1904
Nr. 26
Semem lieben Ecli
Good morning, Edward! Auch wieder mal hier?
Nett, wirklich äußerst nett von Dir!
Wie geht's zu Hause? Was macht
die Verwandtschaft?
Und Madame krance, Deine neue Bekanntschaft?
Gott! Freilich: Paris! und dagegen — Kiel!
Allerdings, — wir bieten ja nicht soviel,
Aber interessantere Sachen, wer weiß?
Zum Beispiel der Hafen hier — was? —
very mce?
Und die Schiffchen, na ja!, kein großer Hanf,
Doch 6rst dass, my darling — verlaß Dich draufI
Und unsre blauen Jungen dabei,
Schau sie nur an — sind auch nicht von Blei.
Die Kerle haben verdammt viel Schneid,
Wenns drauf und dran kommt — was?
All right ?
Zum Handeln, zum Tauschen und zum Dergleichen
Ist ja natürlich nichts dergteichen!
Aber sieh mal. Edi, wenn in diesen Tagen
Die Herren Correspondenten Dich fragen,
Die 60, die Alle hinter Dir stehn*)
Und wissen möchten, was geschehn,
Wenn sie fragen, was denn der Michel wieder
Von Euch gewollt hat, — wenn von perfider
Deutscher Anmaßung wieder schwätzen
Deine Blätter und Blättchen — und gegen
uns Hetzen, —
Dann sei so gut und sag es den lieben
Vettern, Verwandten und Freunden drüben,
Daß allerdings nach Einer Gabe
Einen ehrlichen kräftigen Wunsch ich habe:
Ich will von Euch keine Kolonien,
Keinen „Grundstücktausch", keinen „Maklergewinn".
Keine „entente cordiale“ oder derlei Waare,
Keine Lieb' und Freundschaft — o Jesses!
Bewahre! —
Nicht einmal Derständniß für
mein Programm ...
Nix als mei Ruah möcht i ha'm!
Michel
*) Vergleiche das Bild auf der letzten Seite.
J UGEND
Der Strom der Politik
Jn einer von dem tscheschich-radikalen Abgeord-
neten Zresl nach Kyschitz einberufenen Versammlung
kam es zu stürmischen Scenen mit den zahlreich er-
schienenen Sozialdemokraten. Lresl wurde arg ver-
prügelt und flüchtete in einen SchweinestaU, wo er
sich zwei Stunden lang verborgen hielt, bis sich die
Gegner entfernt hatten.
Kein Ort ist sicher vor Politik —
Bis zu den entlegensten Ställen
Wälzt heutzutage ihr breiter Strom
Die unaufhaltsamen Wellen!
Als tückisches Wasser erkennt diesen Strom,
Wer mit ihm schwimmt, stets aufs Neue —
Die Perle des Tschechenthums
warf er sogar
Erst neulich vor die Säue!
Krokodil
Po$$arr$ Trlumpdrug
(mit untenstehender Zeichnung)
Der große Mime Prof. Ernst von Possart
feierte kürzlich sein vierzigjähriges Bühnen-
jubiläum am Münchner Hoftheater durch eine
Aufführung der Räuber, in der er „zum letz-
ten Male" als Franz Moor auftrat.
Nach Schluß der Vorstellung wurden ihm
mit Recht begeisterte Ovationen dargebracht.
Einige hundert Studenten spannten dem Held
des Tages auf dem Heimwege die Pferde aus
und zogen den wagen des Gefeierten im
Triumphzug bis vor dessen Villa.
Unterwegs sagte ein Raffenbeamter zu ihm:
„Excellenz, dieser große künstlerische und
finanzielle Erfolg Ihrer letzten Darstellung
des „Franz Moor" verlangt eine Wieder-
holung."
„Das geht nicht, süßer Freund," säuselte
der Intendant, „ich habe angekündigt zum
letzten Male und kann mein Manneswort
nicht brechen."
„Aber das Publikum verlangt eine Wieder-
holung Excellenz," betheuerte der Rassenbeamte.
„wie wäre es, mein Lieber, wenn wir's
mal mit einem „Eingesandt aus dem
Leserkreis" in einer hiesigen Zeitung ver-
suchten," schmunzelte der geniale Bösewicht.
Bayerische „Kammer-Herren" werfen sich
gegenseitig uneheliche Kinder vor!
„Ledige" Rinder
Zn der 522. (I!) Sitzung des Landtags entspann
sich zwischen Dr. med. Gäch, Dr. Pichler und Pfarrer
Kohl ein Disput über die unehelichen Kinder in
Riederbayern, wobei Pichler dem Dr. Gäch sub rosa
solche infinuirte und Gäch erwiderte, es könnten ihm
ebensowenige nachgewiesen werden wie Pichler und
seinem Freunde Kohl. Res. Abg. Kohl bemerkt in ~
seinem Schlußwort u. A., in der heutigen Debatte seien
wesentliche neue Punkte nicht vorgebracht worden.
Reu seien höchstens die unehelichen Kinder des Dr. Gäch,
die er aber diesem selbst überlassen müsse. (Heiterkeit.)
Der Gäch und der Pichler
Ham jüngst davon gred't,
wieviel ledige Rinder
A Jeder schon hätt.
Und der Gäch hat gsagt, daß er
Net mehra thät ha'm,
Als wie halt der Rohl
Und der Pichler mitsamm'.
Dös is ja ganz recht
Und dös freut schon an Ied'n,
wann dö Herrn in der Rammer
Vom Rammerfenst'r red'n;
Aber wär's denn net besser,
Sie thät'n dös z' Haus?
Denn so kost's unser Geld,
Und es kommt net viel 'raus.
wann der Gäch aber beichtat'
Bei Pichler und Rohln,
Und die Zwoa sich beim Gäch
Dann an Rath thät'n hol'n,
Dann bräuchtens ananda
Vorm Landtag net z' frag'n!
Dann wüßt's Jeder g'wiß —
Und dürft Roaner was sag'nl
A. l>e Nora
Nr. 26
Semem lieben Ecli
Good morning, Edward! Auch wieder mal hier?
Nett, wirklich äußerst nett von Dir!
Wie geht's zu Hause? Was macht
die Verwandtschaft?
Und Madame krance, Deine neue Bekanntschaft?
Gott! Freilich: Paris! und dagegen — Kiel!
Allerdings, — wir bieten ja nicht soviel,
Aber interessantere Sachen, wer weiß?
Zum Beispiel der Hafen hier — was? —
very mce?
Und die Schiffchen, na ja!, kein großer Hanf,
Doch 6rst dass, my darling — verlaß Dich draufI
Und unsre blauen Jungen dabei,
Schau sie nur an — sind auch nicht von Blei.
Die Kerle haben verdammt viel Schneid,
Wenns drauf und dran kommt — was?
All right ?
Zum Handeln, zum Tauschen und zum Dergleichen
Ist ja natürlich nichts dergteichen!
Aber sieh mal. Edi, wenn in diesen Tagen
Die Herren Correspondenten Dich fragen,
Die 60, die Alle hinter Dir stehn*)
Und wissen möchten, was geschehn,
Wenn sie fragen, was denn der Michel wieder
Von Euch gewollt hat, — wenn von perfider
Deutscher Anmaßung wieder schwätzen
Deine Blätter und Blättchen — und gegen
uns Hetzen, —
Dann sei so gut und sag es den lieben
Vettern, Verwandten und Freunden drüben,
Daß allerdings nach Einer Gabe
Einen ehrlichen kräftigen Wunsch ich habe:
Ich will von Euch keine Kolonien,
Keinen „Grundstücktausch", keinen „Maklergewinn".
Keine „entente cordiale“ oder derlei Waare,
Keine Lieb' und Freundschaft — o Jesses!
Bewahre! —
Nicht einmal Derständniß für
mein Programm ...
Nix als mei Ruah möcht i ha'm!
Michel
*) Vergleiche das Bild auf der letzten Seite.
J UGEND
Der Strom der Politik
Jn einer von dem tscheschich-radikalen Abgeord-
neten Zresl nach Kyschitz einberufenen Versammlung
kam es zu stürmischen Scenen mit den zahlreich er-
schienenen Sozialdemokraten. Lresl wurde arg ver-
prügelt und flüchtete in einen SchweinestaU, wo er
sich zwei Stunden lang verborgen hielt, bis sich die
Gegner entfernt hatten.
Kein Ort ist sicher vor Politik —
Bis zu den entlegensten Ställen
Wälzt heutzutage ihr breiter Strom
Die unaufhaltsamen Wellen!
Als tückisches Wasser erkennt diesen Strom,
Wer mit ihm schwimmt, stets aufs Neue —
Die Perle des Tschechenthums
warf er sogar
Erst neulich vor die Säue!
Krokodil
Po$$arr$ Trlumpdrug
(mit untenstehender Zeichnung)
Der große Mime Prof. Ernst von Possart
feierte kürzlich sein vierzigjähriges Bühnen-
jubiläum am Münchner Hoftheater durch eine
Aufführung der Räuber, in der er „zum letz-
ten Male" als Franz Moor auftrat.
Nach Schluß der Vorstellung wurden ihm
mit Recht begeisterte Ovationen dargebracht.
Einige hundert Studenten spannten dem Held
des Tages auf dem Heimwege die Pferde aus
und zogen den wagen des Gefeierten im
Triumphzug bis vor dessen Villa.
Unterwegs sagte ein Raffenbeamter zu ihm:
„Excellenz, dieser große künstlerische und
finanzielle Erfolg Ihrer letzten Darstellung
des „Franz Moor" verlangt eine Wieder-
holung."
„Das geht nicht, süßer Freund," säuselte
der Intendant, „ich habe angekündigt zum
letzten Male und kann mein Manneswort
nicht brechen."
„Aber das Publikum verlangt eine Wieder-
holung Excellenz," betheuerte der Rassenbeamte.
„wie wäre es, mein Lieber, wenn wir's
mal mit einem „Eingesandt aus dem
Leserkreis" in einer hiesigen Zeitung ver-
suchten," schmunzelte der geniale Bösewicht.
Bayerische „Kammer-Herren" werfen sich
gegenseitig uneheliche Kinder vor!
„Ledige" Rinder
Zn der 522. (I!) Sitzung des Landtags entspann
sich zwischen Dr. med. Gäch, Dr. Pichler und Pfarrer
Kohl ein Disput über die unehelichen Kinder in
Riederbayern, wobei Pichler dem Dr. Gäch sub rosa
solche infinuirte und Gäch erwiderte, es könnten ihm
ebensowenige nachgewiesen werden wie Pichler und
seinem Freunde Kohl. Res. Abg. Kohl bemerkt in ~
seinem Schlußwort u. A., in der heutigen Debatte seien
wesentliche neue Punkte nicht vorgebracht worden.
Reu seien höchstens die unehelichen Kinder des Dr. Gäch,
die er aber diesem selbst überlassen müsse. (Heiterkeit.)
Der Gäch und der Pichler
Ham jüngst davon gred't,
wieviel ledige Rinder
A Jeder schon hätt.
Und der Gäch hat gsagt, daß er
Net mehra thät ha'm,
Als wie halt der Rohl
Und der Pichler mitsamm'.
Dös is ja ganz recht
Und dös freut schon an Ied'n,
wann dö Herrn in der Rammer
Vom Rammerfenst'r red'n;
Aber wär's denn net besser,
Sie thät'n dös z' Haus?
Denn so kost's unser Geld,
Und es kommt net viel 'raus.
wann der Gäch aber beichtat'
Bei Pichler und Rohln,
Und die Zwoa sich beim Gäch
Dann an Rath thät'n hol'n,
Dann bräuchtens ananda
Vorm Landtag net z' frag'n!
Dann wüßt's Jeder g'wiß —
Und dürft Roaner was sag'nl
A. l>e Nora