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UGEND

1S03

Mit geschlossenen Lidern

Sonst, wenn mein Herz in Liebe sich verzehrte
Und ich die Lider schloß, ihr nah zu sein,

Sah ich die Liebste, mädchenhaft und rein,

Daß ich mein Sünderherz zur Buße kehrte.

Voll strenger Zucht erschien mir die Verklärte,

So keusch, wie treu. Bis in den Schlaf hinein
Umstrahlte mich der Liebe Heiligenschein,

Daß selbst dem Traum der Keuschheit Engel wehrte.

Auch setzt schließ' ich die Lider: seliges Dämmern,
Draus schlank und weiß der schönste Körper lacht!

O warmer Marmor, drin die Pulse hämmern!

Die Lider preß' ich zu: O Lichtgefunkel!

Hell strahlt ihr Leib und lockend durch die Nacht!
Und wär' ich blind, wär' selig doch mein Dunkel!

yugo Salus

Aohan's (Laufe

von Crinhulo

Mett zwei Jahren wohnten wir auf einem Flur. vr. Siegfried Lohan,
Walter Rhode und ich. Alle drei königlich preußische Gberlandes-
gerichtsreferendare.

Lohan und ich schwuren zum alttestamentarischen Glauben, während
Rhode Christ war.

Als Zimmernachbarn und Lollegen waren wir miteinander bekannt
geworden. Rhode und ich wurden bald gute Freunde. Der kleine Lohan
schloß sich uns an und hing wie eine Klette an uns.

Ich hätte mir Lollegen Lohan als privatverkehr längst abgeschafft,
aber Rhode, der zu einer gewissen sentimentalen Rücksichtsnahme und Freund-
schaftsduselei neigte,— für Lohan nannte er es „Erziehungsmöglichkeit"
— war dazu nicht zu bewegen.

Allerdings muß man anerkennen, daß Herr Lohan einige recht
schätzenswerthe Eigenschaften besaß.

vor allem konnte man ihn stets nach Herzenslust verulken. Auf alles
fiel er herein; alles nahm er ernst. Ganz harmlose Dinge nahm er wieder
übel und suchte uns mit großem Eifer und mit Miene verletzter Eitelkeit
auseinanderzusetzen, daß wir ihm bitter Unrecht thäten.

Dann war Herr Lohan pedantisch gewissenhaft, ganz wie es einem
preußischen Juristen zukommt. Gewissenhaft in seinem Berufe, gewissen-
haft im Privatleben. Nie hätte er etwas gethan, was über das „aner-
kannt Erlaubte" hinausging.

Drittens war er durchaus erfahren in allen Dingen, die mit der
Etiquette in Zusammenhang standen. Er konnte stets die richtige Aus-
kunft geben, in welchem Anzuge man zu erscheinen hätte, in welcher Zeit
man eine Visite schneiden müßte und wie man sich auf dem Parquet
der höchsten Aristokratie zu bewegen hätte.

Doch seine feinen,, gesellschaftlichen Manieren waren für ihn eigentlich
nur der Ouell innerer Leiden und Kämpfe. Sie ließen ihn das tragische
Moment seines Lebens nur um so bitterer empfinden. Denn Herr Lohan
war Jude, geboren in Tremeffen; aber Jude ohne Neigung und voll-
kommen wider willen.

Durch tausend Empfehlungen um die verzwicktesten Ecken herum war
es ihm wenigstens geglückt, in das Haus eines der ersten Kaufleute
der Stadt eingeführt zu werden. Kommerzienrath Müller gehörte zwar
leider zum Vorstände der freisinnigen Volkspartei, aber es verkehrten bei
ihm die angesehensten Leute der Stadt, und dann vor allem war er ein
echter Christ. Seitdem der kleine Lohan uns stolz von seinem neuen christ-
lichen Verkehr erzählt hatte, fragten Rhode und ich ihn mindestens ein-
mal am Tage, ob es wahr wäre, daß Müller von Juden abstamme, ob
auf den Gesellschaften dort wirklich die ganze Gemeinde versammelt wäre,
und ob er Müllers schon zu den hohen jüdischen Festtagen gratulirt hätte.

politisch nannte sich Herr Lohan „gemäßigt national-liberal." von
allen Menschenkategorien schätzte er Offiziere und Lorpsstudenten am höch-
sten. Er kannte die Zirkel und Farben sämmtlicher deutscher Lorps.

Das Duell erklärte er für ein heiliges Erbe, das uns unsere Ur-
ahnen hinterlassen hätten; allerdings könnten es nur echte, deutsche
Register
Walter Püttner: Erbitterter Kampf
Hugo Salus: Mit geschlossenen Lidern
Trinkulo: Cohan's Taufe
 
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