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Nr. 25

J UGEND

1904


Der Sommerleutnant

lvol gibt es schweiß und mutz genutic,

fürwahr- ein frischer kühler trunc

das wäre gar nit schlechte;

zum pummerlein gumm, beim trommelschlag

dn heißen lieben langen tag

führ ich die srumben knechte

zu männlichem gesechte.

da kommt der böse feind daher-
knecht- stuck und reutter sind sein wehr-
s'ifl wärlich nit zum lachen:
aus brauner Haid die schlacht hebt an-
wie pocht das herzlin manchem mann
zum pummerlein pumm, beim trommelschlag,
wenn die karthaunen krachen.

das sändlin flattert uns voran-
die langen spieße brechen bahn,
so geht die schlacht zu ende;
der obrist naht in raschem ritt:

-Herr Leutnant der Reserve 5chmidt,
wie ein Sauhaufen steht ihr Zug!
potz Mmmelsappermentei"

JF. 8.

Liebe Jugend!

Feiwe Blasenstein promeniert vor seinem Haus.

Treitel Plattfuß kommt des Wegs und sagt
zu ihm: „Feiwe, bist De geworden von binnen,
daß De hast aufgehabt Dein' Laden am vorigen
Schabbes?"

„Die Rippen sollen mer gerad werden, wenn
ich Hab ausgehabt mei Laden. Ich Hab doch gar
nix gehabt e Laden?"

„wie haißt? Du hast nix gehabt e Laden,
Seit wann hast De nix e Laden?"

„Jetzt Hab ich e Laden; aber ich Hab kein
Laden am Schabbes. Jeden Freitag Abend ver-
kauf ich 'n an mei Commis mit der Abred: wenn
er nix hat bezahlt den Preis bis zum Schabbes
Abend, fallt 's Geschäft an mer retour."

In Rassel stand vor dein Schöffengericht ein
württemberger angeklagt, weil er einem Kasseläner
eine Berlichingensche Einladung in das wirths-
haus zum Adler im Streite hatte zukommen lassen.
Er vertheidigt sich damit, man gebrauche in seiner
Heimat ständig im Gespräch diesen Ausdruck, ohne
daß auch nur ein Mensch dabei etwas finde. Das
Gericht verkündet Beschluß: es soll eine amtliche
Auskunft des Bürgermeisters in klingen, der
Heimat des Angeklagten, über dessen Schutz-
behauptungen eingeholt werden. Die Auskunft
lautete: es fei richtig, daß in Württemberg kein
Mensch bei dem Ausdruck was finde. Man brauche
den Ausdruck, um

t. ein Gespräch anzuknüpfen,

2. ein Gespräch zu beenden,

3. dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.

Im neuen Termin sprach das Gericht den An-
geklagten frei.

Aus dem Gebirge

„I glaub', der Steinhofer Sepx ist auch schon
nervös."

„warum denn?"

„Als ihm neulich bei der Rauferei ein Ohr
abgerissen wurde, hat er's gleich gemerkt."

Zur Religion

(Herr X, erzählt eine erbauliche Geschichte)

„Denn erstens hat sie den vortheil, daß sie
wahr ist, und zweitens, weil sie von Kleinigkeiten
handelt, auch die Eigenschaft, daß sie wahrschein-
lich ist. Denn die großen Sachen haben immer
etwas Unwahrscheinliches an sich, mögen sie noch
so wahr und geschehn sein. Daß es überdies eigent-
lich gar keine Kleinigkeiten gibt, indem Gott alles
in eine richtige Harmonie gebracht hat, brauche
ich Ihnen wohl nicht erst zu sagen; überdies
leuchtet gerade das als schöne Moral aus meiner
Begebenheit hervor.

Eines Abends ging ich in's Theater — denn
ich liebe die Kunst über alle Maßen und unter-
stütze sie recht gerne — und hatte außer dem Bit-
tet, das mir ein Freund geschenkt hatte, gerade
nur ein Fünfzigpfennigstück und zwei Groschen in
der Tasche. Zwanzig Pfennige für die Garderobe,
fünfzig für das Opernglas, — stimmt gerade. Wie
ich so in meinen zahlreichen Gedanken weiter-
schreite, erblicke ich einen Armen, der die Hand
flehentlich nach den vorübergehenden ausstreckt.
„Die losen Groschen sollen rollen," dachte ich und
schob ihm auch eilends einen in die flehentliche
Hand. Erst später fiel mir ein, wozu mich da
eigentlich mein gutes Herz verleitet hatte. Die
zehn Pfennige fehlten mir ja — und zwar zum
Glase, ohne das ich gar nichts sehe und auch viel
schlechter höre. Und gerade, wenn's so knapp fehlt,
ärgert man sich am meisten. Nicht wahr?

Mißmuthig trat ich also in das Gebäude und
hatte schon lästerliche Gedanken über des Himmels
walten und den Lohn der Guten, warf dann
wüthend meinen winterrock mit dem Fünfzig-
pfennigstück hin. was meinen Sie, daß da passierte,
wodurch ich meine volle Seelenruhe für den ganzen
Abend wiedergewann und Gott lobpries? — Nein,
das nicht. Der Preis des Opernglases war nicht
durch ein Wunder auf vierzig Pfennig herabgesetzt
worden. Aber ich erhielt nur fünfundzwanzig
Pfennig zurück. Die Garderobegebühr war vor
Kurzem auf fünfundzwanzig Pfennig erhöht
worden.

Ich hätte mir also so wie so das Glas nicht
ausborgen können und zwar hätten nur fünf
Pfennige gefehlt, worüber ich mich jedenfalls noch
mehr geärgert hätte. Da mir dies aber gleich
einfiel, verschwand meine verblendete wuth und
ich dankte der göttlichen Vorsehung.

Ich bitte, meine Herren, auch beinahe ein
Wunder; nicht wahr?" jviax Brod

R. Bossert

Unsere Gefühlsmenschen

. . . Da schlang sie die Arme um seinen Leib
und verbarg den blonden wunderschönen Kopf an
seiner Brust: „Ich schäme mich," sagte sie und
weinte. —

„Aber Herz I Schau, wir sind einfach Menschen
gewesen," sprach er und küßte sie auf die blonden
Haare.

Doch sie drückte ihn leidenschaftlicher: „Ich
liebe Dich I Ich liebe Dich!"

Er aber ward gerührt und sprach: „Dir
werde ich nicht so bald untreu."

DiSciplin

Maurerpolier (als die Maurer ohne weiteres
beim Schlage vier Vesperpause machen): „war hat
gesa't: vaspern? wann i war' sa'n vasxern, dann

könnt a vaspern! —-

vaspern!"

Ruth

Lebenweckend zieht der Ostwind
Durch die sommerliche Haide —

Glanzend weiße Wolken vor sich treibend
Schüttelt er die träumerischen Birken,

Gleitet durch der Aehren goldues Meer,
Tändelt mit den thaubeschwerten Blumen,
Huscht durchs schwanke Röhricht übers Wasser,
Kräuselt leis des Baches dunklen Spiegel,
Kühlt die heiße Stirne mir und jetzt —-
Jetzt küßt er Ruth!

Wie schön ist heut die junge Jägerin,

Vom Wind umkost, voll freudiger Erwartung!
Die Wangen heiß, ein Leuchten in den Augen,
Das ich an ihr bisher noch nie gesehn,

Schaut sie verlangend, unverwandt hinüber
Ins Uferschilf, in dem die Hunde stöbern.

Sie scheint gewandt und sicher wie der Vater,
Der stolz ist heut auf seine Schülerin.

Vier Enten schon hat sie herabgeholt
Im vollen Flug, uns Männer arg beschämend.

Besonders ich Hab oft wie nie gefehlt;

Nicht bei der Jagd sind heute Herz und Augen,
Mein ganzes Denken gilt seit Wochen Ruth
Und hoffen darf ich . . .

Bumm! Da kracht es drüben;
Es plätschert im Morast, ein Hund erscheint,
Jetzt rauscht das Schilfrohr hinter ihm

zusammen —

Und plötzlich kommen, hart am llfer schwimmend,
Auf brauner Fluth fünf Entlein noch nicht flügge.

Die Alte rudert hinterdrein und treibt
Das junge, unerfahrne Volk zur Eile;

Sie wagt das eig'ne Leben unbedenklich,
Bedacht nur auf die Rettung ihrer Kleinen,
Flieht nicht mit ihren Schwestern durch die Luft,
Obwohl die bösen Hunde schon ganz nahe —
Ein rührend Bild!

Ob Ruth? . . . ich sehe sie die Flinte heben ..
„Nicht schießen, bitte!" ruf ich, da •— sie stutzt —
Zwei Blitze dann — drei kleine Leichen treiben
Langsam bachabwärts —

Und die wollt ich zur Mutter meiner Kinder!

Hrtbur Scbubart

niederjagd

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Register
R. Bossert: Vignette
Arthur Schubart: Ruth
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Max Brod: Zur Religion
F. S.: Der Sommerleutnant
[nicht signierter Beitrag]: Unsere Gefühlsmenschen
[nicht signierter Beitrag]: Disciplin
 
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