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1903


Nr. 37

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1903

MlssstantNungssKanaale

Die deutsche Militärverwaltung hält
es für angemessen und möglich, das deutsche
und ausländische Publikum diese furchtbar
peinlichen, die Nation entehrenden und das
heilige Institut der allgemeinen Wehrpflicht
schändenden Mißhandlungs-Skandale als stän-
diges Gericht verdauen zu lassen. Sie scheint
die naheliegenden Rückschlüsse auf die Dis-
ciplin im Heere und auf die Achtung, welche
sie dem theircrsteu Besitze jedes Staatsbürgers,
den Söhnen und Vertheidigern des
Vaterlandes, enkgegenbringt, — sie scheint
diese internationalen Rückschlüsse so wenig wie
die Kritik im Reichstage und in der Presse zu
fürchten. Sie scheint keine Ahnung von der
schrecklichen Schädigung zu haben, welche
durch diese Skandale dein Reichsgedanken und
dem guten Glauben an die Monarchie zu-
gefügt wird, und wie aller Patriotismus der
Idealisten unter der Wucht dieser Skandale
zu eitel Sand verrieben und den Bestrebungen
der Staatspessimisten Vorschub geleistet wird.

Ich meine nämlich, daß diese Skandale
sich in der That vermeiden lassen, rvenn
man dem guten Willen, an dem es gewiß
in den höchsten Stellen nicht fehlt, die erfor-
derliche Einsicht zugesellt. Diese aber ver-
langt eine Betrachtungsweise, für welche die
Voraussetzungen leider nicht überall gegeben
sind, da es sich hier, wie ich glaube, um psy-
chopathische Erscheinungen unseres Volks-
charakters handelt, die auch in der Schule und
im Alltagsleben zu Tage treten und natur-
gemäß nicht blos mit Strafandrohungen
zu behandeln sind.

Unter den in die Schule und später in's
Heer eintretendeu jungen Menschen befindet sich
bei uns Deutschen regelmäßig eine kleine Minder-
zahl von Energielosen. Woher sie diese
Schwäche haben, mag hier unerörtert bleiben;
erbliche Belastung, alkoholische Degeneration,
Folgen schwerer Krankheit, Rhachitis, Jugend-
psychosen, frühzeitige Ausschweifungen u. dgl.
mögen dabei in Betracht kommen. Schon in
der Schule und in der Berufslehre haben
diese Unglücklichen unsäglich viel zu leiden;
ihre Einreihung in's Heer aber setzt sie, nament-
lich wenn sie auch sonst arme Teufel sind, ge-
radezu der Vernichtung aus. Denn da die
militärische Discipliu auch dem ungebildet-
sten Vorgesetzten eine nahezu unbeschränkte
Gewalt und somit die Möglichkeit ver-
hängnißvollen Mißbrauchs verleiht, so
bedarf es nur des unglücklichen Zufalls, daß
so ein armer Energieloser in die Hände eines
jener gleichfalls geistig defekten Roh-
linge fällt, um ihn zum Selbstmord zu
treiben. Dann ist der Kladderadatsch fertig,
das Kriegsgericht konstatiert 500, 1000 oder
1500 Fälle der scheußlichsten Mißhandlung, der
„teuflische Schurke" (vielleicht selber ein degene-
rierter Alkoholiker) wird — falls er nicht als
Offizier mit Stubenarrest davonkommt — zu
mehrjährigem Gefängnis; verurtheilt und die
rächende Nemesis wäscht ihre Hände in Unschuld.

Aber so kann und darf es nicht bleiben;
es muß unmöglich gemacht werden, daß der-
lei Stinkbeulen heute in Berlin oder Mörchingen,
morgen in München oder Brauuschweig sich ent-
wickeln und aufbrechcn; es muß anders wer-
den, das ist kategorischer Imperativ unserer
nationalen Würde. Das „Volk der Denker"
kann sich begraben lassen, wenn es vor der Be-

JUGEND



3s

Amerika in Müngen

Mr. Schenker, four tickets, please, for „The
Trust of Mister Nibelungen!“

kämpfung solcher ungeschlachter Roheiten stehen
bleibt wie der Ochs am Berge. Nur wird man
sich eben dazu bequemen müssen, den tiefer
liegenden Ursachen dieser, wie aller anderen
Roheitsdelikte nachzugehen.

Meine Anschauung, daß es sich sowohl bei
den Mißhandelten, als bei ihren Peinigern in
Schule, Berufslehre und Heer um geistig
defekte Individuen handelt, wird vielleicht
Manchem nicht eingehen. Und doch ist sie richtig.
Gewiß tragen auch schlechte Erziehung und so-
ziale Verlotterung viel zur Verrohung bei, ja
schon die Hegung feudaler Anschauungen, wie
sie in manchen hohen Kreisen gang und gäbe
ist, kann zu verwerflicher Mißachtung armer
Nebenmenschen verleiten, da die meisten Glücks-
pilze zu dumm sind, um das stolze „noblesse
oblige“ auch nur zu begreifen; — wie andrer-
seits Armuth und ererbte Hörigkeit leicht sklav-
ische Gesinnung und Feigheit züchten. Aber
immer erscheint auf dem Grunde der geistige
Defekt, hier das Unvermögen, das äußere
Verhalten mit den Erfordernissen des vor-
nehmen Dienstes und der persönlichen
Würde in Einklang zu bringen.

Nun bin ich weit entfernt, die Ungehörig-
keiten auf diesem Gebiete etwa durch psycho-
logische Entschuldigungen straflos machen zu
wollen, — im Gegentheil, gerade der geistig
.Defekte muß, wenn er nicht für das Irren
Haus reif ist, durch sehr energische Zucht-
und Strafmittel auf dem rechten Wege erhalten
werden, weil der Appell an seinen Verstand oder
sein Gemüth an eine vielleicht gar nicht vor-
handene Adresse gerichtet wäre. Das ist ja
eben das Wesen des „Defektes", daß das punc-
tarn saliens nicht da ist; da bleibt nichts
übrig, als Furcht vor empfindlicher Strafe zu
erwecken, und soweit als thunlich Vorbeug-
ung des Unheils durch entsprechende Beauf-
sichtigung und vor Allem dadurch, daß
inan den Zusammenstoß von Energielosen
und Rohlingen verhütet. Wenn der grausame
Unteroffizier Schinderhannes so gescheidt wäre,
bei seinen Vorgesetzten zu beantragen: „Bitte,
thuen Sie den Grenadier Schlappschwanz in
eine andere Korporalschaft, der Kerl reizt mich
durch seine Widerstandslosigkeit zu bestialischer
Rohheit" — ja dann wäre viel geholfen. Aber
so gescheidt sollten eben die Vorgesetzten selbst
sein, sie sollten ihre Pappenheimer genau
kennen.

Ich weiß wohl, daß die Forderung einer
psychologischen Prophylaxis im Militär-
dienst vielleicht noch mehr Schwierigkeiten be-
gegnet, als in der Schule und in der bürger-
lichen Berufslehre. Und doch gibt es keinen
anderen Weg zu gründlichem Wandel, als die
Menschen nicht nur nach ihrer Körperbeschaffen-
heit, sondern auch nach ihren geistigen Fähig-
keiten und Gemüthszuständen zu nehmen.
Zwar Derjenige, der einmal in einer Irren-
Heilanstalt war, ist vom Heeresdienste befreit;
aber für die zahlreichen Abstufungen geistiger
und sittlicher Schwäche, welche sich noch in
den Grenzen der sogenannten Normalität be-
wegen, gibt es kein Erkennen und — kein
Erbarmen. Wer fragt auch nur nach dem
Vorleben der Pflichtigen bei der Musterung
und Einstellung? Vielleicht der Militärarzt?
Oder der Hauptmann? Oder der Feldwebel?
Und doch wären alle drei zusammen im Stande,
die verfluchten Soldatenschindereien mit und
ohne Selbstmord gründlich auszurotten — wen»
nöthig, ziehe man die meistens recht verständige
Register
Willi Geiger: Amerika in München
Georg Hirth: Mißhandlungsskandale
 
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