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1904

1904

Nr. 3

Hn Hbbe toxsy

„llnb sie bewegt sich doch," rief einst der Denker,
Als von der Folter ihn gespannt der Denker,

Und sieh! die Lüche gab dein Wort den Segen;
Denn heute darf — es ist nicht mehr zu ändern —
Trotz Uloses selbst in gut katholischen Ländern
Die Trde um die Sonne sich bewegen!

Drum tröste Dich, wenn Dich die Lutten Hetzen
Und Deine Bücher ans den Index setzen!

Bald ändern Zeiten sich und Horizonte.

Dann wird man es in jedem Schulbuch lesen,
Daß Jesus Christus auch ein Mensch gewesen,

Und daß Matthäus gar kein Griechisch konnte!

Tarub

Meisheitsmessung

Gedicht von Iflaxl Sietjung. Gymnasist

Dr. Möbius veröffentlicht Untersuchungen über
Schädelmeffungen, aus denen hervorgehen soll, daß
die geistige Bedeutung in direkter Beziehung zum
Schädelumfang steht. Frauen und unbedeutende
Männer haben kleine, alle „großen Männer"
große Kopfmaaße- Durch Nachfragen bei wiener
Hutmachern hat er dies bestätigt gefunden. Bei
Männern ist die zulässige geringste Kopfweite mit
57 cm, bei Frauen um 4—ö cm weniger anzunehmen.

Nein, was die Professoren blos ergründen,
Das ist schon mehr als Einer glauben thut!
Da läßt z. B. einer jetzt verkünden:

Daß an Gescheitheit die am höchsten stünden,
Die wo besäßen auch den größten Hut!

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Gleichwieichdieses las in meiner „Zeit" heut',
So dacht' ich mir: Jetzt schau' ich Jeden an
Auf seines Deckels innerliche Weitheit,

Weil man auf diese Art ja die Gescheitheit
Von jedem Menschen leicht erkennen kann.

Und sieh, niein Ordinarius, das Rindsviech,
Hat 5 5 nur! Das stimmt famos!
MeinRektoraber, wo auch „Doktor" schimpftsich
Und sehr gescheit ist, — hat nur 54!!

Jetzt wie erkläre ich mir dieses blos? . . .

Gottlob! Da kommt das größte aller Kälber,
(Was unser Religionsprofesser ist) —
Entscheiden muß sich gleich au dessen Felder
Die Wahrheit jetzt! Neugierig bin ich selber,
Ob der vielleicht bloß 37 mißt!

Was seh' ich? 78??! Und, o Jammer,

Jetzt sagt er gar noch — (er ist M. d. N.
Und M. d. L., ein Centrumsmann,

ein strammer!)
— Er habe viel Collegen in der Kammer,
Die seien noch großkopfeter als er! — —

Da muß ich doch, Herr Möbius, bekunden,
Das dies nicht stimmt mit Ihrer Theorie!
Mein Glaube an die Sache ist geschwunden,
Seitdem ich hier das Gegentheil gefunden.
Und — ä propos — was für N

Hut hab'n Sie?

A. I>. IS.

Hus dem „Schwarten Hujust“

"Den ersten ultramontanen Ministerialrath Ham
wer im. Verkehrsministerium I"

"Beim Verkehr geith's halt am schnellsten
vorwärts I

. JUGEND -

Der neue ZZlutarg

„XXa ham's g'lef'n, die Beförderungen zum
neuchen Jahr? Der Orr er er is fei' Ober-
ftudienrarh wor'n mir dem Rang eines
Oberregicrungsrarhs!"

„Obcrrcgicrungsrarh? Mir gcngans! Dös
is doch nip Lleu's! Oberregierungsrath
is der Orterer fcho' lang!" seufzte der bayr-
ische Löwe.

Ein Civilist besuchte einen Offizier und war
erstaunt über die vielen Schranke mit den unter-
schiedlichsten Uniformen.

Zwei Berliner Höflinge besichtigten
Darmstadt.

Da kam ein Mann mit Ballonmütze aus
einer Herberge hart an ihnen vorüber.

„Brcrl" schüttelte sich der eine. „Det is
jewiß so cn Sozialdemokrat!"

„pst!" vorsichtctc der andre,
ist's der — Großherzog!"

„Am End

„Ihre Werke bezeugen," sagte von Linern
zu Adolf Menzel, „daß Sie die damaligen
Uniformen gründlichft studiert haben."

„war damals noch möglich I" erwiderte der
große Rünstler bescheiden.

Hus der

Chronik des Jahres 1904

Januar: Die sännntlichen Denkmäler von Ge-
neralen in Berlin werden umgearbeitet; an den
Paletots werden Achselstücke, Hintere Langsfalten und
ponceaurothe Vorstöße angebracht.

Februar: Die Bondelzwarts schließen mit der
neuen Republik Panama einen Vertrag, nach dem
etwaige Streitigkeiten dem Schiedsgerichtshof in Haag
unterbreitet werden.

März: Der wegen Wechselfälschung verurtheilte
Reichstagsabgeordnete a. D. Sehb oth beklagte sich
bei der Direktion wegen mangelhaften Verkehrsein-
richtungen im Gefängniß und gründete unter seinen

Strafgenossen einen Fremdenverkehrsverein,
als dessen Präsident er gewählt wurde.

April: Der sozialdemokratische Abg. Stadthagen
erleidet in einer Reichstagssitzung einen plötzlichen
Zungenschlaganfall.

Mai: Bei dem großen Frühjahrswettschimpfen
zwischen den Champions Heim und Bebel schlägt
der erstere den letzteren um eine Rindviehlänge: der
Sieger erhält den Titel Meisterschaftsschimpfer von
Deutschland und einen Ehren-Jauche-Eimer.

Juni: Das diesjährige Automobilwettfahren
um den Gordon-Bennet-Preis nach dem Südpol
beginnt. -

Juli: Der Vicekönig Buanschikai plant eine
Reform der chinesischen Armee; er will sämmtliche
Falten in den chinesischen Ofsiziersröcken abschafsen.

August: Der Garnisonsängerchor in Mörchingen
führt Wagner's Parsifal in musterhafter Besetzung
auf.

September: Der „Vorwärts" veröffentlicht
einen Vorgang aus Hofkreisen; die Nachricht er-
weist sich trotzdem als wahr.

Oktober: Dem Leutnant a. D. und Schrift-
steller Bilse wird der Schillerpreis verliehen.

November: Die Krisis in Ostasien spitzt sich
noch immer mehr zu. Entweder kommt es zwischen
Rußland und Japan zum K'rieg — oder es bleibt
Frieden. Bereits ist das erste Opfer gefallen: ein
englischer Journalist hat sich — tot — tele-
graphirt.

Dezember: Der Großherzog von Hessen
wird zu acht Tagen Stubenarrest verurtheilt, weil
er, ohne einen Erlaubnisschein der „Ham-
burger Nachrichten" zu besitzen, einer Weih-
nachtsfeier armer Handwerksburschen persönlich
beiwohnte.*)

*) Die meisten Zeitungen veröffentlichen im Januar
Auszüge aus der Chronik des verflossenen Jahres, die den
Ereignissen natürlich nachhinken. In dem Bestreben, unfern
Lesern immer das Neueste zu bieten, bringen wir den
Conto-Auszug aus der Jahresbilanz der Chronik prä-
numerando, nicht postnumerando. Die Redaktion.

ver Daum eines SommeravenUs

Die Blätter melden, daß Eleonore Düse und Ga-
briele d'Annunzio sich trennen und der Dichter sich
einem neuen Stern, der jungen Schauspielerin Irma
Grammatica, zuwenden werde.

Sic war ihm Freundin lang und Nkuse
Und doppelt hell erglänzte so
Im Widerschein des Namens Düse
Der Name des d'Annunzio!

Sie zog für ihn im Thespiskarren
Durchs Land und spielte schön genug,

Daß man auch seinen schlimmsten Schmarren,
Die „Cittä morta“, noch ertrug —

Und nun sie ihm nichts mehr zu geben
An Nuhm und Glück hat und Gefühl,

Hat sich der große Dichter eben
von ihr gewendet schlau und kühl.

vielleicht, weil ihn ein Fältchen störte,

Lin grauer Strähn in ihrem Haar,
vielleicht, weil ihn ein Weib erhörte,

Das nützlicher und jünger war!

Lntzwei — vorbei! Der phrasenreiche
Hat jetzt für neue Flüge Naum
Und jäh' erwacht die Frau, die bleiche,

Aus ihrem Sommerabendtraum.

Frau Düse mit den schönen Händen,

Die weint um ihr verlornes Glück — ✓

Am Lnde läßt sich dies verwenden
Als lMotto für ein neues Stück?

Gewiß! Und eine wundervolle
Neklame wird damit erzielt,
wenn der verlass'nen Liebsten Nolle
Des Dichters neues Liebchen spielt!

Haus

57
Register
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Chronik des Jahres 1904
Maxl Bierjung: Weisheitsmessung
Monogrammist Frosch: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Aus dem schwarzen Aujust
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Tarub: An Abbé Loisy
Hanns (Hans): Der Traum eines Sommerabends
 
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