Nr. 23
1904
„Vor zwanzig Jahren gab es dort noch einen
sittlichen Studenten, den Sohn eines niederbayeri-
schen Bauern, der aber später nach Berlin über-
siedelte, wo er natürlich verkam. Seitdem ist es mit
Würzburg aus. Geht man Nachts durch die Stadt,
so sieht man-nichts, denn alle Laternen sind
ausgedreht, so daß es stockfinster ist. Ich habe da-
her einmal eine Laterne aus Versehen mit dem Kopf
umgeknickt.
In den Kaffeehäusern sitzen sie, die „Jün-
ger der Wissenschaft", orientalische Cigaretten
rauchend, in Stehkragen, in die sie
sich morgens mit Flaschenzügen
heben lassen müssen. Eine Ausnahme
machten früher die katholischen Verbind-
ungen — das war eine köstliche Zeit, aber
selbst in diese Kreise beginnt das nord-
deutsche Gigerlthum einzudringen.
Am Ende werden noch die
Priesterseminaristen Mo-
nocles tragen!
Des Nachts laufen die kleinen
Kinder — der „Fachausdruck"
lautet: Bierjungen — aus der Straffe herum
und schreien nach den Busen ihrer Väter. An
der Schwelle der Verbindungshäuser werden all-
täglich Dutzende von Neugeborenen ausgesetzt. Sie
werden möbelwagenweise in die Findelhäuser ge-
schafft. — Und wie sieht es in den Verbindungs-
häusern aus? Das sind keine Ver bindungshäuser,
das sind Entbindungshäuser. Da sitzen die Stu-
JUGEND
denken auf den Schößen ihrer Geliebten und reiben
mit Wickelkindern Salamander.
Sie alle wohnen in Zimmern mit separatem
Eingang. Die Zahl der Geschlechtskranken über-
steigt denn auch alle Grenzen der Statistik. Unter
100 Studenten befinden sich 200 Kranke, also über
170 Prozent.
Und wie verdorben sind unsere Bürgerstöchter!
Des Nachts fensterln sie den Studenten in solcher
Menge, daß es in ganz Würzburg keine einzige
keusche Leiter mehr giebt. Jedes Bauernmädel
will heute seinen „Doktor haben", Menschen, die
sich vom Affen ableiten, aber Kuhmist für ein chem-
isches Produkt erklären. Was soll da aus unserer
gesunden Bauernrasse werden?
Dienstboten kriegt man in Würzburg nur, wenn
man ihnen alljährlich 14 Tage Urlaub gewährt, da-
mit sie „aufs Land" können. Manche Dienstboten
unterstehen sich, mehr Kinder zu kriegen, wie ihre
Herrschaft. Ja, es gibt genug Mütter, die ihre
Töchter einem Studenten quasi auf den Buckel
werfen. •)
Am anständigsten sind noch die Studentinnen,
aber die mag ich nicht.
Kurzum. Würzburg ist verjudet, verprotestantet,
vernorddeutscht!
Wie kann da Wandel geschaffen werden?
Die Professoren müßten mit gutem Beispiele
vorangehen. Es müßte ihnen, gleich den katholischen
Geistlichen, der Cölibat vorgeschrieben werden.
Abends um 6 Uhr hat der Pedell die Hausschlüssel
bei den Studenten einzusammeln und beim Rektor
zu deponiren. Die Studenten werden von Dienst-
mädchen — nicht unter 49 Jahren — in die Vor-
lesungen geleitet und ebenso abgeholt.
Das Stehkragentragen ist verboten. Das Ver-
loben erst nach bestandenem Staatsexamen gestaltet.
*) Wörtliches (Zitat aus Memmingers Landtagsrede.
Schließlich werden noch alle Juden, Protestanten,
Norddeutsche und andere Ausländer aus Würzburg
ausgewiesen.
' Auf diese Art wird es hoffentlich gelingen, die
Würzburger Studentenschaft entweder zu bessern oder
sie ganz auszurotten."
Mdsr die StaatsstreicMer
(fierrn von Zagemann ins Stammbuch)
Der ehemalige badische Gesandte in Berlin und
jetzige Honorarprofessor an der Heidelberger Universität,
von Iagemann, leitet aus der Reichsverfassung die
These ab, das Deutsche Reich könne durch einen
Vertrag der Bundesregierungen aufgehoben
und durch einen anderen Vertrag der Re-
gierungen ersetzt werden. Gleichzeitig vindiziert
er der Staatsgewalt das Recht, gegen eine siegreiche
Obstruktion die Handlungsfähigkeit des Reiches her-
zusteUen, d. h. mit außerparlamentarischen Mitteln und
durch Außerkraftsetzung des Parlaments.
Du läutest Sturm, mein Lieder,
In dieser Zeiten Rächt,
Und redest wie im Fieber
von Fürstenrecht und -macht.
Da rings in allen Zonen
Der DUif nach Freiheit schallt.
Da predigst Du den Thronen
Das Märchen der Gewalt.
Das Recht, von uns erkoren
Als dieses Reich's panier,
Vom Fürstenmund beschworen.
Dir deucht's ein Stück Papier.
Der Fürst soll es zerreißen.
Als wär's ein Zeitungsblatt,
Und Baiern, Baden, Preußen
Tritt dann an Reiches Statt.
Dem weiland deutschen Reiche
Gibt man den Todesstoß;
Dann ist man auch das gleiche,
Geheime Wahlrecht los!
Trank darum Frankreichs Lrde
Des deutschen Volkes Blut,
Daß heut' geprellt es werde
Um's allerhöchste Gut?
Rein, wer da Zwietracht schüret,
Ist dem Verräther gleich.
wer an das Recht uns rühret,
Zerstört das ganze Reich! Wespe
Ein Vater und I)dd
In Heidelberg hat Professor Czerny, der be-
rühmte Chirurg, nachdem er am Tage vorher seinen
Sohn begraben, die Vorlesung wieder mit dem glei-
chen ruhigen und edlen Arbeitseifer ausgenommen
wie bisher. Nur ein paar kurze Worte sprach er
über den Tod seines Jungen, der Gist genommen
hatte, um einer drohenden Erblindung zu entgehen.
Diese Worte lauteten: „.. . Aber eine muthige phat
war's doch! Ich werde versuchen, aus ihr zu lernen.
Nun aber gilt es wieder zu arbeiten, nicht zu kla-
gen. . ." . ^ .
Das ist groß, und es erinnert mich an ent an-
deres Wort, welches verdient der Vergessenheit, ent-
rissen zu werden, welches sogar verdienen wurde,
ein Motto zu werden. Ein Motto für die Freren,
Denkenden und Klargewordenen der Erde. Es war
ein einfacher Arzt, der es sprach und er sprachs auf
dem Todtenbette. Ein Menschenalter hindurch hatte
er rettend und helfend seine Arbeit gethan, und pau-
sende segneten seine Hand und das Herz, das nicht
nur dte Hand gelenkt hatte, sondern mit warmem
Trost und Mitleid selber stets für die Armen und
?^Mtes mit ®
Gott aussn
klaren A
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Spielbank zu errichten.
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versunken und vei
Liner Kaiserin Sd
hier stand ich in 1
So sinnend, bleich
vorbei... die gar
Welt wird hier sp
Zerflossen und ver^
^ letzte poetische
letzter roth
Zerfließe jetzu
1904
„Vor zwanzig Jahren gab es dort noch einen
sittlichen Studenten, den Sohn eines niederbayeri-
schen Bauern, der aber später nach Berlin über-
siedelte, wo er natürlich verkam. Seitdem ist es mit
Würzburg aus. Geht man Nachts durch die Stadt,
so sieht man-nichts, denn alle Laternen sind
ausgedreht, so daß es stockfinster ist. Ich habe da-
her einmal eine Laterne aus Versehen mit dem Kopf
umgeknickt.
In den Kaffeehäusern sitzen sie, die „Jün-
ger der Wissenschaft", orientalische Cigaretten
rauchend, in Stehkragen, in die sie
sich morgens mit Flaschenzügen
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machten früher die katholischen Verbind-
ungen — das war eine köstliche Zeit, aber
selbst in diese Kreise beginnt das nord-
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der Schwelle der Verbindungshäuser werden all-
täglich Dutzende von Neugeborenen ausgesetzt. Sie
werden möbelwagenweise in die Findelhäuser ge-
schafft. — Und wie sieht es in den Verbindungs-
häusern aus? Das sind keine Ver bindungshäuser,
das sind Entbindungshäuser. Da sitzen die Stu-
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denken auf den Schößen ihrer Geliebten und reiben
mit Wickelkindern Salamander.
Sie alle wohnen in Zimmern mit separatem
Eingang. Die Zahl der Geschlechtskranken über-
steigt denn auch alle Grenzen der Statistik. Unter
100 Studenten befinden sich 200 Kranke, also über
170 Prozent.
Und wie verdorben sind unsere Bürgerstöchter!
Des Nachts fensterln sie den Studenten in solcher
Menge, daß es in ganz Würzburg keine einzige
keusche Leiter mehr giebt. Jedes Bauernmädel
will heute seinen „Doktor haben", Menschen, die
sich vom Affen ableiten, aber Kuhmist für ein chem-
isches Produkt erklären. Was soll da aus unserer
gesunden Bauernrasse werden?
Dienstboten kriegt man in Würzburg nur, wenn
man ihnen alljährlich 14 Tage Urlaub gewährt, da-
mit sie „aufs Land" können. Manche Dienstboten
unterstehen sich, mehr Kinder zu kriegen, wie ihre
Herrschaft. Ja, es gibt genug Mütter, die ihre
Töchter einem Studenten quasi auf den Buckel
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Am anständigsten sind noch die Studentinnen,
aber die mag ich nicht.
Kurzum. Würzburg ist verjudet, verprotestantet,
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Wie kann da Wandel geschaffen werden?
Die Professoren müßten mit gutem Beispiele
vorangehen. Es müßte ihnen, gleich den katholischen
Geistlichen, der Cölibat vorgeschrieben werden.
Abends um 6 Uhr hat der Pedell die Hausschlüssel
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mädchen — nicht unter 49 Jahren — in die Vor-
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Das Stehkragentragen ist verboten. Das Ver-
loben erst nach bestandenem Staatsexamen gestaltet.
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Der ehemalige badische Gesandte in Berlin und
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von Iagemann, leitet aus der Reichsverfassung die
These ab, das Deutsche Reich könne durch einen
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