Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1903

JNr. 25

eine Havanna an, obwohl sonst Rauchen bei niir
strenge verboten ist. Hieraus setzte ich mich zu
ihm auf das Sopha, streichelte sein Kinn und
seine Wangen und war so zärtlich, daß ich mich
sogar einmal versprach und „Aujust" zu ihm
sagte^ Er merkte es aber nicht. Dagegen fiel
der Tisch um und alles Porzellan ging in Scher-
ben. Ich dachte jedoch, lieber das Porzellan, als
unser geliebtes Lentrum, und verzagte nicht. Und
um 2 Uhr steckte ich ihm de» Wahlzettel in die
Hand, den Hochwürden mir gegeben und verließ
ihn mit dem Bewußtsein, eine gute That gethan
zu haben. Während ich dies schreibe, hat er ge-
wiß schon das Lloset xassirt und unsrer guten
Sache zum Sieg geholfen. Das walte Gott! Ls
grüßt Sie Ihre

dankbar ergebene
Nanni N.

P. S. Himmeldonnerwetter, da soll schon gleich
der fff' dreinschlagen! wiffen Sie, was er ge-
than hat? verschlafen hat er die ganze Wahl!
Der Lump, der miserablel

Der Sänger-Wettstreit

von eme aide Frankforder

Goddlob! Ietz kann ich der in Ruh
Mei Schöbbche widder saufe;

Ietz endlich komm ich der dazu,

E bisst auszuschuaufe.

Des Sängerfest, der Sängerschdreid,

War's aach was Lieb's und Deires,

Es war der doch e schwere Zeid,

E ferchderlich Geseires.

Der Felix hat e Lied gemecht
von römische Tohörder,

Es war net gut, es war net schlecht,

Ls war'n nor sehr viel Wörder:

„Hebt uff de Schild de Held Armin
Un denkt an unsre Ahne,

Die weld gehecrd allaans dorch i h n
Doch ncbbisch de Germane."

So seggt der Dahn. — Ich kann als Schbord')
Des Dentschgcdhu »et leide;

Die Weld is uns! — E großes Word.

Nor läßt sich driwwer schdreide.

Uff die Musigg zu dem Gesang
Do war ich der begierig.

Hibsch war sc net — dafor sehr lang
Un aach e biss! schwierig.

Des hat net nor allaans gemaant
Der Kaiser, wollt ich wcdde —

-Ich Hab der's oddcr gleich geahnt,

Daß er e Redd dhät redde.

Des Volkslied werd net mehr gepflegt,

So dhät er sich beschwecre,

So oft er mol «ans Heere möcht',

Bekäm er kaans zu Heere.

i) Sport,

. JUGEND .

Im Annsdgesang werd rumgedabbt,

Es werd der immer schlimmer.

D o hat der Kaiser Rechd gchabbt.

— No ja, er hat's ja immer!

Un aans noch hat en sehr geschdört
Bei dene Männerchcere:

Er hat euch gleich erausgehört,

Daß se zu hoch uffheere.

Des hat de Kaiser sehr scheniert
Un zwar mid Rechd, bekenn ich,

Er hat schon selwer komboniert,

Drum is er.sachverschdännig.

Sonst odder hat's in uns'rer Schdadt
Em äußerst gut gefalle,
weil er halt an sei'm Frankford hat
Sehr dankbare vasalle.

Drum hat er aach e Regimend
Nach unsrer Schdadd geheiße.

Ietz is e Freindschaft ohne End
Mit Frankford un de Breiße.

E Laisbub zwar, der hat geschennt,')

— Ich glaab, der is meschugge! —

Des Zeiche von dem Regimend
Des thät der so ausgugge:

IlllD

Des glaab ich net, wann ich aach maan,

Mer dcrft der's scho so nenne —

Weil die bei »ns Badrizjer san,

Die so was lese kenne!

i) geschimpft.

Kleines 6espräcb

„Da lies mal — auf dem sächsischen Katho-
likentag in Zwickau sagre ein Kaplan, die Ver>
sammelten seien ultramontan bis auf die Knochen,
bis auf die letzte Faser des Herzens, bis zum
Sterben: ferner sprach er .voll Ekel' von den .nie-
drigen Schmähungen' der protestantischen Gegner,
von ihrer .Dummheit' u. s. w.

„Wie hceßt denn dieser Herr Gaplan?"
„Hotteurvtt!"

„Des muß Sie aber e schcener Druckfehler
sein!"

Ein neuer Frauen-Beruf

In St. Petersburg bildete sich, wie der „Gran-
denzcr Gesellige" nach der „Birsh. Wed." berichtet,
eine Gilde von weiblichen Schornsteinfegern.
Der Anstoß ist von der Wittwe eines Schornstein-
feger; ausgegangen.

Wie wir hören, gedenkt Herr Bürgermeister
von Borscht, der ja kürzlich in Petersburg war,
die Neuerung auch in München einzuführen,
warum auch nicht? Wir haben ja das Zeug
dazu! si.

Ulie moden entstehen können

„Hast Du gelesen 7 Der König Lduard trägt jetzt
die Bügelfalten seiner Hosen an den Seiten,
statt vorne und hinten!"

„Sollt' er am Lnd' an dem Tag, wo er die neue
Mode creirte, aus versehen eine Lrauenhose er-
wischt haben?"

Hm Cßabltag

von Biedermeier mit «1

(Mit Ieichnung von Paul Rieth auf der letzten Seite)

Äie blau da droben, grün hier unre»,

Ist dieser hübsche Iunitag,

Daß Jeder sich der sarbcnbunren
Vergnügten Landschaft freuen mag!

L> du superbe deutsche Erde:

Heut brächten wahrlich auch zehn Pferde —
Ja vicrundzwanzig nicht einmal! —

Mich in das dumpfe Wahllokal —

Marie: noch einen Schoppen!

Und schritt' ich auch zum wahlcloscttc,
Parole ck'konneur, ich wüßte nie,

Für wen ich da zu stimmen hätte
Aus Grundsatz oder Sympathie!

Zwar blasen sämmtlichc Parteien
Die allerlockendsten Schalmeien,

Doch sicht man etwas näher hin,

Steckt überall ein Haar darin —

D'rum bleib' ich hier beim Schoppen I

Die National- und Liberalen,

Für die ich emsig sonst gestimmt,

Die haben zu verschicdnen Malen
Mich jetzt verkrüppelt und ergrimmt:

Nach oben fehlt der steife Rücken,

Nach unten pflegt man oft zu drücken;

Die Rücksicht aus das Portemonnaie
Ist oft die lcitcndc Idee —

Marie: noch einen Schoppen!

Das aber wär' schon gar das Rechte,

Daß Einer für das Lentrum wählt!

Es wird, was dieses sich erfrechte,

Auf keiner Kuhhaut aufgczähltl

Es ist des Geistes Widersacher

Und treibt mit Recht und Freiheit Schacher,

Als Roms vereidigter Haiduk —

Drum steigt ihm als Verachtungsschluck
Der Rest von meinem Schoppen!

Soll ich vielleicht für einen Anti-
semiten meine Klinge zieh'»,
wie Ahlwardt ist und tutti quanti
bind wie der Lueger in Wien?

Sic mimen keck des Deutfchthums Ritter
Und sind verkappte Icsuiter —

Nein, auf ihr Fcldgcschrci: Hcppl Hcppl
Hört nur der sogenannte Tepp —

Marie: noch einen Schoppen I

was thu' ich mit Lonfervativen.

Die für der Zeiten Fortschritt blind,
bind denen fast Hieroglyphen
Die sozialen Fragen sind!

Die aus Profitgier sich erlauben,

Den Brotkorb uns hinaufzuschraube
Und wähnen voller Iunkcrstolz,

Sie seien gar aus besser'm Holzl
Ich bleib' vor meinem Schoppcnl

(Wenden Sie gefl. um!)

457
Register
[nicht signierter Beitrag]: Der Sänger-Wettstreit
Si.: Ein neuer Frauenberuf
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Ein neuer Frauenberuf"
Monogrammist Frosch: Wie Moden entstehen können
Biedermeier mit ei: Am Wahltag
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
 
Annotationen