Nr. 43
. JUGEND •
Der Vertraute von Allen, gab er Allen guten
Rath. „Gewiß sind Sie im Recht, lieber Herr-
Notar. Ich begreife auch, daß es für einen
Ehemann peinlich ist, wenn die Leute von seiner
Frau wissen, sie habe Krampfadern und stopfe
sich die Hüsten aus. Ja, wußten Sie nicht, daß
letzteres auch gesprochen wird?! Dann bedaure
ich wirklich sehr lebhaft — aber man spricht das
so nach — ich will übrigens gar nichts gesagt
haben —"
Oder: „Ich glaube, Herr Oberlehrer, daß
Sie sich über die Ursachen dieser beklagenswerthen
Feindschaft doch täuschen. Allerdings trägt man
Ihrer Frau nach, daß sie sich etwas zu viel
über ihre Freundinnen ausgelassen habe — aber,
mein Gott — das kommt doch unter Frauen
täglich vor! Aber sagen Sie mir doch, beruht
es auf Wahrheit, daß Ihre Frau früher ein
Dienstmädchen war? Nur eine Verkäuferin also?
Nun, da sehen Sie ja selbst wie diesen Leuten
nichts heilig ist! Ja, ja, ich sage Ihnen, ich habe
in der kurzen Zeit meines hiesigen Aufenthaltes
Erfahrungen gesammelt, die mich denken lassen!
Aber dem Frieden zuliebe-"
Um es kurz zu machen, es ging bald alles
drunter und drüber, und zu Mord und Tot-
schlag fehlte nicht viel. Ein böser Geist schien
in die Leute gefahren zu sein, der sie zwang,
sich gegenseitig die widerhaarigsten Seiten her-
vorzukehren. Vorbei die Zeiten, wo man ver-
eint dem Morgen entgegengezecht hatte, vorbei
Gesang und Tanz! Die ausdauerndsten Bier-
bankdrücker blieben zu Hause und knurrten mit
dem Eheweib. Es war, wie die Wirthe jammer-
ten, bald nimmer schön!
Im moralischen Sinn konnte man sich über
diese Wandlung nur freuen. Es kam doch wie-
der so etwas unter die Leute, was man ein
christliches Eheleben nennt. Man sah nach der
entsprechenden Zeit Weiber gesegnet gehen —
und es waren manche darunter, bei denen man
solches Hoffen schon aufgegeben hatte. Hart-
gesottene Junggesellen hatten ein Einsehen und
verlobten sich, so daß sogar der Gemeindearzt
seine zwei überreifen Hagebutten anbrachte.
Des freute sich nicht zumindest auch Ladis-
laus. Ein geheimes Siegergefühl schwellte manch-
mal seine Brust. Wie behaglich saß sicksts nun
bei der blonden Gusti, unbehelligt von lärmen-
den Festen. Er hielt es mit dem stolzen Römer
— aut Caesar, aut niliil —
Gusti hoffte. Frau Bezirksrichter — das
klang so schön — von ihren Freundinnen hatte
keine ein solches Glück gemacht. Ladislaus
schwieg sich zwar über diesen Punkt gründlich
aus, aber einmal müßte er doch sprechen. So
faßte sie sich denn in Geduld und fütterte ihn
einstweilen mit den besten Bissen.
Ich glaube, sie wartet heute noch.
Viel verlangt
Der kleinen Erna fällt das Butterbrod
auf die Erde, natürlich mit der gestrichenen
Seite nach unten; weinend läuft das Kind
zur Mama. Erzürnt wendet sich die junge
Kausfrau an die Köchin: „Ich muß Sie schon
bitten, daß Sie den Kindern das Butterbrod
nicht immer auf der verkehrten Seite
streichen!"
4
Graf Losel, wiü von Plafewitz. Kann in
Folge seiner hohen Gebnrt natürlich nur bei
Garde diene», ist aber zufällig körperlich et-
was zu klein gerathen. Ist infolgedessen krampf-
haft bemüht, sich durch kostümliche Verlänger-
ungen eine Gärdefignr zu geben.
Uebersetzung
eines leipziger Bürgerschülers
Les fr£res de mon pere et de ma mere sont
mes oncles.
Die Brüder meines Daters und meiner Mutter
sind Meßonkels.
1903
ONenes krietcksn
Meine Gnädige.! Sie wollen ergründen,
wie der Ihrige über die letzten Konsequenzen
der Eifersucht denkt? Nun, wenn Sie nur neu-
gierig und vor jedem Straucheln sicher sind,
dann rathe ich Ihnen: fragen Sie ihn doch
frank und frei! Allerdings sollten Sie dazu
einen schicklichen Moment wählen. Wenn es
sich aber nicht blos um einen „gesetzten" Fall
handelt, dann seien Sie vorsichtig. Gewiß ist
das Ideal der Liebe rückhaltlose Offenherzigkeit.
Aber in vielen Männern „schlummert" sozu-
sagen ein Pulverfaß, dessen Explosion sehr ge-
fährlich werden kann. Bevor Sie Sich mit
dem Streichhölzchen Ihrer Mittheilsamkeit dieser
Höllenmaschine nähern, untersuchen Sie ihre
Beschaffenheit. Bringen Sie so ganz von un-
gefähr die Sprache auf die indischen Wittwen,
die ihrem Eheherrn in den Tod folgen, oder
auf die Gatten, die ihre Frau enterben, falls sie
als Wittwe wieder heirathet und dergl. Man
kann nämlich die Männer in zwei Klassen ein-
theilen, solche, die, sich schon zu Lebzeiten mit
der Idee befreunden können, dereinst einen
Nachfolger zu erhalten, und solche, die sich
sogar im Grabe umdrehen, wenn dieser Fall
eintritt. Beide Klassen haben ihre Nuancen;
es gibt sogar Männer, die ihrer Frau den
Rath geben, nicht allzu lange Wittwe zu blei-
ben. Ich könnte Ihnen nur gratulieren, wenn
der Ihrige zu dieser Sorte gehörte; denn diese
tobten nicht, viel eher verzeihen sie, uni desto
inniger geliebt zu werden — was ja dann auch
wohl in der Mehrzahl der Fälle geschieht.
Wenn es Ihnen gelingt, in Ihrem Herrn und
Gebieter nicht nur den innigsten Freund, son-
dern auch Ihren veritablen Beichtvater zu
finden, dann haben Sie die Quadratur des
Liebeszirkels gelöst und nebenbei den Anspruch
auf meine Bewunderung errungen. Ich bitte
Sie, meine Gnädige, in Ihrem Interesse Sich
nicht auf mich berufen zu wollen, denn auch
die nachsichtigen Männer „erziehen" gern selbst
und sind mit Recht mißtrauisch gegen fremde
Klavierstimmer, wenn es sich um das temperirte
Empfindungsklavier der Geliebten handelt. In
größter Hochachtung Ihr ergebenster
G. H.
Immer Mensurstudent
Louleurstudent (zufällig Augenzeuge,
wie seine Zimmcrvermieterin und ihr Gatte sich
prügeln): „Herr Meyer, ich konstatiere den ersten
,Blutigen'!"
Liebe Iugenck!
Der Herr Divisionskommandeur besichtigt
eine Aompagnie in der Instruction. Musketier
Soetebier, der im ersten Gliede steht, beob-
achtet mit Anfmerksainkeit, wie Gxcellenz sich
mehrfach am Halse kratzt. Plötzlich nehmen
seine Züge einen strahlenden Ausdruck an.
Dadurch wird Gxcellenz aufmerksam aus ihn
und sagt: „Nun, mein Sohn, worüber freust
Du Dich denn so?"
Soctebier: „Gxcellenz, eben ist er weg-
gehuppt! "
Aus dem
Bericht eines Gendarmen
Ter Beschuldigte gilt hierorts im allge-
meinen als sittlich und religiös; jedoch beides
nur in gemäßigtem Tempo.
. JUGEND •
Der Vertraute von Allen, gab er Allen guten
Rath. „Gewiß sind Sie im Recht, lieber Herr-
Notar. Ich begreife auch, daß es für einen
Ehemann peinlich ist, wenn die Leute von seiner
Frau wissen, sie habe Krampfadern und stopfe
sich die Hüsten aus. Ja, wußten Sie nicht, daß
letzteres auch gesprochen wird?! Dann bedaure
ich wirklich sehr lebhaft — aber man spricht das
so nach — ich will übrigens gar nichts gesagt
haben —"
Oder: „Ich glaube, Herr Oberlehrer, daß
Sie sich über die Ursachen dieser beklagenswerthen
Feindschaft doch täuschen. Allerdings trägt man
Ihrer Frau nach, daß sie sich etwas zu viel
über ihre Freundinnen ausgelassen habe — aber,
mein Gott — das kommt doch unter Frauen
täglich vor! Aber sagen Sie mir doch, beruht
es auf Wahrheit, daß Ihre Frau früher ein
Dienstmädchen war? Nur eine Verkäuferin also?
Nun, da sehen Sie ja selbst wie diesen Leuten
nichts heilig ist! Ja, ja, ich sage Ihnen, ich habe
in der kurzen Zeit meines hiesigen Aufenthaltes
Erfahrungen gesammelt, die mich denken lassen!
Aber dem Frieden zuliebe-"
Um es kurz zu machen, es ging bald alles
drunter und drüber, und zu Mord und Tot-
schlag fehlte nicht viel. Ein böser Geist schien
in die Leute gefahren zu sein, der sie zwang,
sich gegenseitig die widerhaarigsten Seiten her-
vorzukehren. Vorbei die Zeiten, wo man ver-
eint dem Morgen entgegengezecht hatte, vorbei
Gesang und Tanz! Die ausdauerndsten Bier-
bankdrücker blieben zu Hause und knurrten mit
dem Eheweib. Es war, wie die Wirthe jammer-
ten, bald nimmer schön!
Im moralischen Sinn konnte man sich über
diese Wandlung nur freuen. Es kam doch wie-
der so etwas unter die Leute, was man ein
christliches Eheleben nennt. Man sah nach der
entsprechenden Zeit Weiber gesegnet gehen —
und es waren manche darunter, bei denen man
solches Hoffen schon aufgegeben hatte. Hart-
gesottene Junggesellen hatten ein Einsehen und
verlobten sich, so daß sogar der Gemeindearzt
seine zwei überreifen Hagebutten anbrachte.
Des freute sich nicht zumindest auch Ladis-
laus. Ein geheimes Siegergefühl schwellte manch-
mal seine Brust. Wie behaglich saß sicksts nun
bei der blonden Gusti, unbehelligt von lärmen-
den Festen. Er hielt es mit dem stolzen Römer
— aut Caesar, aut niliil —
Gusti hoffte. Frau Bezirksrichter — das
klang so schön — von ihren Freundinnen hatte
keine ein solches Glück gemacht. Ladislaus
schwieg sich zwar über diesen Punkt gründlich
aus, aber einmal müßte er doch sprechen. So
faßte sie sich denn in Geduld und fütterte ihn
einstweilen mit den besten Bissen.
Ich glaube, sie wartet heute noch.
Viel verlangt
Der kleinen Erna fällt das Butterbrod
auf die Erde, natürlich mit der gestrichenen
Seite nach unten; weinend läuft das Kind
zur Mama. Erzürnt wendet sich die junge
Kausfrau an die Köchin: „Ich muß Sie schon
bitten, daß Sie den Kindern das Butterbrod
nicht immer auf der verkehrten Seite
streichen!"
4
Graf Losel, wiü von Plafewitz. Kann in
Folge seiner hohen Gebnrt natürlich nur bei
Garde diene», ist aber zufällig körperlich et-
was zu klein gerathen. Ist infolgedessen krampf-
haft bemüht, sich durch kostümliche Verlänger-
ungen eine Gärdefignr zu geben.
Uebersetzung
eines leipziger Bürgerschülers
Les fr£res de mon pere et de ma mere sont
mes oncles.
Die Brüder meines Daters und meiner Mutter
sind Meßonkels.
1903
ONenes krietcksn
Meine Gnädige.! Sie wollen ergründen,
wie der Ihrige über die letzten Konsequenzen
der Eifersucht denkt? Nun, wenn Sie nur neu-
gierig und vor jedem Straucheln sicher sind,
dann rathe ich Ihnen: fragen Sie ihn doch
frank und frei! Allerdings sollten Sie dazu
einen schicklichen Moment wählen. Wenn es
sich aber nicht blos um einen „gesetzten" Fall
handelt, dann seien Sie vorsichtig. Gewiß ist
das Ideal der Liebe rückhaltlose Offenherzigkeit.
Aber in vielen Männern „schlummert" sozu-
sagen ein Pulverfaß, dessen Explosion sehr ge-
fährlich werden kann. Bevor Sie Sich mit
dem Streichhölzchen Ihrer Mittheilsamkeit dieser
Höllenmaschine nähern, untersuchen Sie ihre
Beschaffenheit. Bringen Sie so ganz von un-
gefähr die Sprache auf die indischen Wittwen,
die ihrem Eheherrn in den Tod folgen, oder
auf die Gatten, die ihre Frau enterben, falls sie
als Wittwe wieder heirathet und dergl. Man
kann nämlich die Männer in zwei Klassen ein-
theilen, solche, die, sich schon zu Lebzeiten mit
der Idee befreunden können, dereinst einen
Nachfolger zu erhalten, und solche, die sich
sogar im Grabe umdrehen, wenn dieser Fall
eintritt. Beide Klassen haben ihre Nuancen;
es gibt sogar Männer, die ihrer Frau den
Rath geben, nicht allzu lange Wittwe zu blei-
ben. Ich könnte Ihnen nur gratulieren, wenn
der Ihrige zu dieser Sorte gehörte; denn diese
tobten nicht, viel eher verzeihen sie, uni desto
inniger geliebt zu werden — was ja dann auch
wohl in der Mehrzahl der Fälle geschieht.
Wenn es Ihnen gelingt, in Ihrem Herrn und
Gebieter nicht nur den innigsten Freund, son-
dern auch Ihren veritablen Beichtvater zu
finden, dann haben Sie die Quadratur des
Liebeszirkels gelöst und nebenbei den Anspruch
auf meine Bewunderung errungen. Ich bitte
Sie, meine Gnädige, in Ihrem Interesse Sich
nicht auf mich berufen zu wollen, denn auch
die nachsichtigen Männer „erziehen" gern selbst
und sind mit Recht mißtrauisch gegen fremde
Klavierstimmer, wenn es sich um das temperirte
Empfindungsklavier der Geliebten handelt. In
größter Hochachtung Ihr ergebenster
G. H.
Immer Mensurstudent
Louleurstudent (zufällig Augenzeuge,
wie seine Zimmcrvermieterin und ihr Gatte sich
prügeln): „Herr Meyer, ich konstatiere den ersten
,Blutigen'!"
Liebe Iugenck!
Der Herr Divisionskommandeur besichtigt
eine Aompagnie in der Instruction. Musketier
Soetebier, der im ersten Gliede steht, beob-
achtet mit Anfmerksainkeit, wie Gxcellenz sich
mehrfach am Halse kratzt. Plötzlich nehmen
seine Züge einen strahlenden Ausdruck an.
Dadurch wird Gxcellenz aufmerksam aus ihn
und sagt: „Nun, mein Sohn, worüber freust
Du Dich denn so?"
Soctebier: „Gxcellenz, eben ist er weg-
gehuppt! "
Aus dem
Bericht eines Gendarmen
Ter Beschuldigte gilt hierorts im allge-
meinen als sittlich und religiös; jedoch beides
nur in gemäßigtem Tempo.
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
G. H.: Offenes Briefchen
Hans Fritsch: Graf Loschwitz
[nicht signierter Beitrag]: Übersetzung eines Leipziger Bürgerschülers
[nicht signierter Beitrag]: Aus dem Bericht eines Gendarmen
[nicht signierter Beitrag]: Immer Mensurstudent
[nicht signierter Beitrag]: Viel verlangt
G. H.: Offenes Briefchen
Hans Fritsch: Graf Loschwitz
[nicht signierter Beitrag]: Übersetzung eines Leipziger Bürgerschülers
[nicht signierter Beitrag]: Aus dem Bericht eines Gendarmen
[nicht signierter Beitrag]: Immer Mensurstudent
[nicht signierter Beitrag]: Viel verlangt