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Nr. 10

ein paar verwelkten Blumen auf den Knien
lag; dem Sie nicht eine heilige, sondern
eine Göttin waren; der, ohne sich zu be-
denken, von einem Thurme herabgesprun-
gen wäre, wenn es Ihnen Spaß gemacht
hätte! Und nun in den Armen eines
Mädels, das dumm und sinnlich ist und
mir meine Börse plündert I Ja, cs gibt
solche, gnädiges Fräulein! Ls gibt weibrr,
die sich mit mehr oder weniger Grazie
verkaufen. Die Preise sind sehr verschie-
den und schwanken zwischen einer glänzen-
den Lebensversorgung und — erlauben Sie
mir aus ästhetischen Gründen über die
untere Grenze des Tarifes wegzngehen.
Mich kostet das Glück, geliebt z» sein,
etwa die fjälftc meines Monatswechsels.
— Ihrem künftigen Herrn Gemahl wird
es schon etwas theurer zu stehen kommen.
Sie schwärmen ja für Pferde, für Tür-
kisen, für Paris, für die See, für Rokoko-
salons und für Blaufuchs. Das Alles
fand ich einst himmlisch, ich verliebter
Thor, und ich fand auch, daß das Schicksal
arg niederträchtig sei, weil es Ihnen, dem
knapp gehaltenen Beamtentöchterltin, alle
jene schönen Dinge vorenthielt. Na, sehen
Sie, das Schicksal in Gestalt einer fürsorg-
lichen Mama, hat gethan, was es Ihuen
schuldig war. Gestern sah ich Sie wirk- -
lich in einer Blaufuchsgarnitur. Don ihm?
Ich gratuliere! Da kann man über eine
Glatze und ein — etwas stark betontes
Profil schon hinweg sehen, Uebrigens habe
auch ich einen Pelz kaufen müssen, freilich
nur eine Nerzboa — aber es that doch
weh. so gegen Schluß vom Monat! Aber
was wollte man machen? Mein „Süßes
Lieb" ließ mir keinen Zweifel, daß sie im
Nichtbewilligungsfalle zu der Ueberzeugnng
kommen werde, sich in ihren Gefühlen
für mich getäuscht zu haben. Und das
wäre entsetzlich gewesen. Gefühle sind so
was Reizendes! Und sie halten so hübsch
warm! Und ich hätte vielleicht Wochen
lang suchen müssen, bis ich einen passen-
den Ersatz gefunden hätte!

Ich weiß, jetzt denken Sie sich: „Pfui,
wie niedrig!" Ich war Ihnen eigentlich
etwas Besseres schuldig. So was, das
man später unter vermischten Nachrichten
mit der Spitzmarke „Lin Liebesdrama" in
der Zeitung liest, Etwas, das Ihnen ihr
Leben lang Stoff zu süßer und kleidsamer
Schwermnth gegeben hätte für einsame
oder zwiesame Dämmerstunden. Und nun
statt des purpurnen Schlußpunkts im Ro-
man diese banale Fortsetzung! Die Strafe
trifft Sie hart, aber gerecht, schöne Freun-
din. Mich auch!

Ihr ungetreuer N. N.

Hans Baltlmi^

(£in zweiter Theil folgt)

Wilhelm Volz f

£iebc Jugend!

Der fünfjährige Fritz macht mit seinen
Eltern eine Reife nach der «Ostsee... I»
einem Badeorte begegnen sie einer zaun-
dürren Engländerin, die in ihrem Aeußeren
jedes weibliche Merkmal vermisse» läßt.

„Mama," sagt der kleine I»nge und
deutet auf die Fremde, „sag': ist das 'ne
plattdeutsche?" _

I» dem Albuin eines Schulmädchens der
Vorstadt fand ich folgenden Beitrag:
Dumm is er,

Grob is er,

Schiaßn thuat er mit der Büchs;
Raffa thuat er,

Saufa thuat er,

Aber sonst thuat er nix.

Dein valler.

ebenfalls angedeuteten Umständen wieder
zu begegnen.

Mit außerordentlich geringer

Hochachtung!
Ihr dl. dl.

An meinen Jnstruktionsoffizicr

Herr Leutnant!

Ich bin Doktor der Philosophie und
habe mir diesen Titel vor drei Monaten
durch eine Arbeit über gewisse biologische
Entdeckungen erworben, von deren Existenz
Sie jedenfalls auch nicht die geringste Ahn-
ung haben. Und gestern ließen Sie mich
einen Satz ans der wachtdienstinstrnktion
fünfzig Mal abschreiben, weil ich ihn nicht
wörtlich herunterschnarrte. Eine geistige
Mißhanolung, die nicht geringer ist, als
eine körperliche, derentwegen rüde Kommiß-
Unteroffiziere eingesperrt werden.

Sie ließen mich heute auf offener Straße
vor versammeltem Publikum zehn Minuten
^ stramm stehen. Zupften an meiner Lra-
j . vatte und kritisierten meine Haltung zum
Gaudium der Straßenbummler. Sie dan-
ken mir für meinen strammen Gruß mit
beschimpfender Herablassung. Sie hetzen
uns an Tagen, wo Sie Haarweh haben,
doppelt so lange im Kaserneuhofe hin und
her, als sonst, schreien mich an, wo ein
leises Wort genügt, schicken mich wie
ihren Kuli weg, einen von Ihnen ver-
gessenen Gegenstand zu holen, Sie thun
mir jede Demüthigung an, die Sic sich
leisten können, ohne daß ich mich be-
schweren darf, warum? Der Rock, de»
ich trage, ist der Rock des Königs, wie der
Ihrige. Ich trage ihn in schwerer Pflicht
gegen den Staat unter (Opfern und Selbst-
verleugnung. Sie haben Ihren Unterhalt
und soziale vortheile in diesen« Rock und
obendrein noch schöne goldene Gardetreffcn
darauf. Sic haben weniger gelernt, als
ich, stehen als Mensch um keinen Zoll
höher — und doch demüthigen Sie mich,
ivo ich mich nicht wehren kann! weil
ich mich nicht wehren kann! wissen Sie,
wie das thut? Sie werden es erfahren,
in \2 oder (5 Iahren etwa, wenn Sie
den Eylinder tragen und als Versicherungs-
agent in Vorzimmern oder zwischen Thür
und Angel abgefertigt werden. Dann wer-
den Sie ähnliche Empfindlingen durchkosten,
wie der Einjahrig-Freiwillige, den Sie auf
der Parade rüffeln. Und der Schmerz wird
gerade so bitter sein, auch wenn er weniger
Publikum hat, weil auch Sie ihn schwei-
gend hernnterwürgen müssen — aus Noth
ums Brot, wie ich heute aus Disziplin,
vielleicht denken Sie dann einmal an Ihren
ergebenen N, N.

An meine erste Liebe

Gnädiges Fräulein!

Ueber meinem letzten Briefe stand,
glaube ich, „Süßes Lieb!" Die Anrede war
nicht eben neu, aber sic kam aus tiefstem
Herzen. Seitdem sind ein paar Wochen
verstrichen. Sie sind jetzt die Braut des
Herrn Konsul G. und ich — ich habe be-
reits zu einer Anderen „Süßes Lieb" gesagt.

Sie steigen — wenigstens was die Steuer-
stufe angeht! — um ein Bedeutendes. Ich
habe meine Ansprüche um ein paar Etagen
tiefer gelegt, wie tief bin ich gesunken!

Erst ein Thor der reinsten Art, der Stunden
lang unter einer finstern Hauseinfahrt in
der Nacht harren konnte um Sie noch ein-
mal aus dem wagen steigen zu sehen im
Ballstaat; der Verse machte und im Dunkel
des Schlafziminers vor Ihrem Bild oder

(Skizze zum Fresko am Mönchncr Krankenhaus)
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