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1904

JUGEND

Nr. 2


Oer weiße ßabcmonfcl

Douglas Robinson (London)

Gin hohes iicd

Nun sing ich dir etn Lied nach

meinem Herzen,

Deß Flamme hoch und klar zum Himmel schlagt
lind was da welk und faul ist, uiederfegt
Gleich einem Frühlingssturmgesang im Märzen.

Nun sing ich dir ein Lied von Lust

und Schmerzen,

Darin ein Uebermuth und Trotz sich regt.

Wie er nur ein Titanenherz bewegt —

@tit hohes Lied, ein Lied von Götter-Schmerzen:

„Mich hat noch nie ein Erdenweib gebeugt,
Ich zog mich immer noch aus ihren Schlingen,
Und war sie auch von Satan selbst gezeugt.

Sieh her, mein Lieb, ich künde dir den Krieg:
Laß meine Kraft mit deiner Weibslist ringen,
Doch wisse, Teufelin: mein ist der Sieg."

Eudwig Scharf

Dem Einen

von Wilhelm Walther Krug

AMon Zeit zu Zeit überkommt die Menschheit
eine Müdigkeit, eine Erlahmung aller Kräfte:
sie erträgt die Kultur nicht mehr, sie leidet. Viel-
leicht hat sie Ursache dazu. Vielleicht ist der Odem
der Städte, der Dunst der Wissenschaften, die Fäul-
niß der Gedanken und Empfindungen so betäubend
und giftig geworden, daß es auch dem Rüstigen
und wohlgemutheil bett Athem versetzt. Man lebt
und handelt noch, aber mit abgewandtem Gesicht,
mit Ekel im Herzen; man zweifelt, verzweifelt;
skeptisch, schließlich höhnend beginnt man den Ver-
such der großen Negation: alles ist eitel; das Leben
ist nicht werth, gelebt zu werden; es wäre dem
Menschen besser, nicht geboren zu sein. . .

wird in solch unendlicher wüste die Stimme
des Einen noch gehört werden, welcher mit Emer-
son also reden wird: „Dem Dichter und weisen
sind alle Dinge befreundet und geweiht, alle Er-
lebnisse nützlich, alle Tage heilig, alle Menschen
göttlich. Der Dichter, der weise bist Du, bin ich,
sind wir alle: laß uns nur mit klarem Auge nur
uns schauell ulld wir werde,: Gottes Schönheit
erkennen . — wird in solch unendlicher wüste

ein Umfassender, einer, der frei ist von den Fesseln

eines Dogmas oder Berufes — denn wer von uns
ist davon frei! — den Geist noch lehren dürfen,
welcher in allem ist und alles schafft, das Wesen
der Dinge, welches uns die Welt erklärt und in
der That alle Tage heiligt?"

O lassen Sie uns nicht daran zweifeln! Er
wird kommen, er wird reden und wird gehört
werden. Diesem Dasein, das seinen Sinn verloren
hat, diesem Leben, das unendlich, verworren, un-
übersehbar scheint, wird er ein neues deutliches
Gesicht geben, ein inneres Licht, von dem aus
alles überstrahlt sein wird. Er wird zeigen, daß
das Leben so göttlich wie unfaßbar sei. Er wird
Dinge sagen, die unerhört scheinen, obwohl sie
nicht unerhört sind. Denn es konnnt nicht darauf
an, daß etwas unerhört ist; es koinmt darauf an,
wer dahinter steht. Man wird ihn nicht übersehen
können. Er wird kein leerer Idealist sein oder einer,
der schöne Worte macht und sonst nichts. Seine
Metaphysik wird kein Phantom sein. Sctii^ Op-
timismus keine klingende Schelle. Seine Ideale
werden aus realem Boden wachsen. Sein Werk wird
ein Aufruf sein zu einer allgemeinen Kultur, zur
Durchdringung aller Lebenszweige, zur Weckung
aller Kräfte, wir. die wir heute schon wissen, daß,
wie der Einzelne erst gebildet ist, wenn er sich be-
strebt, alle seine Sinne auszubilden und nichtnur ein
Torso zu bleiben, so auch die Gesellschaft ihre wahre
Kultur erst dann erreicht hat, wenn der Priester nicht

2)
Register
Wilhelm Walther Krug: Dem Einen
Douglas Robinson: Der weiße Bademantel
Ludwig Scharf: Ein hohes Lied
 
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