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Nr. 51

JUGEND

1605

^lngarisckes frieäensmomrment

Von Kassian Kluibenscbädl, Tmfelemaler

Leget hin die Deckel des Pultes und nehmt statt ihrer die elegische

Flöte zur Hand,

In den Armen liegen sich die feindlichen Parteien im Gulyas-,

Paprika- und Schweinezüchterland.

Nach einem allzu langen stürmischen Leben ist endlich die ungarische

Obstruktion verschieden,

Hoffentlich steht sie nicht so bald mehr auf und bleibt vorläufig

ruhen im Frieden!

während Kossuth der Vater einstmals debütierte als Spezialist

des Hochverrates,

Hat nunmehro seinen Erzeuger rehabilitirt der Sohn als Retter des Staates.
Es war schließlich keine Heldenthat, ein Ende zu machen- dem

grausamen Spiele,

Nachdem die Obstruktion ohnedies erreicht hat ihre sämmtlichen Ziele!
Als gewaltiges Monument ist auf ihr Grab, da sie verstarb nach

siegreichem Gefechte,

Gethürmt ein Riesenbau der verschiedensten neuen Rechte.

Selbst die Herrscherrechte der Krone wurden, um alle Forderungen zu erfüllen,
Lediglich als ein Ausfluß erklärt von des Volkes und des

Reichstags willen!

wir Oesterreicher dürfen darob nicht übermäßig trauern, sintemalen
Uns ja noch ein Recht verblieb: das Recht, für den Dualismus

auch fürderhin zu zahlen!

Ms gedenken Sie in nächifer
Zeit zu dichten?

Dem Zug der Zeit folgend, hat auch die
„Jugend" diese Frage an einige ihrer Mitarbeiter
und andere zeitgenössische Poeten gerichtet. Hier
in Kürze das Resultat dieser Enquete.

Herr Leutnant von versewitz schreibt uns:
Trage Gegensatz zu Bilse und Beyerlein Roman
im Busen, der trostlose Versunkenheit und
Verlotterung der Livilistengesellschaft in einer
Stadt schildert, wo Militär fehlt. Titel: „Ohne
die kleinste Garnison!"

Unsere geschätzte Mitarbeiterin die pfarrer-
kathl stellt eine Sammlung von Liebesliedern
unter dem weichklingenden Titel: „Rahmstrudel"
zusammen, zu welcher ihr Seelenfreund und Dienst-
herr der Schwarze Aujust eine geistsprühende
Einleitung geschrieben hat.

Margarete Beutler, die Dichterin der „Freien
Lieb^ und Mutterschaft" gedenkt, demnächst einem
neuen Liedercyklus: „In interessanten Um-
ständen" das Leben zu schenken, und arbeitet
ferner an einem lyrischen Drama: „Das Wochen-
bett," welches in einer Frauenklinik spielt.

Arthur Schnitzler hat eine Folge reizender
kleiner Liebesscenen, der „Ehe-Kettenbruch"
(oder „Ketten-Ehebruch" — der Titel steht
noch nicht ganz fest) fertig. Der Verein „Kinder-
lust", welcher sich mit dem Plane trug, die Scenen
aufzuführen, ist bereits von der Schulinsxektion
aufgelöst worden.

Herr Hugo von Hofmannsthal schreibt:
„wenn ich überhaupt Etwas dichte, dann Etwas
so Feingeistiges, das wie ein Schloß aus gespon-
nenem Glas ist, in dem todtwunde Herzen ver-
bluten; jedenfalls Etwas, das von der unüber-
windlichen Brutalität der menschlichen Sprache
ja doch wieder erdrückt wird! Uebrigens jeden-
falls nur ein Fragment! Ganzheiten sind roh!"

„Dolorosa" dichtet an einem Lyklus flam-
mender erotischer Ergüsse: „AnDippold!" Um
das Milieu zu studieren, beabsichtigt sie, drei Mo-
nate in einer in Dippoldschem Geiste geleiteten
Erziehungsanstalt zu verweilen.

Ein einstweilen noch ungenannt bleibenwollen-
der Ministerpräsident gibt eine Lollektion
gemüthlicher oberbayrischer Dialektdichtungen her-
aus unter dem Titel: „Bieg'n, bieg'n, nur
nöt brech'n!"

Herr Otto Erich Hartleben antwortet uns
per Postkarte auf unsere Frage: „Möglicherweise
einen Halkyonier."

Herr Felix Pilippi: Ein Drama: Der Fall
K w i l e c k a!

Oskar Blumenthal schreibt: was Abend-
füllendes zwischen zwei- und dreimalhunderttausend
Mark!

Herr Biedermeier mit ei lehnt die Beant-
wortung der Rundfrage mit den Worten ab:
Nur schwer vermöchte ich zu sagen,

Was man mit Nächstem von mir druckt? —
Ein Dichter muß die Leier schlagen,

So oft ihn seine Muse juckt!

Sobald mich diese hingerissen,
vollend' ich schleunigst ein Gedicht,

Doch wie? Was? Wann? int voraus wissen —
verzeihen Sie — das kann ich nicht! —

yinanzrekorm

Es gab ein Reich einst in der Welt
Und viele Einzelstaaren.

Das Reich, es brauchte Geld und Geld
Für seine großen Thaten.

Da seufzten alle Staaten schwer:
wo nehmen wir die Gelder her?

Und flehten laut und baten:

Finanzreform, Finanzreform!

<D komm' und hilf uns in der Noth,

Uns fehlt beinah' das täglich Brot.

Das Reich bot freilich jedes Jahr
Den Staaten goldne Gaben,

Doch wollte es matrikular
Sie doppelt wieder haben,
was nützt uns aller Ueberschuß,
wenn man ihn wiedergeben muß?

Uns kann nur eines laben:

Finanzreform, Finanzreform!

Schaff' Geld, und wenn's vom Teufel wär',
Denn uns're Taschen sind schon leer.

Es ward gepumpt und ward gepumpt
Mit dem Reichspumpenschwengel.

Nun aber ist's genug gelumpt,

Jetzt naht der Retter Stengel,
wie haben wir gestöhnt, geächztl
Er bringt, wonach wir lang gelechzt.

Gott segne diesen Engel!

Finanzreform, Finanzreform!

Nun bist du endlich, endlich da.

Stoßt an! Hurrah, hurrah, hurrah!

Doch was? Mein Gott, afft mich ein Trug?
Vertraut' ich falschen Signalen?

Ist es des ttibs noch nicht genug?

Beginnen neue (Uualen?

wer hätte das geglaubt? O weh,

Des Retters Stengel panacee
Heißt: Zahlen! Zahlen! Zahlen!
Finanzreform, Finanzreform I
O harr' ich nimmer dich geseh'n.

Bei dir muß man ja pleite gehn'!

Frido


Lichtpunkte aus dem „Drecknest"
München

„Alls was Recht is, aber daß in München
net überall pflastert is, hat do aa seine guat'n
Seiten. Erschtens geht ma hübsch woach, wann
Ina ausrutscht, fallt ma net hart, und drittens
spart ma de Kosten für a Ballet!"

Kikeriki!

In den „Münchner Reuest. Rachr." war letzter
Tage aus Anlaß einer Parlamentsverhandlung zu lesen,
daß gewisse politische Strafbestimmungen zwar be-
stünden, aber ständig übertreten würden, „ohne daß
ein Hahn der Obrigkeit danach kräht."

Unser Redaktionsdichter unterbreitet uns seine ab-
weichende Meinung in den nachfolgenden Zeilen:

Ein Handwerksbursche ficht sich fort
von einem zu dem andern Ort;

Doch dauert kurz nur dessen Freud',

„Es kräht der Hahn der Obrigkeit."

Zu Schnitzlers „Reigen" der „verein"

Lädt munter seine Gäste ein;

Doch Schädler: „Weh, die Sittlichkeit!"

„Es kräht der Hahn der Obrigkeit."

In einem Witzblatt, ganz versteckt,
ward harmlos Majestät geneckt;

Tiro, citissim’, unverweilt

„Ls kräht der Hahn der Obrigkeit."

Und so, wie hier, ist's überall
— Dies war nur je ein Beispielsfall,

An jedem Ort, zu jeder Zeit,

„Es kräht der Hahn der Obrigkeit."

Lieb Vaterland, sei wohlgemuth,

Gott gab's uns als besondres Gut:

„von Ewigkeit zu Ewigkeit,

Es kräht der Hahn der Obrigkeit."

Hi-lii

Der DofDräuhaus-Keilner

JfCCbtC Münchner Zchnaäerhüpfchen
ä la lllaääeraäalsch

Der Kladderadatsch bringt in seiner vorletzten Rüm-
mer „Münchner Schnadahüpfls von einem Berliner
Vollblut» die gleich folgendermaßen beginnen: „Im
Münchner Hofbräuhaus — Sind die Kellner (sic!)
gewitzt: — Statt des Biers wird die Kanne (!) —
Mit Schaum vollgespritzt (!!). Holdrio !"

So'n Schnaderhüpfchen, nanu,

Ih, dat is doch janz leicht!

Hör'n Sie bloß 'mal man zu!

Silentium! Schnadahüpferl steigt:

Im Hofbräu is' niedlich —

(„Niedlich" was? klingt famos?!)

— Da frägt janz jemietlich

Der Kellner: Mögst a Moß? Holdrio!

Un ik sage druff zum Kellner:

Ei, natürlichemank!

Da stellt er schonst 'ne Kanne
voll Schaum uff die Bank. Holdrio!

Dann hat er mir so schelmisch
Hihihihi! — anjeblickt!

Un da Hab' ik ihm zum Spaß

Hihihi — in die Beene jezwickt. Holdrio!

Da wurde er äußerst unjemietlich
Un nannte mir „a Viech",

Und sagte: Im HosNäu

Iiebts überhaupt keene Kellner nich! Holdrio!

Det kann doch, sag ik, Männeken,

Janz schnuppe mir sind,

Ob im Hofbräu 'n Kellner

Oder so 'ne olle Iambrineuse bedient? Holdrio!

Die Hauptsache is doch
Das Schnaderhüpfchen, nich wahr?

Und dat det coloffal echt is,

Is doch eenfach für jeden Berliner janz klar!
Holdrio! pfüh! Duliöh! Kikrikiki!

A.D.

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Hi-Hi: Kikeriki!
Monogrammist Frosch: Lichtpunkte aus dem "Drecknest" München
A. De Nora: Der Hofbräuhaus-Kellner
-g-: Was gedenken Sie in nächster Zeit zu dichten?
Frido: Finanzreform
Kassian Kluibenschädl: Ungarisches Friedensmonument
 
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