1903
JUGEND
Nr. 29
(Es ist nicht zu verkennen, daß das „Bürger-
liche Gesetzbuch" in der deutschen Rechtsprech-
ung der Neuzeit immerhin einen erheblichen Fort-
schritt bedeutet. Andrerseits hat sich herausgestellt,
daß dieses juristische Lompendium, wie schon der
Name besagt, durchaus nur die „bürgerlichen"
Rechtsverhältnisse beleuchtet, leider aber nicht die
in manchen „feudalen" Kreisen bestehenden Rechts-
anschauungen und (Ehrbegriffe, welche doch mit den
„bürgerlichen" durchaus kollidieren, berücksichtigt.
wir haben uns deshalb der Mühe unterzogen,
den Entwurf eines „Ritterlichen" Gesetzbuckes
auszuarbeiten, um einem tiefgefühlten Bedürfuiß
der „besseren" Kreise entgegen zu kommen.
Bedeutsame Abweichungen zeigt vor allem das
Kapitel der „Schuldverhältnisse".
wir greifen einige Paragraphe heraus:
A Ansprüche bürgerlicher Geschäftsleute
(speziell Juden) an einen Kavalie? verjähren in
dre'. 'Monaterl, wenn der Kavalier nach Ablauf
dieser Zeit keinen (Einspruch gegen die Verjährung
erhebt. Tritt der Schuldner vor dieser Frist eine
Reise nach Brasilien oder Surinam an, so hat der
Gläubiger das Recht, ihm vor der Abfahrt des
Dampfers einen Zahlungsbefehl zu überreichen.
§ \7. Die von einem bürgerlichen Handwerker
an einen adligen Kavalier gelieferten Garderobe-
stücke, wie Stiefel, Loosen rc., gehen von dem
Augenblicke an tn den Besitz des Bestellers über,
sobald er öiefelben auf die entsprechenden Glied-
inaßen seines Körpers zieht. (Eventuelle dringliche
Bitten des Gläubigers um sofortige Bezahlung
oder gar versuche, sich im „Nichtbezahlungsfalle"
der Garderobestücke zu bemächtigen, werden als
„Nöthigung" bestraft.
Nimmt ein Weinhändler in gleichem Falle
einen Korb Sekt zurück, nachdem dieser bereits
über die Zimmerschwelle des Bestellers gekommen
ist, so kann er, insofern diese Handlung gegen
den ausdrücklichen (Einspruch des Bestellers erfolgt
ist, wegen „Mundraub" bestraft werden.
8 29. wird ein Gläubiger von einem Kava-
lier die Treppe hinuntergeworfen und gebraucht
er, unten auf dem Hausflure angelangt, in vor-
eiliger wuth Worte wie: „Dieser Schweinehund
bezahlt keinen Menschen, der Teufel soll ihn holenl"
so kann er für diese Aeußerung, sofern sie in
Gegenwart dritter Personen gefallen ist, von
dem Kavalier wegen „Gefährdung des Kre-
dits" zunächst durchgeprügelt (siehe „Wahrung
berechtigter Interessen" und „Nothwehr") und als-
dann verklagt werden.
8 33. Macht ein im Aufträge eines „Bürger-
Itu/m" gesandter Gerichtsvollzieher den versuch,
einen Kavalier, während derselbe in einer dckamdre
separ£e in Gegenwart dritter Personen sou-
piert, zu pfänden, und entfernt sich der Beamte
nicht'auf ein dreimaliges „Raus" des Schuldners,
so kann er erstens, wenn erschwerende Neben-
umstände dieses bedingen, wegen „Schamverletz-
ung", zweitens wegen „Hausfriedensbruch" bestraft
werden.
8 99. Tritt der exeeptionelle Fall ein, daß ein
Kavalier seine Schuld vor dem Fälligkeitstermin
bezahlt, so hat der bürgerliche Gläubiger dieses
Faktum auf seine Kosten in sämmtlichen Zeit-
ungen des Inlandes bekannt zu machen.
(Einschneidende Veränderungen zeigen aber auch
die Kapitel '„The", „verlöbniß" u. s. w.
8 \ \\. Bekleidet ein Kavalier in einem „Bür-
gerlichen" Hause die Stellung eines „Haus-
freundes," so wird, insofern keine spezielle Ver-
einbarung getroffen, zwischen den drei in Frage
kommenden Personen „Gütergemeinschaft" ange-
nommen. — Der erstgeborene Knabe darf mit
(Einwilligung des Hausfreundes den „Vornamen"
des Kavaliers erhalten. Die Höhe der in diesem
Falle an den Kavalier zu zahlenden Abschlags-
summe richtet sich nach der Vermögenslage des
(Ehemanns, darf jedoch unter keinen Umständen
weniger als jooo Mark betragen. (Eine Kündig-
ung des bestehenden Verhältnisses kann nur von
Seiten des Kavaliers geschehen.
8 U?» Ist ein Kavalier mit einem bürger-
lichen Mädchen ein „verlöbniß" eingegangen und
hebt dieses aus irgend welchem Grunde auf, so
hat die Braut dem Kavalier die Geschenke (inso-
fern diese aus werthgegenständen bestehen) zurück-
zugeben, gleichfalls der Kavalier die ihm von der
Dame während der verlöbnißzeit eventuell ge-
schenkten Kinder. — Die bei dem Schwiegervater
in spe seitens des Kavaliers gemachten Darlehen
dagegen verjähren. (Siehe 8 U»)
Beim Kapitel „Tandgesinde-Grdnung" ist folg-
endes hervorzuheben:
8 Destlich der Elbe tritt,-bei jedesmal-
igem Dienstboten-Wechsel, das ju8 primae noctis
für den Dienstherrn in Kraft. Hat der Dienst-
bote (kernininum) eine ältere Verpflichtung, die
er übernommen hat, verschwiegen und entsteht aus
dieser Fahrlässigkeit eine Gefahr für den Körper
des Dienstherrn, so Farm der Dienstbote 0 wegen
„Unbotmäßigkeit," 2) wegen „Vorspiegelung fal-
scher Thatsachen" bestraft werden. Br.
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Nr. 29
(Es ist nicht zu verkennen, daß das „Bürger-
liche Gesetzbuch" in der deutschen Rechtsprech-
ung der Neuzeit immerhin einen erheblichen Fort-
schritt bedeutet. Andrerseits hat sich herausgestellt,
daß dieses juristische Lompendium, wie schon der
Name besagt, durchaus nur die „bürgerlichen"
Rechtsverhältnisse beleuchtet, leider aber nicht die
in manchen „feudalen" Kreisen bestehenden Rechts-
anschauungen und (Ehrbegriffe, welche doch mit den
„bürgerlichen" durchaus kollidieren, berücksichtigt.
wir haben uns deshalb der Mühe unterzogen,
den Entwurf eines „Ritterlichen" Gesetzbuckes
auszuarbeiten, um einem tiefgefühlten Bedürfuiß
der „besseren" Kreise entgegen zu kommen.
Bedeutsame Abweichungen zeigt vor allem das
Kapitel der „Schuldverhältnisse".
wir greifen einige Paragraphe heraus:
A Ansprüche bürgerlicher Geschäftsleute
(speziell Juden) an einen Kavalie? verjähren in
dre'. 'Monaterl, wenn der Kavalier nach Ablauf
dieser Zeit keinen (Einspruch gegen die Verjährung
erhebt. Tritt der Schuldner vor dieser Frist eine
Reise nach Brasilien oder Surinam an, so hat der
Gläubiger das Recht, ihm vor der Abfahrt des
Dampfers einen Zahlungsbefehl zu überreichen.
§ \7. Die von einem bürgerlichen Handwerker
an einen adligen Kavalier gelieferten Garderobe-
stücke, wie Stiefel, Loosen rc., gehen von dem
Augenblicke an tn den Besitz des Bestellers über,
sobald er öiefelben auf die entsprechenden Glied-
inaßen seines Körpers zieht. (Eventuelle dringliche
Bitten des Gläubigers um sofortige Bezahlung
oder gar versuche, sich im „Nichtbezahlungsfalle"
der Garderobestücke zu bemächtigen, werden als
„Nöthigung" bestraft.
Nimmt ein Weinhändler in gleichem Falle
einen Korb Sekt zurück, nachdem dieser bereits
über die Zimmerschwelle des Bestellers gekommen
ist, so kann er, insofern diese Handlung gegen
den ausdrücklichen (Einspruch des Bestellers erfolgt
ist, wegen „Mundraub" bestraft werden.
8 29. wird ein Gläubiger von einem Kava-
lier die Treppe hinuntergeworfen und gebraucht
er, unten auf dem Hausflure angelangt, in vor-
eiliger wuth Worte wie: „Dieser Schweinehund
bezahlt keinen Menschen, der Teufel soll ihn holenl"
so kann er für diese Aeußerung, sofern sie in
Gegenwart dritter Personen gefallen ist, von
dem Kavalier wegen „Gefährdung des Kre-
dits" zunächst durchgeprügelt (siehe „Wahrung
berechtigter Interessen" und „Nothwehr") und als-
dann verklagt werden.
8 33. Macht ein im Aufträge eines „Bürger-
Itu/m" gesandter Gerichtsvollzieher den versuch,
einen Kavalier, während derselbe in einer dckamdre
separ£e in Gegenwart dritter Personen sou-
piert, zu pfänden, und entfernt sich der Beamte
nicht'auf ein dreimaliges „Raus" des Schuldners,
so kann er erstens, wenn erschwerende Neben-
umstände dieses bedingen, wegen „Schamverletz-
ung", zweitens wegen „Hausfriedensbruch" bestraft
werden.
8 99. Tritt der exeeptionelle Fall ein, daß ein
Kavalier seine Schuld vor dem Fälligkeitstermin
bezahlt, so hat der bürgerliche Gläubiger dieses
Faktum auf seine Kosten in sämmtlichen Zeit-
ungen des Inlandes bekannt zu machen.
(Einschneidende Veränderungen zeigen aber auch
die Kapitel '„The", „verlöbniß" u. s. w.
8 \ \\. Bekleidet ein Kavalier in einem „Bür-
gerlichen" Hause die Stellung eines „Haus-
freundes," so wird, insofern keine spezielle Ver-
einbarung getroffen, zwischen den drei in Frage
kommenden Personen „Gütergemeinschaft" ange-
nommen. — Der erstgeborene Knabe darf mit
(Einwilligung des Hausfreundes den „Vornamen"
des Kavaliers erhalten. Die Höhe der in diesem
Falle an den Kavalier zu zahlenden Abschlags-
summe richtet sich nach der Vermögenslage des
(Ehemanns, darf jedoch unter keinen Umständen
weniger als jooo Mark betragen. (Eine Kündig-
ung des bestehenden Verhältnisses kann nur von
Seiten des Kavaliers geschehen.
8 U?» Ist ein Kavalier mit einem bürger-
lichen Mädchen ein „verlöbniß" eingegangen und
hebt dieses aus irgend welchem Grunde auf, so
hat die Braut dem Kavalier die Geschenke (inso-
fern diese aus werthgegenständen bestehen) zurück-
zugeben, gleichfalls der Kavalier die ihm von der
Dame während der verlöbnißzeit eventuell ge-
schenkten Kinder. — Die bei dem Schwiegervater
in spe seitens des Kavaliers gemachten Darlehen
dagegen verjähren. (Siehe 8 U»)
Beim Kapitel „Tandgesinde-Grdnung" ist folg-
endes hervorzuheben:
8 Destlich der Elbe tritt,-bei jedesmal-
igem Dienstboten-Wechsel, das ju8 primae noctis
für den Dienstherrn in Kraft. Hat der Dienst-
bote (kernininum) eine ältere Verpflichtung, die
er übernommen hat, verschwiegen und entsteht aus
dieser Fahrlässigkeit eine Gefahr für den Körper
des Dienstherrn, so Farm der Dienstbote 0 wegen
„Unbotmäßigkeit," 2) wegen „Vorspiegelung fal-
scher Thatsachen" bestraft werden. Br.
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