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1903

Sie haben einen typischen Fall von Malaria!
WaS hat übrigens College Uebertreiber ver-
schrieben?"

Ich gab ihm das Reccpt.

„Ja!" sagte er, nnd schüttelte mißbilligend
den Kopf, „dann allerdings wundere ich mich
nicht, daß Ihre Kopsschinerzen schlechter gewor-
den sind. — Ich spreche sonst prinzipiell nicht
über die Verordnungen eines Collegen! —
Aber diese Lösung von Antipyrin war das reine
Gift für Sie. Nehmen Sie von der Medizi»,
die ich Ihnen hier ansschreibe, dreistündlich
einen Eßlöffel, und in zwei Tagen werden Sie
ganz gesund sein."

Ich legte zehn Mark auf den Tisch des
Hauses und wollte mich entfernen.

„Nein, mein Lieber," sagte vr. Schofel süß,
„bei mir kostet eine Consultation nur fünf
Mark. Ich will Sie nicht Übervortheilen,
wie-!"

Wieder folgte dumpfes Gemurmel, aus dem
ich aber den Namen „Uebertreiber" deutlich
heraushören konnte.

Ich ging in die Apotheke und fragte den
Provisor, der mir eine rothe Medizin aus
mein Rezept hin gab, was es wäre.

„Eine Lösung von Antipyrin mit Zusatz
von Himbeersirup."

Daß ich keine Malaria hatte, wurde mir
jetzt klar. Aber auch zu meiner Wandermilz
hatte ich das Vertrauen verloren.

Meine Kopfschmerzen wurden aber davon
nicht besser.

„Gegen Kopfschmerzen," sagte mir ein ganz
schlauer Bekannter, „hilft nur Suggestion!"

Ich ging also zu vr. Spektakel, der aus
einem drei Meter langen Schilde sich als
Spezialarzt kiir Suggestionstheraphie anpries.

Er euipsing mich in einem kleinen Vor-
raume, in den drei Thürcn mündeten. Ans
der einen stand mit großen Goldbnchstaben:
„Rothes Heilnngszimmer", auf der andern:
„Grünes Beruhigungscabinet" und auf der
dritten: „Blaues Einschläferungsappartement".

vr. Spektakel nahm mir gegenüber Play
und ich klagte ihm mein Leid.

„Sehen Sie nach oben! Sehen Sie nach
nuten! Nach rechts! Nach links!"

„So", sagte er, „gehen Sie, bitte, ins roth:
Heilnngszimmer!"

Ich kam in ein kleines Zimmer mit rother
Tapete, rothen Vorhängen, rolhem Teppiche.
I» der Mitte stand ein rother Ledersessel.

Nach einer Weile erschien vr. Spektakel, ein-
gehüllt in einen rothen Mantel.

„Bitte, setzen Sie sich recht begncm in den
rothen Sessel und richten Sie Ihre Gedanke»
ans die rothe Farbe!"

Dann streckte er seine linke Hand gegen
mich aus und schrie mich plötzlich an: „Schlafen
Sie!!"

Ich erschrak — aber ich schlief nicht ein.

Er schrie mich noch zwei Mal an, aber bei
Schlaf wollte nicht kommen.

Dann legte er seine Hände ans meinen Kops,
strich mehrmals langsam über das Hinter-
haupt bis auf die Schultern und sprach dazu
mit leiser, monotoner Stimme:

» „Ich nehme jetzt — die Schmerzen von
Ihnen fort. — Ich streiche sie — von den Augen
zum Hinterkopf. — Jetzt nehme ich — die
Schmerzen auf meine Hand — und werfe sie
weit — von Ihnen fort!"

„So", sagte er lauter, „jetzt schließen Sie
die Angen! Jetzt öffnen Sie sie! Und jetzt
sind Sie gesund!"

Das Letzte verkündete er mir in geradezu
vergnügtem Tone.

Ich fühlte aber noch immer meine Kopf-
schmerzen.

Als ich ihm das sagte, nahm er nochmals
dieselbe Prozedur mit mir vor.

• Am Schlüsse versicherte er mir, daß ich jetzt
die Wirkung der Suggestion schon spüren würde.
Ich sollte gleich eine Stunde spazieren gehen
und dabei beständig von eins bis hundert
zählen. Dann sollte ich mich hinlegen und

Nr. 2ö

Der Schnitter

A. de Laforgue (Davos)

3cb hör ein heimliches Dröhnen gehn
fern ln der Gebirge dämmerndem Blau.

Die Schnitter so stumm an der Hrbeit stehn,
Sie schneiden die Sorge auf brennender Hu'.

Sie sehnen sich nach Gewitternacht,

JNach Sturm und liegen und Donnerschlag,

Nach einer wogenden freiheitsschlacht
Und einem entscheidenden Völkertag!

Gottfried Keller, .Zur Erntezeit”
Register
A. de Laforgue: Der Schnitter
Gottfried Keller: Der Mäher
 
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