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1904

JUGEND

Clliencron-Plutarcb «Zeichnungen von A. Schmidha

Nr. 23

nnner

0ic haben keine 2lhnung, wie populär
Liliencron schon ist," sagte ein Literatur-freund
.u einem Anderen, „mein halbjähriger Bengel
bat sogar schon heute Morgen

Za ratätätä tä, — Bä bäbäbäbä bä
gemacht."

„17a unb ?"

„Na und? — Das ist doch der Anfang von
Liliencron's /Einmarsch in die Stadt pfahl-
burg'?" (Dgl. „Nebel und Sonne" S. 151.)

Die geraubte Weltanschauung

Im „Cafe Uebermensch" sahen an der marmornen
Glätte junge Leute, strebend, an ihrer Cultur ar-
beitend, des Lebens voll. Adolar erhob sein sinnen-
des Auge, das über einer Schale „Gold" vom fernen
Ersten des Monats geträumt hatte, und sprach:
„Reich ist der Reiche nur am
Ersten des Monats, stark ist
der Starke alle Tage — listig
sei derMensch, schnellsühig und
schlecht! Hast Du Cigaretten,
geduldeter Walther?"

' Und Walther reichte ihm
das silberbeschlagene Etui
juchtenen Leders, worin die
Cigaretten, die dürren Duft-
stengel Egvptens, fchlummer-
ten. „Stark ist nur der Starke,"
sagte Adolar und ließ die
Glätte des Etui in die eigene
Tasche gleiten.

„Noch stärker ist der Stär-
kere/' fuhr Galomir auf und
zog das Etui aus Adolar's
Rock; er erhob sich mit dem
milden Lächeln des Mächtigen
und barg das Etui in seines
Pelzbelegten Winterrocks düst-
erer Weite. „Leihen Sie mir
ein Blatt Papier, Marqueur;
gib mir Deinen Bleistift, Walt-
her!" rief er. Und mit dem
stifte goldener Echtheit schrieb
er die Worte des Meisters:

»Das Leiseste, Leichteste, ein
Husch, ein Augenblick — macht
die Art des besten Glückes."

Dann gab er dem Kellner das
geliehene Blatt zurück. „Das
!st von Nietzsche, den Kaffee zahl'
lchmorgen," sagteer, erhob sich
und steckte den goldenen Stift,
den ihm Walther gegeben, in
die düstere Weite. Er kehrte
zuruck an die Marmorrunde
oe'o Ltschchens, und sinnend
lvurden die Blicke der Cafe-
Mnossen. Durchs Fenster
pllckten sie träumend und
nnmer träumender, duldend
blickte Walther drein, der Ge-
Mole. Da fuhr Galomir, der
Kachtige, aus: „Wer geht da-
Ui, schnellfüßig unb schlecht
Wnm meinem Winterrock, der
?^ist und Etui birgt? Haltet
om Winterrockmarder, den
Ehesten, Leichtesten — er
mir meine . . . Welt-
anschauung !"

es war zu spät — in
Husch, inr Augenblick

Liliencron und Bierbaunr sind gute
Freunde.

„werden uns nicht doch einmal Ansichts-
verschiedenheiten entzweien, lieber Detlev?"
fragte einst Otto Julius.

„Ausgeschlossen," beruhigte ihn Liliencron,
„weißt Du, wir sind Beide mit 'nem lieber-
brett'l verkracht. So was bindet fürs ganze
Leben."

Nolbwebr

Der Ingenieur D., Eharlottenbnrg, schützte sich
auf originelle weise vor dem Geklimper einer
Hausgenossin: er bohrte durch die Decke ein Loch
und leitete Schwefelwasserstoff in ihre Wohn-
ung. Da diese Selbsthilfe mit 30 Mark geahndet
wurde, schlagen wir einige andere Mittel der

„Ich dank' Ihnen auch schön, Herr Lilien-
cron," sagte ein Israelit, „daß Sie für die
Zulassung der Juden zur Mllitärkarriere ein-
getreten sind."

„Ich? wieso denn?" fragte der Dichter
erstaunt.

„Nun, Sie haben doch geschrieben in Ihrem
Gedicht ,Die Musik kommt':

„Zwei Leutnants, Rofenroth und Braun,
Die Fahne schützen sie als Zaun."

hiev S. "rwuuuumua

dn Allzuschnellfüßige in
stocken"Menschen-

Verschwunden und eilte

entlegenen

«nmath der Viän

Pfänder.

^mil

Ueberweiber

„Erna, Du hast Dich von dem jungen Müller verführen lassen?"
„Bitte, keine Beleidigungen — ich habe ihn verführt."

Nothwehr gegen klavierspielende Erynnien vor.

wohnt die Furie unter einem, so stehen fol-
gende Mittel zur Verfügung: man rollt einen
Sessel während der Dauer der Tortur im Zimmer
auf und ab. Ist der wohnraum groß genug,
so ist eine Regelpartie unterhaltsamer. Vor dem
Fenster angebrachte Blumen begieße man nur

dann, wenn die Künstlerin
zum Fenster herausschaut.
Eine Mischung von Salmiak-
geist und Kaisertinte ist an
Sonn- und Feiertagen sehr zu
empfehlen. Blumentöpfe lasse
man höchstens in Abständen
von Tagen auf das Haupt
der Schuldigen fallen.

Sind die Wohnungsverhält-
nisse umgekehrt, so muß sich
die Nothwehr auf Andeut-
ungen beschränken. Als solche
kommen in Betracht: Auf-
stellen eines Grchestrions, An-
schaffung eines unmusika-
lischen Fundes, dem während
der Prozedur der Maulkorb
abgenommen wird; hat man
selbst ein Klavier, so sind
musikalische Liebenswürdig-
keiten wie „Du bist verrückt
mein Kind," „Schier dreißig
Jahre bist Du alt," die Gna-
denarie aus dem „Robert"
u. s. w. täglich dreimal bis
zum Eintritt der Wirkung
zu verordnen. An Neujahr
und \. April scheue man keine
Kosten für offene, illustrirte
Karten. Zeitungsannoncen:
„Ratten, Wanzen und mu-
sikalische Menschen vertreibt
unfehlbar Frl. £."

oder

Verloren!

EinigeDntzend Noteil unter
den Tisch gefallen. Abzu-
geb. b. Frl. £.
sind zwar kostspielig, doch ist
meistens die Nachbarschaft zu
einer Kollekte bereit. Hat die
Dame eill Telephon, so klingle
man alle fünf Minuten währ-
end ihres Geklimpers an.
„Falsch verbunden" ist
ja so ziemlich das häufigste
Telephongespräch. Sind alle
diese Mittel vergebens, so
wende man sich an die Sa-
nitätswache oder Feuerwehr,
oder man mache einen
Heirathsantrag.

Bim

a6i
Index
Bim: Nothwehr
Plutarch [Pseud.]: Liliencron-Plutarch
Albert Weisgerber: Überweiber
Monogrammist Frosch: Illustrationen zum Text "Liliencron-Plutarch"
Emil Rechert: Die geraubte Weltanschauung
 
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