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In Straßburg

(Zum Titelblatt: „Der junge Goethe")

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Meister Erwins köstlichem Vau
Zu Straßburg war es. Jn's Aetherblau
Schoß wie ein Springquell aus purpurnem Stein
Der schlanke Münsterthurm hinein,

Wie ein gefrorener Orgelton —

Mir wurde die Seele weit davon!

Der Abend sank. Zum höchsten Knauf
Kroch grauer Schatten langsam auf,

Verlöschte die letzten glühenden Lichter —

Und neben mir stand ein junger Dichter,

Der sagte: „Bist Du denn noch nicht fertig?
Hier zieht es entsetzlich gegenwärtig!

Und dann bin ich auch auf die Gothik bös,
Mich machen die vielen Spitzen nervös,

Das viele Gekribbel von Schnörkeln und Schnecken,
Die schrulligen Männchen an allen Ecken,

Und Spukgestalten verschollener Fabel!

Bloß die Beleuchtung find' ich passabel:

Dies kranke Rosa, das müd' und sacht
Hinstirbt im brünstigen Kuß der Nacht!"

Flugs zog er ein Büchlein aus der Tasch,
Notierte das „sterbende Rosa" sich rasch.

Hat fester sein Kittlein zugeknöpft

Und wankte nach Hause, zum Tod erschöpft...

Gottlob! Nun war ich den Ekel los!

Sah wieder das Kunstwerk, rein und groß,

Und mußte gedenken mit einem Schlag
An Jenen, der auch hier der Andacht pstag
Und mit beseligtem Staunen fand,

Wie Größe mit Anmuth sich da verband.

War er doch selber, dem Münster gleich,

Zumal an Größe und Anmuth reich,

Herr Wolfgang Goethe, von dem wir lesen,
Wie er in Straßburg hier jung gewesen,

Wie er gestürmt hier und gerungen,

Gebechert,, geküßt hat und gesungen;

Wie das Herz ihm von künftigen Thaten schwoll,
Vor Fülle kaum wissend, was werden soll;

Wie, trunken von schimmernder Lebenspracht,

Er alles Schöne sich eigen gemacht,

Den holdesten Liebestraum gelebt,

Der je eines Jünglings Herz durchbebt;

Wie er heute in jauchzendem Uebermuth
Austollte das heiße, schäumende Blut
Und morgen sich wieder im Zügel gehalten
Und wieder gelauscht und gelernt bei den Alten,
Und zu des Tagewerks nüchterner Pflicht
Zurückgefunden, ernst und schlicht —

Gesund und blühend an Mark und Geist,

Ein Vorbild für Alles, was Jugend heißt,
Dir, deutsche Jugend, Dir zumeist!

So dacht' ich und dachte es laut beinah',
Als ich das Münster im Dämmer sah.

Und langsam lenkte ich heim den Schritt,

Wie Einer, der heiligen Grund betritt.
Ehrfürchtig sah ich mich um im Kreis,

Wie Einer, der Geister um sich weiß.

Und war entrückt aus dem Lärm der Welt,
Wie Einer, der heimlichen Festtag hält!

fritj von Ostini

P. Kulhavy (Leipzig)
Register
Fritz Frh. v. Ostini: In Straßburg
Pepi Kulhavy: Zierrahmen
 
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