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Nr. 27

JUGEND

1904

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Die Verjüngung der Berliner Denkmäler

(welkere wohlgemeinte Vorschläge)

OnKekKunsk

Die Bauch- und Eiertänze der Kunstkritik haben
nach und nach eine so verblüffende Volubilität
angenommen, daß man auf Alles gefaßt fein darf.
Aber darauf waren wir doch nicht gefaßt, in einer
wenn auch sehr persönlich-willkürlich gefärbten, je-
doch immerhin geistreichen „Entwickelungsgeschichte
der modernen Kamst" (von I, Meier-Graefe, I. S. 210)
folgendem Satze zu begegnen: „Die Kunstge-
schichte wäre schon außerordentlich inter-
essant, auch wenn sie nicht von Kunst
handelte."

Eingeweihte können sich zwar ungefähr denken,
wie das gemeint ist, auch ohne die Erläuterung
des Verfassers. (Es handelt sich nämlich um ge-
wisse internationale, sprungweise hinüber und
herüber zu Tage tretende, oft sogar unbewußt über-
nommene Beeinflnßungen, mehr intuitiv-psycho-
logischen, als technisch-schulmäßigen Wesens.) Aber
wäre es zur Wahrung unserer Sprache nicht besser,
auf solche mysteriöse Satzbildungen zu verzichten?
Ist es rathsam, von einem wundervoll blauen
Himmel zu sprechen, dessen Bläue entbehrlich, —
von einem schneidigen Gockel, dessen Temperament
überstüssig sei?

Sachlich bedeutet der obige Satz die letzte Kon-
sequenz einer Betrachtungsweise, die gleichzeitig
ins ungemessene Weite schweift, alle Sinne und
alle ästhetischen Möglichkeiten einbeziehen will, und

doch auch darauf ausgeht, die einzelnen Künstler
nach verwandtschaftlichen Beziehungen einzupferchen,
ihnen möglichst viel von ihrer Individualität zu
nehmen und damit einige Lieblinge — die Onkel
der Kunst — auszustatten. Man sagt zwar nicht:
„Couture und Corot waren die Väter Victor
Müllers" (denn das wäre unnatürlich), sondern
jene waren des Letztgenannten Onkel, denen man
dann beliebig viel andere hinzufügen kann. Die
ganze Kunstkritik ist durch den Streit um die Onkel
zu einer ästhetischen Genealogie im Sinne erb-
licher Belastung geworden. Je größer die Onkel,
desto kleiner wird der Neffe, bis von des letzteren
Verdiensten zuletzt nur noch der Ruhm dessen übrig
bleibt, der den Stammbaum — entdeckt hat.

Früher beschränkte sich das „Hineingeheim-
nissen" auf das einzelne Werk des Künstlers; jetzt
fragt man schon, was die Herren Onkel wohl
heabsichtigt haben möchten, indem sie den Neffen
so oder so zu seinem Werke „inspirierten". Da-
durch wird das Interesse am Kunstwerk an sich
wahrlich nicht gesteigert. Anstatt bei jedem Künstler
zuerst danach zu fragen: „Woher hat er das ge-
stohlen, wer und wessen Kunst hat ihn be-
einflußt?" — sollte man lieber nach dem Ta-
lente fragen, das sich in seinem gelungenen
Werke offenbart, und sich dieses Werkes freuen.
Diese Freude geht durch die Manie der Kritiker,
vor allem die wirklichen oder eingebildeten „Be>
einflußungen" in Abzug zu bringen, meistens


flöten. Wer nicht ganz sattelfest ist und Aufklärung
bei den Schriftgelehrten sucht, der wird durch die
sich gegenseitig überbie'tendcn und oft widersprech-
enden MinuSmacher verwirrt und findet nur schwer
den Weg zur rechten Fährde zurück, nämlich zur
selbständigen Erkenntniß der künstlerischen Wärme
und Kraft und deS wirklichen Könnens.

Nur durch liebevolle Naturbeobachtung und
durch vieles, möglichst unbeeinflußtes An-
sehen von Kunstwerken erringt der Begabte all-
mählig eine eigene Erkenntniß. Und zwar immer
nur so viel, wie ihm nach Maßgabe seiner Reiz'
sanikeit und Nachempfindung v e r st a t t e t ist. Sach'
verständige Aufklärungen über rein Technisches und
Physiologisches können hier sehr nützlich sein, wo'
gegen die kunstgeschichtlich vergleichende Speku-
lation fast immer auf die bekannte diirre Haide
führt. Das zahlungsfähige Publikum aber? —
es schwätzt den Unsinn nach und — kauft nicht

mehr!

Georg Fjirtb

Häßliche deutsche Frechheiten!"

(I. Aus einer Rede des llltroflovcueu Dr. S Irndrzol:
„Diese Rede mußte des allgemeinen Bcrständnisscs holder
leider deutsch geholten werden.-'

2. Ter Lnibocher Gemelnderoth Hot dos Ersuchen des
Rektorates der Grazer Universität, slovcuische Üuschristeu

mit deutscher Uebcrsehiiuo z» versehe», als häßliche dentsche
Frechheit znritikgewicscn.)

Verehrte Volksgenossen! Glorreiche Slovenen!

Die Liste der häßlichen deutschen Frechheiten ist
mit dem Gebahren des Grazer Rektorates noch
lange nicht erschöpft! Diese Frechheiten sind Legion
wie der Sand am Meer! Gestatten Sie mir. nur
einige derselben gebührend zu brandmarken!

Die Deutschen haben eine Wissenschast und rüh-
men sich in der frechsten Weise derselben! Wir Slo-
venen sind leider gezwungen, wenn wir über-
haupt was lernen wollen, an den Brüsten dieser
deutschen Wissenschast zu saugen! Ich habe gesagt:
Wir sind gezwungen! Ist dieser Zwang, diese
Vergewaltigung unserer edcln Nation nicht eine
unerhört häßliche deutsche Frechheit?!

Hören Sie weiter! Die Deutschen haben eine
Literatur, die nach hunderttauscnden und aber
Hunderttausenden von Bünden zählt, während lieft
unsere slovenische Nationalliteratur ganz beauem in
einem Handkoffer unterbringcn läßt! Dieses schreiende
Mißverhältniy ist ein unleugbarer Beweis der
deutschen Ueberhebung, des rohen teuton-
ischen Uebermnthes, der am Liebsten alles
Andere erdrücken möchte! Es ist eine deutsche Frech-
heit, wie sie häßlicher nicht mehr gedacht werden kann!

Die Deutschen haben eine Weltsprache, während
uns nach einer 2—3 stündigen Bahnfahrt — gleich-
viel, in welcher Richtung — kein Mensch mehr
versteht! Das ist eine bewußte Unterjochung
des herrlichen Raslelbindcr-Jdivms! Eine neuerliche
deutsche Frechheit!

Durch diese traurigen Umstände war selbst ick
gezwungen, meine Rede deutsch zu halten! Das
ist bodenlos gemein! Das ist die allerhäßlich-
ste deutsche Frechheit!

Krokodil

Ruth für Telephonirende

(«in Hamburger Arzt wurde zu 30 Ottark Geld-
strafe verurtheilt, weil er durch zu heftiges Drehen
der Telephonkurbel ein Gehörleiden der Telephonistin
verursachte.)

wenn Du ein Telephon besitzest,

So läute niemals ungeduldig,

weil Du Dir damit gar nichts nützest

Und nur Dich machst des Angriffs schuldig.

Auch fluche nie in Teufels Namen,
wenn ab man mitten im Verkehr schellt,
Denn auf dem Amte stehen Damen,

Drum sei galant, wenn es auch schwer fällr-

V)cr immer auf Verbindung lauert,

Soll niemals Ungeduld bekunden,

Denn wcnn's auch noch so lange dauert,

Er wird doch schließlich — falsch verbündet-

Knrlchei»
Register
Krokodil: Häßliche deutsche Frechheiten!
Georg Hirth: Onkelkunst
Monogrammist Frosch: Die Verjüngung der Berliner Denkmäler
Karlchen: Rath für Telephonirende
 
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