Nr. 26
1903
Mage um Oertel,
der im Wahlkreise Freiberg gegen den Sozialisten
Schutze unterlegen ist
Nun führt ihn die Walküre ein, die blasse,
Nach Walhall als Einherier.
Da steht schon R o e si cke und Schrempf und Hasse
Und Lucke und manch andrer Herr.
Weia, da trifft er manch andern Gespan,
Heia, da steht auch der schweigsame Hahn!
Wie führte er die Klinge, — hei —, die scharfe,
Im Streit mit manchem rochen Schuft.
Doch mit der andern Hand schlug er die Harfe
Und sang von Lieb' und Lenzesdust.
Oertel, du warst ein Sänger und Held.
Wehe, nun hat dich der Tod gefällt!
Uro patria decorum est et dulce
Mori, — das ist des Helden Ziel.
Doch mußte es durchaus denn sein ein Schulze,
Von dessen Hand ein Oertel fiel?
Konnt's nicht von Vollmar wenigstens sein?
Schulze', ach Schulze, wie klingt das gemein!
Allein wenn andre Männer stöhnen
Ob der verlornen Unglücksschlacht,
Dem Dichter bleibt die Tröstung der Kamönen;
Er schlägt die Leier und er lacht.
Oertel auch dichtet ein duftiges Sonett
Ueber den Durchfall im Wahlkloset.
Frido
Her fleck
Auf dem „Saturn“ wurde von den Astronomen
ein großer weißer Fleck entdeckt, dessen Auftreten zur
Zeit nicht erklärt ist.
Da haben nun die Gelehrten
Schon wieder 'was Neues entdeckt;
Sie fanden den ehrenwerthen
Saturnus weißgefleckt.
Nun sitzen mit langen Gesichtern
Bei Mond- und Sternenfchein
Sie vor den ewigen Lichtern
Und sinnen: was mag das fein?
Was geht an dem Sternenleibe
Dort vor im Firmament?
was soll diese glänzende Scheibe
Auf diesem Rugelsegment?
Meine Herrn, ich find es am Platze,
Daß ich die Sache erklär':
Das ist einfach seine Glaye,
Er ist ja ein uralter Herr!
A. I>e Nora
. JUGEND .
Sächsische Elegie
An König Georg hat der in Bauyen gewählte
antisemitische Reichstagsabgeordnete Grafe im verein
mit seinen Gesinnungsgenossen am Abend des Stich-
wahltages folgendes Telegramm gerichtet: „Lurer
Majestät senden 100 treue Sachsenherzen Gruß und
Treuegelöbniß für alle Zeit aus der vom Leinde un-
gebrochenen Leste des Sachsenlandes. Die Lausitz halt
die Treue! Heil! Grafe» Reichstagsabgeordneter.“
Darauf ist» wie die Bautzener Rachrichten mittheilen,
folgendes Antworttelegramm des Königs eingelaufen:
„Reichstagsabgeordneten Grafe, Bischofswerda. Heute
früh Ihr Telegramm erhalten, freue mich herzlich
über Ihren Sieg und den Sieg der guten Sache in
Ihrem Wahlbezirk. Georg.“
Hundert dreie Sachsenherzen
Is das nich ä bischen wenig? --
Zindeten der Liebe Gerzen
Neilich an fir ihren Geenig.
Dräsen, Leipzig, Borna, Bernes
Zabbelten im roden Meere;
Bautzen nur, der Schtern der Schterne,
Schiyte Vaterland und Ehre!
während rings des Volkes Hefe
Sich gebläht zum Herrn im Reiche,
Spielt der wackre Ritter Gräfe
Jetzt den Hecht im Karpfenteiche;
Schnappt mit seiner großen Schnauze
Juden, Rothe — welch' Geheilei
Hurrahl Hochl Es läwe Bauyen
Und die neie Ordnungsseilei
Jetzt, wo wie am wahldag neilich
Alles sich der roden Macht beigt,
Sei sie allen Sachsen heilig,
Sie, die von verschwund'ner Pracht zeigt!
Denn schon ieber Nacht — es wergt^) mich,
wenn ich's sagen soll, am Herzen —
Denn schon ieber Nacht — so fercht'ich —
werd' ooch noch die eene schterzen.^)
Cri-Cri
x) Pirna, 2) würgt, 8) furcht, 4) stürzen.
fall IZüssener
Das Oberkriegsgericht milderte in der Re-
visionsverhandlnng des Falles Hüssener die
Gefängnißstrafe zu zweijähriger Festungs-
haft ab. — Wann wird die obligate Be-
gnadigung erfolgen?
Dacbdrucfc verboten!
Das Konstanzer Zentrumsblatt will die dortigen
Katholiken auf sehr praktische Weise zum Abonniren
zwingen: sie versieht die Gottesdienstordnung für
die katholischen Kirchen mit dem Vermerk: „Nach-
druck verboten," denn das Blatt bildet <sich ein,
dann dürfe sie die nationalliberale Konstanzer Zeit-
ung nicht drucken. — Sehr gut! Am Ende hätte
sich gar so ein nationalliberaler Ketzer in die Kirche
verirrt und dann hätte das ganze Gotteshaus aus-
- geräuchert werden müssen.
Bülow und Magner
„Ich bin auch in Bayreuth gewesen, aber nur
um glühende Wagnerianer dorthin zu begleiten. Ich
„ bin ein Musikunverständiger geblieben; alle Musik
ist mir gleichgiltig. . . .“
(Sraf Bülow zum Redakteur des „ßaulois“)
Daß auch der Kanzler Wagner nicht mag,
Haben wir neulich gelesen,
wie's kommt? Man haßt eben in Berlin
Alles geräuschvolle Wesen! Cvl-Crl >
Der Bankdirektor
Täglich fuhr der Lhef mit seiner Zucka
Zu der schönen, parfümierten Succa,
Liner verni-Balleteusenratte,
Die er lieber als sein Weibchen hatte.
Mt dem Aufsichtsrat gab es bei Dresse!
Jährlich ein Gesüffel und Gesressel.
Hier ward jeder Bankdefekt versteckt
Mit getrüffeltem Kapaun und Sekt.
Auch mit mancher sittlich festen Zeitung
Stand er in Verbindung —
Golddrahtleitung —,
Diese rühmten dann die sichre Bank
Theils aus Ueberzeugung, theils aus Dank.
Aber böse, blaue Männer sielen
Linmal über diesen Glücksmobilen,
Weil er in öem corriger fortune
Schließlich ward zu unvorsichtig kühn.
Da das Geh'n er nicht vertragen
Konnte, ward er in dem grünen Wagen
Nach dem Kriminalgericht gebracht;
Dort erholte er sich manche Nacht.
Zn den Mittagspausen liest er Nietzsche
Sanft gesiegelt auf der Pritsche.
Neben ihm auf einer Kokosmatte
Spielt dann eine allerliebste Natte.
Fr. O.
flßei Duwell*)
Don eine alde Frankforder
Das Ehepaar Lsrobedo, Meriko, vertrug sich so
schlecht, daß Mann und Frau sich entschloffen, dem
ewigen Unfrieden durch ein Duell ein Ende zu machen.
Sie schaffen gleichzeitig: die Frau war sofort todt, der
Mann tödtlich verletzt.
Ei, sollt mer's dann for möglich Halde!
Des is gewiß e Schwimiel, gell?
Daß so e Kerl mid saaner Alde
Hat ausgefochde e Duwell.
Daß der die Ford'rung aagenomme,
Des zeugt grad net von Judellekt.
Mei Md, die sollt mid so was komme,
Der hätt' ich's odder schee geschdeckt.
Brennts mol bei der im Owerschdibbche,
Da krieht se aane uff ihr Schnut,
Ich haach er aafach uff ihr Dibbche,
- Un daun — dann san mer Widder gut.
*) Duell.
3Clegen fflacedonten
Ferdinand: Hau her, wenn Di traust!
Sultan: Hau z'erst her, wenn Di traust!
530
1903
Mage um Oertel,
der im Wahlkreise Freiberg gegen den Sozialisten
Schutze unterlegen ist
Nun führt ihn die Walküre ein, die blasse,
Nach Walhall als Einherier.
Da steht schon R o e si cke und Schrempf und Hasse
Und Lucke und manch andrer Herr.
Weia, da trifft er manch andern Gespan,
Heia, da steht auch der schweigsame Hahn!
Wie führte er die Klinge, — hei —, die scharfe,
Im Streit mit manchem rochen Schuft.
Doch mit der andern Hand schlug er die Harfe
Und sang von Lieb' und Lenzesdust.
Oertel, du warst ein Sänger und Held.
Wehe, nun hat dich der Tod gefällt!
Uro patria decorum est et dulce
Mori, — das ist des Helden Ziel.
Doch mußte es durchaus denn sein ein Schulze,
Von dessen Hand ein Oertel fiel?
Konnt's nicht von Vollmar wenigstens sein?
Schulze', ach Schulze, wie klingt das gemein!
Allein wenn andre Männer stöhnen
Ob der verlornen Unglücksschlacht,
Dem Dichter bleibt die Tröstung der Kamönen;
Er schlägt die Leier und er lacht.
Oertel auch dichtet ein duftiges Sonett
Ueber den Durchfall im Wahlkloset.
Frido
Her fleck
Auf dem „Saturn“ wurde von den Astronomen
ein großer weißer Fleck entdeckt, dessen Auftreten zur
Zeit nicht erklärt ist.
Da haben nun die Gelehrten
Schon wieder 'was Neues entdeckt;
Sie fanden den ehrenwerthen
Saturnus weißgefleckt.
Nun sitzen mit langen Gesichtern
Bei Mond- und Sternenfchein
Sie vor den ewigen Lichtern
Und sinnen: was mag das fein?
Was geht an dem Sternenleibe
Dort vor im Firmament?
was soll diese glänzende Scheibe
Auf diesem Rugelsegment?
Meine Herrn, ich find es am Platze,
Daß ich die Sache erklär':
Das ist einfach seine Glaye,
Er ist ja ein uralter Herr!
A. I>e Nora
. JUGEND .
Sächsische Elegie
An König Georg hat der in Bauyen gewählte
antisemitische Reichstagsabgeordnete Grafe im verein
mit seinen Gesinnungsgenossen am Abend des Stich-
wahltages folgendes Telegramm gerichtet: „Lurer
Majestät senden 100 treue Sachsenherzen Gruß und
Treuegelöbniß für alle Zeit aus der vom Leinde un-
gebrochenen Leste des Sachsenlandes. Die Lausitz halt
die Treue! Heil! Grafe» Reichstagsabgeordneter.“
Darauf ist» wie die Bautzener Rachrichten mittheilen,
folgendes Antworttelegramm des Königs eingelaufen:
„Reichstagsabgeordneten Grafe, Bischofswerda. Heute
früh Ihr Telegramm erhalten, freue mich herzlich
über Ihren Sieg und den Sieg der guten Sache in
Ihrem Wahlbezirk. Georg.“
Hundert dreie Sachsenherzen
Is das nich ä bischen wenig? --
Zindeten der Liebe Gerzen
Neilich an fir ihren Geenig.
Dräsen, Leipzig, Borna, Bernes
Zabbelten im roden Meere;
Bautzen nur, der Schtern der Schterne,
Schiyte Vaterland und Ehre!
während rings des Volkes Hefe
Sich gebläht zum Herrn im Reiche,
Spielt der wackre Ritter Gräfe
Jetzt den Hecht im Karpfenteiche;
Schnappt mit seiner großen Schnauze
Juden, Rothe — welch' Geheilei
Hurrahl Hochl Es läwe Bauyen
Und die neie Ordnungsseilei
Jetzt, wo wie am wahldag neilich
Alles sich der roden Macht beigt,
Sei sie allen Sachsen heilig,
Sie, die von verschwund'ner Pracht zeigt!
Denn schon ieber Nacht — es wergt^) mich,
wenn ich's sagen soll, am Herzen —
Denn schon ieber Nacht — so fercht'ich —
werd' ooch noch die eene schterzen.^)
Cri-Cri
x) Pirna, 2) würgt, 8) furcht, 4) stürzen.
fall IZüssener
Das Oberkriegsgericht milderte in der Re-
visionsverhandlnng des Falles Hüssener die
Gefängnißstrafe zu zweijähriger Festungs-
haft ab. — Wann wird die obligate Be-
gnadigung erfolgen?
Dacbdrucfc verboten!
Das Konstanzer Zentrumsblatt will die dortigen
Katholiken auf sehr praktische Weise zum Abonniren
zwingen: sie versieht die Gottesdienstordnung für
die katholischen Kirchen mit dem Vermerk: „Nach-
druck verboten," denn das Blatt bildet <sich ein,
dann dürfe sie die nationalliberale Konstanzer Zeit-
ung nicht drucken. — Sehr gut! Am Ende hätte
sich gar so ein nationalliberaler Ketzer in die Kirche
verirrt und dann hätte das ganze Gotteshaus aus-
- geräuchert werden müssen.
Bülow und Magner
„Ich bin auch in Bayreuth gewesen, aber nur
um glühende Wagnerianer dorthin zu begleiten. Ich
„ bin ein Musikunverständiger geblieben; alle Musik
ist mir gleichgiltig. . . .“
(Sraf Bülow zum Redakteur des „ßaulois“)
Daß auch der Kanzler Wagner nicht mag,
Haben wir neulich gelesen,
wie's kommt? Man haßt eben in Berlin
Alles geräuschvolle Wesen! Cvl-Crl >
Der Bankdirektor
Täglich fuhr der Lhef mit seiner Zucka
Zu der schönen, parfümierten Succa,
Liner verni-Balleteusenratte,
Die er lieber als sein Weibchen hatte.
Mt dem Aufsichtsrat gab es bei Dresse!
Jährlich ein Gesüffel und Gesressel.
Hier ward jeder Bankdefekt versteckt
Mit getrüffeltem Kapaun und Sekt.
Auch mit mancher sittlich festen Zeitung
Stand er in Verbindung —
Golddrahtleitung —,
Diese rühmten dann die sichre Bank
Theils aus Ueberzeugung, theils aus Dank.
Aber böse, blaue Männer sielen
Linmal über diesen Glücksmobilen,
Weil er in öem corriger fortune
Schließlich ward zu unvorsichtig kühn.
Da das Geh'n er nicht vertragen
Konnte, ward er in dem grünen Wagen
Nach dem Kriminalgericht gebracht;
Dort erholte er sich manche Nacht.
Zn den Mittagspausen liest er Nietzsche
Sanft gesiegelt auf der Pritsche.
Neben ihm auf einer Kokosmatte
Spielt dann eine allerliebste Natte.
Fr. O.
flßei Duwell*)
Don eine alde Frankforder
Das Ehepaar Lsrobedo, Meriko, vertrug sich so
schlecht, daß Mann und Frau sich entschloffen, dem
ewigen Unfrieden durch ein Duell ein Ende zu machen.
Sie schaffen gleichzeitig: die Frau war sofort todt, der
Mann tödtlich verletzt.
Ei, sollt mer's dann for möglich Halde!
Des is gewiß e Schwimiel, gell?
Daß so e Kerl mid saaner Alde
Hat ausgefochde e Duwell.
Daß der die Ford'rung aagenomme,
Des zeugt grad net von Judellekt.
Mei Md, die sollt mid so was komme,
Der hätt' ich's odder schee geschdeckt.
Brennts mol bei der im Owerschdibbche,
Da krieht se aane uff ihr Schnut,
Ich haach er aafach uff ihr Dibbche,
- Un daun — dann san mer Widder gut.
*) Duell.
3Clegen fflacedonten
Ferdinand: Hau her, wenn Di traust!
Sultan: Hau z'erst her, wenn Di traust!
530
Frido: Klage um Oertel
Cri-Cri: Bülow und Wagner
A. De Nora: Der Fleck
Fr. O.: Der Bankdirektor
Monogrammist Frosch: Wegen Macedonien
[nicht signierter Beitrag]: Illustration zum Gedicht "Der Fleck"
Der alde Frankforder: Mei Duwell
Cri-Cri: Sächsische Elegie
[nicht signierter Beitrag]: Nachdruck verboten!
[nicht signierter Beitrag]: Fall Hüssener
Cri-Cri: Bülow und Wagner
A. De Nora: Der Fleck
Fr. O.: Der Bankdirektor
Monogrammist Frosch: Wegen Macedonien
[nicht signierter Beitrag]: Illustration zum Gedicht "Der Fleck"
Der alde Frankforder: Mei Duwell
Cri-Cri: Sächsische Elegie
[nicht signierter Beitrag]: Nachdruck verboten!
[nicht signierter Beitrag]: Fall Hüssener