♦ ♦ ♦
R. M. Eichler
Bus dem [iciuterthcue
So kams
Meine schöne Mutter ging einmal
lieber blühende Wiesen zur Frühlingszeit,
Rings war es so still und feierlich,
Und ein Leuchten war über ihrem weißen Kleid,
Waren auf der Wiese viel Blumen bunt
Und ein Lächeln war um meiner schönen Mutter Mund.
Es war ein Traumen in Wald und Flur,
Da trat meine Mutter zu mir hin.
Und legte mir leise die Hand aufs Haupt —
Das wars, daß ich nur ein Dichter geworden bin.
Und ringsum war lichte Frühlingszeit,
Aber ein Leuchten lag ans meiner Mutter weißem Kleid.
I)amis I)oljscbuber
Der Slebenfchläfer
Lin Märchen von MgUZt ZttilMerg
^Kapellmeister Kreuzberg war ein Mann, der morgens zu schlafen
MH liebte, sowohl weil er abends im Orchester spielte, wie weil er mehr
als ein Glas Bier trank, ehe er heimging und sich niederlegte. Er hatte
wohl versucht, früher aufzustehen, aber er fand keinen Sinn darin. Suchle
er morgens einen Bekannten auf, so schlief der; wollte er Geld ans dic
Bank bringen, so war die geschlossen; wollte er sich Noten in der lllusik'
Handlung leihen, so war die nicht offen, und mußte er mit der Strasienbal'ii
fahren, so hatte die noch nicht zu verkehren angefangen; eine Droschke
konnte er so früh nicht bekommen, nicht einmal seinen Rap^-Schnups
taback, nichts konnte er so früh ausrichten. Daruin war er schließlich dabei
geblieben, morgens lange zu schlafen, und er konnte es ja machen, wie
er wollte.
Nun liebte er sowohl Sonne wie Blumen und Kinder; aber er durste
nicht auf der Sonnenseite wohnen, seiner feinen Instrumente wegen, denn
die behielten in sonnigen Zimmern nicht die Stimmung. Also miethete er
zum ersten April eine Wohnung, die nach Norden lag. Das machte er
genau aus, denn er trug einen Kompaß an der Uhrkette, und er wußte,
wo Abends der große Wagen stand.
Ja; und dann wurde es Frühling, und es wurde so warm, daß
es ein wirklicher Segen war, nach Norden zu wohnen. Das Schlafzimmer
lag neben dem Saal, und wo er schlief, hielt er es immer durch Per-
siennen kohlschwarz, aber im Saal waren keine persiennen, denn da waren
sie nicht nöthig.
So wurde es Vorsommer und grün. Der Kapellmeister hatte im Re-
staurant „paselhöhe" gegessen und getrunken, und schlief darum lange und
gut, besonders da das Theater just den Tag geschloffen hatte.
Indessen, er schlief wohl gut, aber es wurde so warm im Ziinmer.
daß er ein paar Mal erwachte oder sich wach glaubte. Einmal dachte er,
die Tapete brenne, aber das konnte der Burgunder sein, den er getrunken
hatte; einmal fühlte er etwas Weißes im Gesicht aber das war sicher
der Burgunder; und darum drehte er sich um und schlief wieder ein.
Dann stand er gegen halb zehn auf, kleidete sich an und ging ni
den Saal hinaus, um sich mit einem Glase Milch zu erfrischen, das
immer morgens bereit stand.
Aber es war heute nicht kühl im Saale; es war beinahe wann,
zu warm. And die kalte Milch war nicht kalt; sie war lauwann,
unangenehm lauwarm.
Der Kapellmeister war kein zorniger Mann, aber er liebte in allein
Ordnung. Darinn klingelte er nach der alten Luise, und da er seine
Ausstellungen die ersten fünfzig Male gefügig machte — so jprach ei
Luise in einem freundlichen, aber etwas bestimmten c^one an, als sie den
Kopf in die Thür steckte.
„Luise," sagte er, „Du hast mir lauwarme Milch gegeben."
„Nein, Patron," antwortete Luise, „sie war kalt, aber sie hat ge-
standen und ist warm geworden."
„Dann hast Du geheizt! Denn es ist warm im Zimmer."
Nein, Luise hatte nicht geheizt; und Luise zog sich gekränkt "
ihre Ecke zurück.
Es mochte mit der Milch hingehen, als aber der Kapellmeister iw
im Saale umguckte, wurde er traurig. Er hatte sich nämlich i™
Ecke am Piano einen Pausaltar gebaut, der aus einem kleinen Tlsch
stand mit zwei silbernen Leuchtern, dem großen, photographischen por r
eines jungen Weibes, und einem hohen Champagnerglas mit Gowra
davor. In diesem Glase, seinem Pochzeitsglase — er war jetzt Mtt
— pflegte er täglich eine rothe Rose stehen zu haben, zur Erinnen .
und zum Opfer für die, die einmal die Sonne seines Lebens war. Ml
»
R. M. Eichler
Bus dem [iciuterthcue
So kams
Meine schöne Mutter ging einmal
lieber blühende Wiesen zur Frühlingszeit,
Rings war es so still und feierlich,
Und ein Leuchten war über ihrem weißen Kleid,
Waren auf der Wiese viel Blumen bunt
Und ein Lächeln war um meiner schönen Mutter Mund.
Es war ein Traumen in Wald und Flur,
Da trat meine Mutter zu mir hin.
Und legte mir leise die Hand aufs Haupt —
Das wars, daß ich nur ein Dichter geworden bin.
Und ringsum war lichte Frühlingszeit,
Aber ein Leuchten lag ans meiner Mutter weißem Kleid.
I)amis I)oljscbuber
Der Slebenfchläfer
Lin Märchen von MgUZt ZttilMerg
^Kapellmeister Kreuzberg war ein Mann, der morgens zu schlafen
MH liebte, sowohl weil er abends im Orchester spielte, wie weil er mehr
als ein Glas Bier trank, ehe er heimging und sich niederlegte. Er hatte
wohl versucht, früher aufzustehen, aber er fand keinen Sinn darin. Suchle
er morgens einen Bekannten auf, so schlief der; wollte er Geld ans dic
Bank bringen, so war die geschlossen; wollte er sich Noten in der lllusik'
Handlung leihen, so war die nicht offen, und mußte er mit der Strasienbal'ii
fahren, so hatte die noch nicht zu verkehren angefangen; eine Droschke
konnte er so früh nicht bekommen, nicht einmal seinen Rap^-Schnups
taback, nichts konnte er so früh ausrichten. Daruin war er schließlich dabei
geblieben, morgens lange zu schlafen, und er konnte es ja machen, wie
er wollte.
Nun liebte er sowohl Sonne wie Blumen und Kinder; aber er durste
nicht auf der Sonnenseite wohnen, seiner feinen Instrumente wegen, denn
die behielten in sonnigen Zimmern nicht die Stimmung. Also miethete er
zum ersten April eine Wohnung, die nach Norden lag. Das machte er
genau aus, denn er trug einen Kompaß an der Uhrkette, und er wußte,
wo Abends der große Wagen stand.
Ja; und dann wurde es Frühling, und es wurde so warm, daß
es ein wirklicher Segen war, nach Norden zu wohnen. Das Schlafzimmer
lag neben dem Saal, und wo er schlief, hielt er es immer durch Per-
siennen kohlschwarz, aber im Saal waren keine persiennen, denn da waren
sie nicht nöthig.
So wurde es Vorsommer und grün. Der Kapellmeister hatte im Re-
staurant „paselhöhe" gegessen und getrunken, und schlief darum lange und
gut, besonders da das Theater just den Tag geschloffen hatte.
Indessen, er schlief wohl gut, aber es wurde so warm im Ziinmer.
daß er ein paar Mal erwachte oder sich wach glaubte. Einmal dachte er,
die Tapete brenne, aber das konnte der Burgunder sein, den er getrunken
hatte; einmal fühlte er etwas Weißes im Gesicht aber das war sicher
der Burgunder; und darum drehte er sich um und schlief wieder ein.
Dann stand er gegen halb zehn auf, kleidete sich an und ging ni
den Saal hinaus, um sich mit einem Glase Milch zu erfrischen, das
immer morgens bereit stand.
Aber es war heute nicht kühl im Saale; es war beinahe wann,
zu warm. And die kalte Milch war nicht kalt; sie war lauwann,
unangenehm lauwarm.
Der Kapellmeister war kein zorniger Mann, aber er liebte in allein
Ordnung. Darinn klingelte er nach der alten Luise, und da er seine
Ausstellungen die ersten fünfzig Male gefügig machte — so jprach ei
Luise in einem freundlichen, aber etwas bestimmten c^one an, als sie den
Kopf in die Thür steckte.
„Luise," sagte er, „Du hast mir lauwarme Milch gegeben."
„Nein, Patron," antwortete Luise, „sie war kalt, aber sie hat ge-
standen und ist warm geworden."
„Dann hast Du geheizt! Denn es ist warm im Zimmer."
Nein, Luise hatte nicht geheizt; und Luise zog sich gekränkt "
ihre Ecke zurück.
Es mochte mit der Milch hingehen, als aber der Kapellmeister iw
im Saale umguckte, wurde er traurig. Er hatte sich nämlich i™
Ecke am Piano einen Pausaltar gebaut, der aus einem kleinen Tlsch
stand mit zwei silbernen Leuchtern, dem großen, photographischen por r
eines jungen Weibes, und einem hohen Champagnerglas mit Gowra
davor. In diesem Glase, seinem Pochzeitsglase — er war jetzt Mtt
— pflegte er täglich eine rothe Rose stehen zu haben, zur Erinnen .
und zum Opfer für die, die einmal die Sonne seines Lebens war. Ml
»