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Nr. 25 • J UGKND • 1903

Arpad Schmidhammer

(Kunstgewerbliche Arbeiten der „Vereinigten Werkstätten" des „Schwarzen Aujnst" und „Schamhaften Adels")

Die beite Kirche

Der beim Weihnachtsfeste J90J in Gotha ge-
äußerte Wunsch des Kaisers nach einer Einigung
der evangelischen Landeskirchen Deutschlands hat keine
Aussicht auf Erfüllung, da die mecklenburgischen
Synoden sich gegen Preußen als Vormacht ausge-
sprochen haben und diese Stimmung in Sachsen und
Süddeutschland getheilt wird.

preisend mit viel schöne,, Reden
Ihrer Protestanten Zahl
Saßen viele deutsche Fürsten
Einst bei einem Galamahl.

„Sind wir," sprach der Herr von Sachsen,
„Selber auch kein Protestant,

So ist Luthers schönste perle
Doch, Gottstrampach, Unser Land."

Briefe» drauf zwei GroßherzZge,
Mecklenburgs geliebte Herrn:

„Unsre beiden Landeskirchen
Sind die besten nah und fern."

„Nein," rief da der Herr von Baden,
„protestantisch, das heißt frei.

Frei ist nur bei Mir die Kirche,

Frei von jeder Tyrannei."

„Freilich Hab' ich viele Klöster,"

Luitpold von Bayern sprach,

„Aber Meine Protestanten
Stehen keinen andern nach."

Und der Kaiser sprach: „Die 'Kirchen
Eurer Länder sind zwar gut,

Doch noch besser wär 's, wir brächten
Alle unter einen Hut."

Und cs rief der Herr von Sachsen,

Der von Strcliy, von Schwerin,

Der von Baden, der von Bayern
Zu dem Herrscher aus Berlin:

„Bravo, das war gut gesprochen,
war ei» schönes, wahres Wort.

Zwietracht schwächt und Eintracht kräftigtl
Einigkeit sei unser Hort.

Nur die einzige Bedingung
Stell' Ich," — rief ein jeder frei,

„Daß die ander» Deutschen treten
Meiner Landeskirche bei!" Fi-iiio

Der bekehrte Darwin

In einer klerikalen Wochenschrift erzählte
jüngst ein Geistlicher, Charles Darwin habe,
bevor er gestorben sei, ausgerufen: „Ah könnt'
ich mein Leben neu beginnen — ich würde mich
der Kunst widme», da ich die von mir geschaffene
Richtung von Derzeit bedaure und als gänzlich
verfehlt betrachte."

wie wir zuverlässigen Auclleu entnehmen,
haben auch andere große Männer — theilwcise
knapp vor ihrem Tode — in ähnlicher weise
ihre Werke verflucht.

So hat beispielsweise Bismarck auf dem
Sterbebette ausgerufen: „wehe, daß ich cs vor«

Luther als Junker Jörg

von Lucas Lranach

gezogen habe, als protestanlilcher Kanzler die
deutsche Nation zu einen, statt zum allcinsclig-
machenden katholischen Glauben überzutrcten und
die weihen eines ssesuitenpalers zu nehme» l
welch großartige Dienste hätte ich als klerikaler
Agitator Gott, dem Lentrum und den deutsche»
Bischöfen leisten können! Erst auf den, Todten-
bett sieht man seine Fehler ein. Käme ich wie-
der ans die Welt, ich würde gewiß nicht mehr
ein Weltreich gründen, sondern mich vielmehr be-
streben, als Meßner bei 8r. Lochwürdcn Derrn
8chädler oder Dallcr gegen einen Miltagslijch
ünterzukommen."

Ernst Dackel, dcni bekannten Freigeist, werden
folgende Worte zugeschrieben, die er kurz vor
seiner jüngsten Vorlesung ausstieß:

„Alles, was ich jemals über Gott, Welt und
Menschheit gesagt oder geschrieben habe, ist pum-
bug. wir Naturforscher sind keine Päpste und
daher durchwegs fehlbar. Nur der Papst ist un-
fehlbar. Der Papst hat zu entscheide», ob die
Erde sich um die Sonne oder die Sonne um die
Erde dreht — niemand anderer. Die einzigen
wahrheitsvcrkündiger^ sind daher die Verkünder
des päpstlichen Willens, die hochwürdigen vcrrn
Bischöfe, Aebte, Pfarrer, Laplane, Lcutrums«

abgeordneten und Pfarrersköchinnen. Ich bedaure
aus tiefster Seele, mir durch meine sogenannten
„materialistischen" Lehren die Gunst namentlich der
letzteren verscherzt zu haben, würde ich ein zweites
llial Universitätsprofcssor, ich wollte es nie mehr
wagen, über Gott, Welt und Menschheit nach-
zndenken, sondern würde dies in Demuth den
dazu einzig berusencn hochwnrdige» Derrc»
Seetenhirteu überlassen."

von Rapoleon I., dem erbitterten Feind der
Kirche, wird folgender Ausspruch berichtet:
„Schade, schade, daß ich Napoleon der Erste
und nicht lliitglied eines religiösen Ardens ge-
worden bin! Ich sehe ein, mein ganzes Leben
war nutzlos, da ich nie einen Rosenkranz gebetet,
mich nieuials an lvallfahrte», Maiandachtcn re.
bcthciligt habe. Könnte ich noch einmal von vorne
beginnen, ich würde keinen Moment zögern, was
ich zu thun hätte. Ich würde meine ganze Rrait
dem Aufblühen der Longregationcn widmen und
ein Gesetz zuwege bringen, daß die Regierung
direkt von den Longregationen ernannt wird, uni
ein Eingreifen der Laienwelt in die Geschichte
Frankreichs für immer hintanzuhalten." ,r. « .

CiTchgeTpräch

(Herausgegebcn von der „Jugend")

„wie weit fern S' denn cy mir Ihrer
Heirarhcrci?" fragte Luther den passaucr
Lyzcalprofeffor Sickenberger.

„Sic leiden 's nerl" erwiderte dieser klein-
laut. „Aber pensioniert Hains' mit"

„Oes kön»rs cnk alle mirandcr
pensionieren lassen, ös Rcförmlerl"
sagte der Reformator mitleidig.

Aus der Luther-Nummer des
„Schwarzen Unlust"

Hwauogegebea v. Lrjesuiten Adolfv. Berlichingen
twürzburgj

Wahrheit, nur Wahrheit, selbst wenn cs
gilt, uns günstige Gefchichtsinärchen zu zer-
stören I

Von katholischer Seite wird behauptet,
daß Luther sich erhängt habe.

Das ist auch eine Gcfchichrslügel Die
Wahrheit ist, daß kein Strick aufzutreiben
gewesen wäre, der den feisten Schlcnimcr
hätte aushalren können.

Fressen und Saufen, meine lieben Leser,
das war, wie ihr schon aus meinen Vorträgen
wißt, so recht die Sache des „Reformators".
So eine fette Gans von zwölf Pfund auf
einen Sitz, das war ein Kinderspiel für den
Doktor Martinus Luther — daher auch dcr
vkame Martinsgansl

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Index
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Luther-Nummer des "Schwarzen Aujust"
Arpad Schmidhammer: Kirchenlichter
[nicht signierter Beitrag]: Tischgespräch
R. W.: Der bekehrte Darwin
Lucas Cranach: Luther als Junker Jörg
Frido: Die beste Kirche
 
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