mit Koth bespritzen,

Was Dir nur heilig scheint und groß. —
Doch wirst Du zornig, schlägst Du wieder,
paff' auf, wie ihr Geschrei erschallt!

Flugs denunzieren Dich die Brüder,

Die feigen, bei der Staatsgewalt!

Riag, was da will, den Sieg verschaffen
Dem Mann, der für dieDummheit ficht —
Des Geistes ritterliche Waffen
Zu führen, er verfte-ht's halt nicht!"

„Jugend“

Aus dem

Liederbuch des.Schmarren flujust*

I. fllabming

Der Fürstbischof Schuster von Sechau-Graz bat einen
Hirtenbrief erlassen, in dem es unter anderen Hetzereien
heißt: „Einen Nichtkatholiken soll man nicht grüßen, keine
Freundschaft mit ihm Pstegen, denn wer ihn grüßt, der
niacht sich böser Werke schuldig."

(!) frommer Christ, ich sag' Dir's, meid'

Die schlimmen Protestanten,

Sie sind nicht mehr, als des Satanas
Herzliebste (l)nkel und Tanten!

Begehest Du, zu grüßen sie,

Den unerhörten Frevel,

Dann wirst Du stürzen unrettbar in
Den höllischen Pfuhl voll Schwefel!

Doch hast Du gar etwa zur Frau
In kirchlich verdammter Ehe
Line Protestantin, o komme ihr
Ja nie mehr in die Nähe!

Mein lieber Bruder, Freund und Christ,

D laß Dich von mir belehren!

Sie könnte Dir sonst eine Höllenbrut
Im Handumdrehn gebären! Krokodil

(Dgl. auch das Bild v. I. Taschner auf S. 42S d. R.)

II. 6r;iek>ungsrekorrn

Der noch ziemlich junge Kaplan einer Würzburger
kathol. Pfarrei hat den zehn bis elf Jahre alten Schulmäd-
chen das Tragen der kurzen bis zum Ellbogen reichen-
den Aermel an den Kleidchen und das Seilhüpfen auf
der Straße als gegen die guten Sitten verstoßend verboten.

Seh' ich Mädchen mit dem Seile,
wende ich den Blick geschwind,

Denn sie haben Rörpertheile,

Welche unanständig sind.

Pfui, sie springen gar mit bloßen
Beinen, wenn das Wetter heiß,

Häufig auch noch ohne Hosen,
wie ich aus Erfahrung weiß.

Deshalb untersagt dem Rinde
Jedes Spiel mit gutem Grund.

Denn Gesundheit ist 'ne Sünde
Und das Spielen ist gesund, k. e.]

€ln schneidiger jmtkHlkobolist

Hüffener: „So, nu kann sich dev Rerl
wenigstens nich mehr befäufen!"

4)9
Register
Ist.: Das Mädchen aus der Fremde
Arpad Schmidhammer: Ein schneidiger Anti-Alkoholist
Krokodil: Aus dem Liederbuch des "Schwarzen Aujust"
[nicht signierter Beitrag]: Aus der "Pfarrerkathl"
Wespe: Der todte Staatsanwalt
K. E.: Aus dem Liederbuch des "Schwarzen Aujust"
[nicht signierter Beitrag]: Ultramontane Pressflegel
 
Annotationen