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Nr. 27

JUGEND

1904

Das mäiUbfn sprich! zu seinem fierzen«

Fjalberwacbte, zarte Blütben
Flehm ich gern aus seiner Fjand;

Sie verscbliessen, sie behüten
Meiner Liebe goldenes Land.

Und im kleinen stillen Zimmer
Schmück ich alle Mände aus,

Und ein seltsam tiefer Schimmer
Zittert durch das ganze Baus.

Mit den lachenden Gesichtern
Ulie ein Hmorettencbor
Canjen im Gewirr von Lichtern
Seine lieben Morte vor;

Streicheln meine beiden Mangen,
Rühren leise an mein Kinn,
nehmen mich im Kreis gefangen,

Und ich weiss nicht, wo ich bin.

Ulelch ein Schwätzen, welch ein Kosen,
Ulelch ein flüstern, stundenlangl
Und ich jage diese losen
Schelmen für den schlechten Sang.

Doch sie kommen immer wieder
Mie ein böser fliegenschwarm,

Zupfen keck an meinem Mieder,

Beissen gar in meinen Hrm!

Märtet nur! Ihr sollt mir’s büssen!
Fjabt ihr mir nichts mitgebracht?

Keine Küsse? Keine süssen
Cräume für die holde Flacht?

Denn schon leuchtet in die blaue
Dämmerung der Mond empor,

Und soweit ich staunend schaue.
Ungezählter Sterne Chor.

Und es rauscht, bewegt die flügel,
Gleitet mit dem leichten Mind;

Und es kommt ein Glanz vom Fjügel
F)ell wie liebe Rügen sind.

Ijcrman frischauf

Rleine 6elchich1en

I. Der Speicher

von Lori Ewald (Kopenhagen)

Grethe will nicht.

Es nützt alles nichts, was Vater sagt
und Mutter sagt und was das Fräulein
sagt. Vielleicht kan» sie nicht. Aber leider
ist das Lebe» nun einmal so, daß sie m u ß,
und drum schreite ich zum Aeußersten.

Ich theile ihr mit, daß sie den ganzen
Nachmittag oben auf dem Speicher zu ver-
bringe» hat. Natürlich stimmt sie ein fürch-
terliches Geheul an ... das Geheul wie's in
der Schule ertönt, wenn die Sünderecke wilikt.
Doch ich beruhige sie schon.

„Es ist nicht die geringste Schande dabei,
wenn man auf den Speicher kommt," sage
ich. „Ans den Speicher kommt ein kleines
Mädchen nur, wenn es nöthig ist, daß es
einmal recht ernstlich nachdcnkt. In Vaters
Stube kann es das nicht, denn da ist der
Vater, und in der Wohnstube auch nicht, denn
da ist die Mutter. Im Eßzimmer spielen die

Ankern, und in der Schlafkammer wird ja rein-
gemacht. Der Speicher ist der einzige Ort, wo
ein kleines Mädchen allein sein und gründlich
über alles Nachdenken kann."

Wir verfügen uns auf den Speicher.

Eine Weile ertönt Geheul über allen Wipfeln,
dann wird es still.

„Denkst Du auch schön nach?" rufe ich hinauf.

„Vater . . . darf ich hinunter .. . ?"

„Nicht vor heute Abend. Du mußt Nach-
denken, daß es für lange Zeit vorhält; ich weiß
wohl, amüsant ist's nicht auf dem Speicher,
und es wäre doch schlimm, wenn Du bald schon
wieder daran glauben müßtest."

Nach einem Weilchen rolle ich ihr eine Apfel-
sine hinauf. Und nach einem neuen Weilchen
bekommt sie einen kleinen Brief; mit großen
Buchstaben: Wie geht's, Kamerad?

Und dann rufe ich ihr wieder ein paar Worte zu.

„Vater ... bist Du überhaupt schon einmal
auf dem Speicher gewesen?" ruft sie herunter.

„Aber gewiß," antwortete ich. „Dreimal bin ich
zum Nachdenkeii oben gewesen, als ich klein war."

„Vater... ich glaube, ich brauch nicht noch
einmal hinauf."

Als es ganz Abend, dunkler Abend geworden
ist, hole ich sie herunter.

Sie hat große Augen, ihr Mund ist fest ge-
schloffen, und ernst preßt sie meine Hand.

(Aukorifirte Ueberseyung von H. Kiy)

II. Dar hinderniss

Gestern saß ich am frühe» Morgen im Stadt-
park vor zwei langgestreckten Beeten voll sammt»

ncr tiefblauer Nachtschatten. Zwischen den Beeten
lief ein schmaler Pfad, und quer über ihm lag
ein morscher Ast, der von einer alten Kastanie
hcrabgcstürzt war.

Welche Verwüstung hätte er in dieser Blumen-
pracht angerichtet, wenn er um ein Weniges wei-
ter rechts oder links nikdcrgefallen wäre! dachte
ich — da tänzelte ei» Backfisch vorbei, hob sorg-
sam das fußfreie weiße Röckchen und trippelte
um den Ast herum als wäre er eine giftige
Schlange.

Bald darauf erschien ein aller Herr, blieb
vor dem Hindernis; stehen, besah es nachdenk-
lich, klopfte daran mit dem Stock und stieg end-
lich bedachtsam darüber.

Jetzt wandelten zwei elegante Damen Arm
in Arm einher — sie stutzten einen Augenblick,
dann glitten sie graciös, die eine rechts, die
andere links — durch den schmale» Raum, der
an den Seite» noch frei war.

Ei» Leutnant folgte bewundernd ihren
Spuren, überlegte ein wenig und wählte dann,
wohl dem Zuge des Herzens folgend, die rechte
Lücke.

Im Laufe einer Viertelstunde kamen noch
viele Leute, und mich unterhielt es zu beob-
achten, wie dieselben je nach Charakter, Alter
und Toilette dem Ast auswichen oder darüber
stiegen.

Plötzlich sagte mein griesgrämiger Nachbar
verächtlich: „Bequeme, egoistischeHerdengeschöpfe!
Keines denkt daran, den Nachfolgenden de» Weg
zu ebnen, so leicht es auch wäre!"

Er sprach noch . . da kam ein ärmliches Weib
gehumpclt, blickte umher und schob den Ast zö-
gernd gegen den Rasen.

„Sehen Sie, cs gibt doch noch Altruisten!"
lächelte ich schadenfroh, da bückte sich die Alte,
brach de» Ast entzwei und barg ihn eilig in
ihrer Schürze. Rrtbur Scbubart

Münchner PostUlon-Cied

(3ur Zeichnung von wallher Georg!)
Weißblau is boarisch
Und boarisch san wir!

Und wia ma san, san ma
Und so san ma grad recht,

Wir thean uns net schama,

Wir Ham 's Rescrfadrecht
In Königreich Bayern dafür!

Weißblan is boarisch
Und boarisch san wir!

Wir san koane Preiß'n;

Dös kennt Jeder g'nau an
De Hosen, de weiß'«,

De Jankcr, de blauan
Und de Roß mit de silbernen G'schirr.
Weißblau is boarisch
Und boarisch san wir!

Und wann wir so reit'n
In' Bahnhof 'nein Alli,

Da schaug'n schon von weit'»

Dö Frcmd'n, de Lalli,

Denn so was Schön's seg'n dö ja nia!

blaule nouveaukö

Arthur Hirth
Register
Arthur Schubart: Kleine Geschichten II. Das Hinderniss
Hermann Frischauf: Das Mädchen spricht zu seinem Herzen
A. De Nora: Münchner Postillon-Lied
Arthur Hirth: Haute nouveauté
Karl Ewald: Kleine Geschichten I. Der Speicher
 
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