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üm einer üom$ willen^

Von Domenico Tumiati

.it einem Gefühl liefen Wohlbehagens
warf er sich auf den Divan. Durch
das'geöffnete Fenster wogten weiche Früh-
lingsdüste, sandte die Abendsonne ihre Strah-
len herein. Nach einer Fechtstunde, in wel-
cher die Klingen sich mit ungewohntem
Feuer gekreuzt hatten, gab er sich mit Wonne
der Ruhe hin; ihm war, als weiteten sich
feine Blicke, als tauchten niegesehene Hori-
zonte vor seinen Augen auf, als löse sich
gleichsatn sein ganzes Wesen und als gleite
seine Seele auf stillem Meere dahin, wie ein
Segel einem lichtfunkelnden Hafen ent-
gegen. —

„Mir ist, als flöge ich," sagte er lächelnd
vor sich hin. „Einer der glücklichen Mo-
mente des Lebens, der muß ausgezeichnet
werden."

Und er erhob sich, um sein Buch zu
holen. Der vom galten des Degens noch
matten Hand entglitt dasselbe und einige
vertrocknete Alpenveilchen fielen heraus.

Er bückte sich, um sie aufzuheben und
begann nach den dazu gehörenden Seiten zu
suchen.

„Zwei Jahre ungefähr müssen es sein
— glaube ich — ja, da ist's —"

Die Blumen halten ihre Spuren hinter-
lassen. Mit jenem heimlichen Glücksgefühl,
das solche Erinnerungen wecken, überflog er
die beschriebenen Blätter und seine Augen
blieben plötzlich auf der Stelle haften: „Um
eines Tones willen." Darunter standen zwei
Zeilen, mit kühnen Federzügen wieder durch-
strichen, weiter nichts. —

Die Blumen riefen ihm alsbald ihre Be-
deutung und die Stunden von damals zurück.
Die Luft war so mild,^so ruhig, daß er sich
unschwer ganz in jene Zeit versenken konnte.
Ein Ton, ein gewisses Etwas in der Stimme
war die Ursache gewesen:

Eine Sommernacht war es, die gleiche
Stille wie eben jetzt, und er saß auf einem
andern Divan, in einem anderen Zimmer,
an einem anderen Orte.

Das Fenster stand offen, an der Brüstung
lehnte eine Frau, den schönen, dunkeln Kopf
in die Hände gestützt und lauschte dem leisen
Rauschen des Stromes.

Er war zerstreut und starrte geistesab-
wesend auf die von der Mitte herabhängende
Lampe.

„wie schön das istl" murmelte die junge
Frau mit einer Geberde kindlichen, tiefsten
Entzückens. —

„Kommen Sie, bitte, sehen Sie-"

Mechanisch erhob er sich und trat zu ihr
hin.

Der Fimmel war von fast durchsichtiger
Klarheit, über dem im Mondlicht schimmern-
den Flusse schwebte ein duftiger Nebelschleier.

Und auf ihrem Gesichte, umwoben von
all diesem Glanz, lag ein Ausdruck der Ver-
klärung, ihre Seele leuchtete förmlich aus
ihren Augen und harrte einer Bewegung
gleichen Entzückens, einer Aeußerung der
gleichgestimmten Seele, durch ein leises Wort
nur der ihren übermittelt. —

Er, in seiner Zerstreutheit und der Tücke
eines gleichgiltigen Augenblicks erliegend,
stützte die Arme auf das Fensterbrett und
sagte ruhig:

„Sehr schön!" —

Er gewahrte nicht, wie ein schmerzliches
Zucken schattengleich über ihre wunder-
baren, wie gemeißelten Züge glitt, da seine
Augen auf den Strom gerichtet waren, aber
ihre Stimme hatte einen fremden Klang,
als sie erwiderte: „Es verdiente, daß Sie es
mit etwas mehr Ueberzeugung sagten."

. Ueberrascht blickte er auf, fiberrafcbt
wre Jemand, der unvermutbet in
einem finstern Gelaß einen Schak A.

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wandte sie ihm nur ihr Profil m taT
^ ihre Augen nicht ein einziges K
mehr m die fernen. ai

Und trotzdem war er, als er tn

reinen, lichten Nacht dann zu ihr
seltsam weichgestimmt gewesen, hattn

seine Worte in um so größerer Leiden-

schaft gebebt, je ferner — absichtlich w
— er ihre Seele fühlte. ^ T"n

Ihr Gesicht blieb undurchdringlich
ein glänzender Rrystall, den plötzlich
eisiger Hauch getrübt. ^

Und dennoch hatten sie Beide sich j,is
Zu jenem Augenblick, bis jener'eine
frostige Ton seinen Lippen entflohen von
gehcimnißvoller Macht zu einander bin,
gezogen gefühlt und dieser eine Ton hatte
einen Abgrund zwischen ihnen aufgethan
hatte gewirkt, wie wenn ein Fremder
urplötzlich die traute Zwiesprache eine?
Liebespaares stört. —

Aus wie zarten Fäden seelische Bande
gqwoben sind — dachte er — und welch'
empfindliche Pflanze die Liebe sein muß.
wenn der leise Hauch eines Wortes sie
zu knicken vermag; daß sie so brechen
konnte, bewies, daß die tiefsten wurzeln
ihres Seins getroffen worden waren.

Der Frühlingswind, der sich den weg
zu ihm über den Balkon gebahnt, fächelte
seine noch heiße Stirne. Der Himmel
hatte sich mit breiten, feurigen Streifen
bedeckt, die Allee schien wie in Glut
getaucht.

Hätte ich in jener Nacht schroff und
unvermittelt zu ihr gesagt: „Ich liebe
Sie nicht"; hätte ich ihr einen Vorwurf
gemacht, den schnödesten, ungerechtesten,
ich hätte eine vielleicht heftige, aber vor-
übergehende Reaktion hervorgerufen, ich
hätte die Liebe an ihrem Astwerk, aber
nicht an ihrer Wurzel verletzt. Statt
dessen hat sich, ohne mein wissen, ohne
daß meine Leidenschaften, meine Gefühle
Theil daran gehabt hätten, die größte
Wunde geöffnet.

Er versuchte, zu verstehen, was ihre
Seele in jenem Augenblicke bewegt hatte.
Es war ein Augenblick der Verzückung
gewesen, einer jener seltenen Augen-
blicke, in welchen alles Körperliche von
uns abzufallen scheint und die Leiden-
schaften sich gleich Wolken zertheilen, in
Dunst auflösen. Ein Augenblick jenseits
des Lebens, hoch über den Leidenschaften
dieser Welt. Das Weib war verschwun-
den, das Band zwischen ihrer Seele und
ihren Sinnen kaum mehr zu, spüren.
Und diese von den Fesseln des irdischen
Daseins befreite Seele hatte der seinen
entgegengestrebt. Und die Stimme, welche
ihr mit gleicher Begeisterung antworten,
welche ihr den Geliebten auf gleicher
Höhe, an ihrer Seite, zeigen sollte, war
statt dessen aus den Tiefen, aus kalter
Ferne erklungen, wie das Pfeifen der
Kugel vom Thale unten zum Adler m
seinem Felsenhorste dringt.

So war es geschehen in jener Rächt.
In jenem kurzen Augenblicke hatte sie
ihr schönstes Leben gelebt, hatte sich
das wahre Wesen ihrer Liebe offenbar,
war diese sich ihres göttlichen Ursprung
bewußt geworden. So war es geschehe
in jener Nacht.

Und wie oft mag dies im Leben fon>
noch geschehen? wir wandern dasin,
Seite an Seite, wir wandern und reoe,
reden Worte, während unsere beele,

SCHLAFENDE

m Sterne, hoch über i
wundert betrachten.

Za-so ist es - u
sind sorgsam, andächtig
gilbten Blumen an ihr,
rück, als kämen sie vc
Traume geschauten Plc

flus dem Italien

9i

üen ich Io li(
Was wönrdi’
Was wönfdi’
Der Prieiter

Betänn’
Und auf j

Du arme,
Uirwönfd

Dein Schi!

Snhlaj du

Mül
Unfthl®
Du Seele

302
Register
Domenico Tumiati: Um eines Tones willen
Heinrich Nisle: Zierleiste
 
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