Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 51

J U GEN D

1903

Der Pufferer!

von Mtor» Trcihcrrn von Pcrfall

,'as Häusl lag in der „Klamm" zwischen dem
M Wasserfall und der Felswand eingeklemmt.
Es wurde das ganze Jahr über nicht trocken von
dem feinen Wasserstaub, der sich darauf nieder-
schlug. Allerhand die Feuchte liebendes Pflanz-
werk wuchs aus den Spalten des Felsens und
umgaukelte im ständig kühlen Luftzug das schwarze
Schindeldach, auf dein die Schwänime wuchsen.

Hans Eckert war der Erbauer. Die Billigkeit
des Grundes reizte ihn, als er die Schindelmachers-
tochter heirathete und die Nähe des Waldreviers,
in dem er sein Leben verarbeitete. Der ganze Berg
ein Wald, der hielt noch ein Dutzend Eckert aus,
und es wollte nicht der Erste kommen — grad ein
Mädl!

Das war ein arges Kreuz, es gab keine rechte
Arbeit dafür im Waldgebirg. So machte man
halt so einen halben Bnben daraus. Die Mutter
arbeitete in der Säge, aber das „Marei" war alles
zu zart dazu, — ganz blaß, grad als wie die Stein-
platten unter'm Fall aus dem Wasser schauen mit
dem grünlichen Schimmer, und das Haar nimmer
olono, schon bald weiß — und ganz sonderbare
Augen, blau und groß und alleweil naß, — das
ganze Dirndl halt grad als wenn man's aus der
Gump'n selber zogen hätt', die der Fall unterhalb
dem Haus gewühlt. Was willst mit so einer bei
der Holzarbeit, grad daß's zur Nahderin langl.

So wurde das Marei, mit den nassen Augen,
Nahderin und blieb so zart und blaß in den
dumpfen niederen Bauernstuben, in denen sie Tag
um Tag arbeitete.

Jetzt lag sie in der Kanimer im Häusl. Auf
ihren Wangen blühten schwächliche Rosen, auf ihrer
Stirn perlten ganz kleine Tröpfchen, und draußen
rauschte der Fall. Vor ihr saß ein junger Alaun
im schwarzen Talar und sprach von Schuld und
Sünde.

„Schau Marei, Du hältst halt fleißiger beten
sollen, daß Gott Dir die Kraft verleiht wider alle
Versuchung, von selber kommen wir nicht dagegen
auf, da sind wir alle schwache Menschen und in
Teufelsgewal», aber wenn Du's aufrichtig bereust
die schwere Sünd' —“ Der junge Mann wich dem
großen Blick aus, der sich auf ihn richtete.

Sie begriff es Nicht, das Sündhafte, von dem
er sprach, so sehr sie sich auch Mühe gab. Sie
hatte nur einmal im Leben ein Glück genossen,
das war damals mit dem Lenz, der sie so zärtlich
umwarb. Hinter jedem Busch stand er, aus jeder
Dämmmerung trat er, und wenn sie am Nähtisch
saß, war ihr Herz geschwellt davon. Dann kam's
immer wilder, immer süßer, — ein ganzer Hinimel,
in den sie trat aus den dumpfen Stuben — und
das war die Sünde, die sie bereuen sollt, — der
Mann muß's ja wiss'n, der hat's ja g'lernt all's
-was sie bereuen muß, wenn sie nicht ver-
dammt sein will in alle Ewigkeit — —

Und die Angst der Einfalt verzerrte ihre Züge.
„Ich bereu! Ich bereu'!"

Der junge Mann erhob die Hand zum Segen
— da ertönte ein wildes Geschrei nebenan.

Marei schnellte in die Höhe und stieß die Hand
des Mannes weg. „Mein Kind! I will mein
Kind!"

Die Mutter trat ein, das strampelnde Kind in
ihren derben Händen.

Marei ergriff es, drückte es an sick und warf
einen feindseligen Blick auf den jungen Mann vor
ihrem Bett, — dann ließ plötzlich ihre Kraft nach,
ihre Hand löste sich, die den Kindesleib gedrückt,
ihr Kopf fiel zurück.

Der junge Mann machte das Zeichen des
Kreuzes auf ihre Stirne. Marei lachte ihn sonder-
bar an; nichts mehr von Reue und Angst, eher
ein erhabener Hohn lag darin. Ihre Hände tasteten
noch einmal nach dem Kinde, — so starb Marei.

Der junge Mann senkte das Haupt, murmelte
ein Gebet und ging. Unter der Thüre traf er


Fidus

mit dem Hausherrn zusammen, dem Holzknecht
Eckert. Er hatte die Axt aus dem Rücken.

„Oho, der Geistli' schock"

„Deine Tochter ist eben gestorben, Eckert, als
gute Christin. Das ist die Hauptsache! Denk', es
war Gottes Wille so."

Der Eckert erwicderte kein Wort, nur ein bitteres
Gesicht machte er, wie er es machte, wenn er ein
widerspenstiges Vuchenscheit klibte, — dann trat
er in die Kammer, vor die Todte, bekreuzigte sich,
nickte zweimal mit dem Kops- Der Kleine schrie
hinten auf im Bett. Da sah sich Eckert um. Die
Alutter brachte ihm schluchzend das Kind. „Da
hast dei' Schaudck"

Der Eckert packte mit seinen braunen Fingern
den nackten Kiuderleib und hob ihn vor sich hin.
Es war ein stämmiger Bub, der sich ungeduldig
wand und schrie, massive Knochen, ein runder
derber Kopf, und Fäuste, so klein sie waren, viel-
versprechend. Der Eckert lachte, wie er nur eben
lachen konnte. „War uet aus, — Schandl Der
kommt mir grad g'leg'n!" Der Eckert warf einen
Blick hinüber auf die Todte, als ob er den Ein-
tausch abwägcn wollte. Er wußte, daß es der
Sohn des Lenz war, der aus dem Pusterthal
stammte. „Gel, Pusterer, Kloaner", fügte er, den
Buben schüttelnd, dazu. Dann nahm er ihn auf
den Arni, wandte sich zur Todten und betete das
Vater unser. Ter Fall gab seine Begleitung dazu.

Das war die Geburt des PusterersI

Der Wolfskopf ist zum Abtrieb bestimmt. Ge-
schlossener Buchenbestand; ein köstliches sonnen-
betupftes Blätterdach, darunter liegt der Ninden-
kobel der Holzkncchte, harzduftig! Baum stürzt
uni Baum unter dem Sausen des Geblätters,
dem Aechzen des Holzes; jedesmal ein dröhnen-
der Ausfall, unter dem der weiche Boden zittert.

Der Pusterer arbeitete, daß ihm die Glieder
dampften. Der Accord war günstig, das Wetter
gut, da heißt's sich daranhalteu!

Eben war ein Stamm gefallen. Der Pusterer
stand mitten im Geäst und schwang die Axt zum
Reinigen. Feuchtes, fast weißes Haar klebte an
der kantigen Stirne, die mächtige Brust ächzte
unter der Wucht des Hiebes, während die Beine
sich wie Säulen stemmten. Da bimmelt Geglückt
durch den Wald, ganz zerstreut, eine helle Stimme
wurde laut. „Je — hoe — gehst außa!
Hußl Huß!"

Der Pusterer wischte sich den Schweiß mit
dem Rücken seiner Hand und schaute- Eine Geiß
polterte heran, ein Zikl meckerte, ein Kalb blökte,
ein rothcs Röckerl tauchte aus, ein erhitztes Ge-

sicht, in das die Haarsträhne hingen, — Geiß
Kalb, Zikerl und Dirndl verwirrten sich in wilder
Jagd, in das Geäst und Geblätter. Das Dirndl
fluchte und schinipfte und kollerte über die Stämme,
bis vor den Pusterer, der die flüchtige Geiß an
den Hörnern hielt. Ein Kind fast noch, aber das
Röckerl mar gar kurz und die Stämme gar hoch
und die Aeste gar hoshaft - und der Pusterer
schaute und lachte und hielt immer noch die
schwarze Geiß an den Hörnern.

„Was laßt's denn net aus, Dalk, damischer!
Laßt's net aus!"

Der Pusterer schaute noch immer, in seinem
Leben hatte er so ein G'sichtl noch nicht gesehen
und grad das Trutzige drinn gefiel ihm so —
und die Arm wie aus Schmalz g'formt, und wie
der Spenzer prall saß.

„Wo roast denn nachher hin?" fragte er end-
lich ganz schüchtern, während er sich'gegen die
drängende Geiß stemmte.

„In Hinimi 'nauf, daß dir dein Verstand
abaschick'n."

Die Kleine schlug mit dem Stecken nach der
Geiß, der Pusterer torkelte zu Boden; bis er
wieder aus den Beinen stand, flatterte das rothe
Röckerl schon im Wald und spöttisches Gelächter
tönte herüber.

Dem Pusterer saß kein Hieb mehr den ganzen
Tag. Es war Samstag, also um 5 Uhr Feier-
abend. Der Marti, sein College, kam vom
obern Schlag.

„Was hast denn mit der Regerl von der
Föneralm g'habt?"

„I? I Hab' nix g'habt."

„I rath dir's a net, — a Luader is!"

„Sei so guat, — der Fratz" — meint' der
Pusterer.

„Gehst mit abi?" fragte der Marti.

„I? Ja, — glei, i komm' scho' nach, grad
mein' G'wand muaß i no' flickal" —

Der Alartl ging bergab, der Pusterer blieb.
Er flickte wirklich sein Gewand, er wollte wirklich
noch geben, aber das Gebimmel ging ihm nicht
ans den Ohren. — A Luader — das liabe Dirndl!
Aber bös san's, d'Alensch'n!

Die Föneralm lag gleich oberhalb. Daß er
nicht gleich drauf denkt hat, und so dumm fragen,
muß ihn ja für ein' halbcten Trottel halten! Das
peinigte ihn.

Er zog das Sonntagsgewand an, besichtigte
sich in dem kleinen Spiegelscherben an der Wand,
drehte das Schnurrbärtel auf und eilte dem Marti
nach. Vor dem Kobel blieb er stehen. — Grad
wcg'n dem Trottl — wenn er auf die Föner-
alm ging! — Der Marti geht guat allei'^— kann

ja a Milch hol'n-und morg'n is Sonntag!

Na nacher-ja, Herrgott, er kann do' auf

d' Alm geh'n, a ohne Ausred' —

So ging er auf die Föneralm.

Die Sonne war schon hinter der Schneide. Die
Almthür stand offen, das Regerl kochte den Vich-
trank im großen Kessel, die ganze Hütte war voll
Rauch.

„Grüß' Gott, Regerl!"

Das Dirndl wendete sich. „Jessas, Bna! Hast
Du im' derschreckt!" , u

„Das Hab' i net woll'n, — meiner Seel —
„Was hast denn nacher woll'n?"

„Grad a Mili -" .

„Grad a Mili! — Weißt, was i ma denk
Hab' ? Schopf'n möchst mi', weil i Di' so derblekt
Hab'

„I schöpf kei Mädl -"

„Fürchst da's?" Das Regerl sah ihn seltsam an-

„A net,-aber —"

„Was aber -?" . . „

„I wo aß net-hast a Mili?

„Mit Deiner Mili, — Weißkopfater! Das
Regerl gab ihm einen Klaps. „Magst an Caffee . _
„Gern, wenn D' mir an gibst! Alls mag i
von Dir."

„Geh', wirkst?" Das Regerl rückt die Pfanne
an das Feuer-
Register
Fidus: Der Schwarze
Anton Frh. v. Perfall: Der Pusterer
 
Annotationen