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19U3

J UGEND

Nr. 30

•Hbtctyied*)

Zwischenspiel in Frankfurter Mundart

von Ulalter Hegbaur

Personen: Andreas Baus.

Frau Jung.

Katherine Jung.

Wohnstube eines Bauernhauses in einem Vororte Frank-
furts. Im Hintergrund die anstoßende Küche. Thür und
Fenster nach dem Hofe. Auf einem Stuhle eine geöffnete
Reisetasche.

Andreas, Student und Sommergast, schreibt
an einem kleinen Tische.

Katherine hantirt lärmend in der Küche. Ein
junger Hahn springt vom Hofe aufs Fensterbrett
und kräht: „Kegeregeä!" Andreas bespritzt ihn
unwillig mit Tinte. Ein Huhn gesellt sich zu dem
Hahn: „Gluck — gluck — gluck." —

Andreas (ruft): Katherine!

Katherine (kommt in Holzpantinen mit der
Fuhrmannspeitsche polternd aus der Küche ange-
trappt und verscheucht die Hühner): Kätsch! kätsch!
(Peitscht auf den Hof hinaus.)

Andreas (schreibend): Du machst mehr Lärm
wie die Hühner, kleine Katherine!

*) Ten Bühnen gegenüber Manuskript.

Katherine (bemerkt die Reisetasche und stößt
einen Schrei aus).

Andreas: Ja, ja, Mädel, heute geht's fort!

Katherine: Ei, Se schreibe ja noch!

Andreas: Eben bin ich fertig (ordnet seine
Papiere und steckt sie in die Reisetasche).

Katherine (bittend): Bleibe Se bis morje.
Da is mei Geburtstag.

A n d r e a s: Ah! Wie alt wirst Du denn, Katherine ?

Katherine: Sechzeh Jahr. Des iseLangweil,
bis mer groß is!

Andreas: Alle Welt will jung sein! Hast Du
mir nicht selbst gesagt, junge Hühner legen die besten
Eier?

Katherine: Alt Kieh gewwe die best Milch!

Andreas (erstaunt): So? Und unsere alte
Life?

Katherine (wegwerfend): A die! — gebt kaan
Droppe Milch.

Andreas: Siehst Du!

Katherine (verächtlich): Die kalbt a net.

Andreas: Das ist aber Unrecht.

Katherine (vertraulich): Se maach de Bull net.

Andreas (ablenkend): Dein Geburtstagsge-
schenk erhältst Du aber doch.

Katherine: Des hat kaan Werth.

Andreas: Wie?

Katherine: Ma Mutta nemmt des glaach an sich.

Andreas: Es bleibt Dir aber doch! Du hast

Hans Thoma (Karlsruhe)

Dich für mich abgeschunden, bist gelaufen — trotz
Deiner wunden Füße. Wahrhaftig! Das verdient
eine Extra-Anerkennung.

Katherine (bittend): Gehe Se morje frieh um
a sechs mit uff die Wies.

Andreas (lachend): Ah! Damit ich mir wieder
beim Grasschneiden die Sichel in die große Zehe
renne! Das wär nicht Passiert, .hättst Du mich
nicht — „gestummt." — Und was thun wir „uff der
Wies?"

Katherine: Da sin mer allei.

Andreas: Ich reise ja in einer halben Stunde!

Katherine: WennSe fortsin: die Ziege wern
sich nach Ihne umgucke!

Andreas: Hab' ich nicht gut für sie gesorgt? —
Es sind aber auch so treue Thiere! — Thut es Dir
eigentlich leid, daß ich gehe?

Katherine: Des glaab ich net.

Andreas: Wirst Du mir einmal schreiben,
wie es hier im Winter aussieht? Was die Kühe
machen, und die Ziegen und die Hühner —

Katherine: Vom Geschreibse halt ich wenig.

Andreas: Kannst Du schreiben?

Katherine: Wie mas nemmt. Nachbars Lis-
beth dhet mich gleich unnerweise!

Andreas: Kann die schreiben?

Katherine: Ohooih! Die schreibtLiewesbrief!

Andreas: So?

Katherine: Die hat a schon e Kind.

53*
Register
Walther Negbaur: Abschied
Hans Thoma: Am Weiher
 
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