Nr. 27
1904
Die verirrte Mine
(Sine Badegeschichte aus Norderney,
mit Zeichnungen von A. Schmidham me r>
Ls kam eine Mine angeschwirrt,
Die hat aus Japan sich herverirrt.
Sie trieb sich in Nordsee und Kattegat
Herum, wo sie gar nichts zu suchen hat.
Sie trieb nach Norderney hinein —
Dort badet Familie Löwenstein,
Sie badet die ganze Saison hindurch
Mit dem Kaufmann Meyer aus Merseburg,
Der den Litern genehm als Schwiegersohn —
Doch Röschen liebt leider den kleinen Lohn,
Und gibt ihm täglich und immerzu
Auf See ein heimliches Rendez-vous.
Heut' wartet wieder auf feinen Schah
Herr Lohn und nimmt sehr vergnüglich Platz
Auf einem Dinge, das, wie er so meint,
Als-Ruhepunkt sehr geeignet scheint.
Sieh! — Schon kommt Röschen, so hold und jung,
Sie theilt die Fluthen mit mächtigem Schwung,
Sie theilt die Mellen so meisterlich. —
Herr Lohn, vor Wonne ganz außer sich,
Springt einen Meter hoch in die Luft —
JUGEND
Dann saust er herunter. — Da hat es gepufft!
Ein Höllenkrach und ein Donnergetön —
Und von Lohn war leider nichts mehr zu sehn,
Nur später schwamm seine Hose an's Land,
Die Röschen als die des Geliebten erkannt. —
Lin Jahr noch grämte sie sich hindurch,
Dann nahm sie den Meyer aus Merseburg.
Hufruf des
Vereins katholiTcher Sefangener in Bagern!! *)
Endlich kommt es zu einer reinlichen Scheidung
zwischen den katholische» und nicht katholischen
Strafgefangenen Bayerns, welche wir mit Ge-
nugthuung begrüßen!
Ls war ein Schlag gegen die °/s-Majorität
unsres Standes, daß wir mit Protestanten und
Juden zusammengesperrt wurden, und wir haben
die Ungerechtigkeiten und Mißstände dieses wieder
echt liberalen (!) Systems als eine schwere Be-
drückung unserer Gewissensfreiheit empfunden l
Die Personalien haben auch hier wieder eine
Rolle gespielt!
Ls sollen z. B. Fälle vorgekommen sein, wo
Protestanten und Juden im I. Stockwerk einge-
sxerrt waren, während sich katholische Mitgefangene
mit dem II. und III. (l) begnügen mußten. Wie
schwer es für das Gewissen eines katholischen
Lumpen ist, Wochen, Monate oder vielleicht Jahre
seines Lebens in Zellen zubringen zu müssen,
welche vorher ein Nichtkatholik bewohnt hat, kann
*) 23ei der Verhandlung des bayrischen Linanzaus-
schuffes über die Lrbauung zweier neuer Gefängnisse,
die nur für katholische Missethäter bestimmt sein
sollen, wurde das Prinzip der Trennung nach
Lonfefsionen von den ultramontanen Abge-
ordneten warm begrüßt, während der liberale Schlau-
meier vr. Laffelmann n i ch t damit einverstanden
war. Als vr. Laffelmann zugleich den Wunsch einer
Lonfessionsstatistik der Gefangenen aus-
sprach, meinte der ultramontane vr. Daller, „in der
vorliegenden Sache sei der Konfessions-
streit unberechtigt".(! !> Kultusminister Wehn er
«heilte dann mit, im Mai habe es 5585 katholische,
1110 protestantische und 28 jüdische Gefangene ge-
geben.
mair leicht ermessen. Manche von uns sind bah""
aus solchen unreinen Behältnissen mit Gewalt
ausgebrochen, aber wenn sie erwischt wurde",
vielleicht sogar durch protestantische Richter wieder
in dieselben unwürdigen Zustände zurückversetz'
worden! Lin so geringes verständniß findet na"!
heutzutage unter der angeblichen „Herrschaft de--
Lentruins" ein katholischer Lin- und Ausbrecher
im katholischen Bayern! Welcher Stand würde
sich dies bieten lassen?
Ls ist daher hohe Zeit, daß hier einmal grü"d'
lidj Wandel geschaffen wird. Wir sind überzeugt,
daß jeder 2lngehörige unseres Standes zehnmal
lieber ins Gefängniß wandern wird, wenn er
weiß, daß dasselbe kein gemischt-conses'
sionelles Lulüpanarium ist, daß nicht eine nivel-
lirende Simultanzuchthäuslereiden Bode» für
das Lindringcn fremder Elemente in unsre Zucht'
Häuser ebne. Iluser Ziel sei, allmählich die lieber-
zcugung ins Volk zu tragen, daß, wie nur a"-
rein confessionellen Universitäten tüchtig"
Wissenschaft, ebenso nur aus rein confef-
sioneilen Gefängnissen eine gesunde (mit rc!)
Gefangenen-Generation hervorgehen kan"-
Die Statuten des Vereins sind bereits Herr"
Dberlandesgerichtsrath Lerno in Vorlage <J*
bracht.
Mit Gott denn frisch auf ins confefsionell ge-
reinigte Zuchthaus!
Hus {ßammutb-Cand
Drüben ist Alles riesenhaft im Lande der n"'
begrenzten Möglichkeiten. Alle Ziffern steigen
Größe phantastischer Ungeheuer auf. Alles ist
Mammuth! Anderswo haben die Häuser vie"
oder fünf Stockwerke — dort zwanzig — Mai"'
muth! Anderswo brennt einmal ein Haus ab,
oder zwei — dort werden ganze Städte zu Asch"
— Mammuth! Anderswo faßt ein Vergnügung^'
dampfer ein paar hundert Leute — dort ein paar
Tausend — Mammuth! Anderswo ist solch ei"
Schiff vielleicht ein Dutzend Jahre alt — dort
stammt es noch aus der Zeit Abraham Lincoln^
— Mammuth I Anderswo greift die Behörde ei>>
und verbietet den verbrecherischen Leichtsinn, mit
einem wackeligen, morschen Holzkasten, der scho"
vor Jahren als „wahre Zunderbüchse" erklärt wor
den ist, das Leben der Passagiere aufs Spiel z"
setzen — aber „Mammuth" ist dort auch die per-
sönliche Freiheit des smarten Geschäftsmannes,
Mammuth die Gewissenlosigkeit des Dollarjägers
— und Mammuth ist die Zahl seiner Opfer!
Zwölfhundert Leichen treiben im Waffel
des Stroms — ein Mammuth-Rekordl Mal"'
muth ist auch die Feigheit und Nachlässigkeit des
Personals I Und Mammuth, ungeheuerlich wäre"
auch die Leiden der Opfer. Langsam verbrannt,
zertreten, zertrampelt, zerdrückt in tollem ver-
zweifeltem Kampfe, im wilden Ringen von Todes-
angst und entsetzlich geinarterter Mutterliebe
nicht schnell und barmherzig hingeschlachtet,
diese unselige Hekatombe I Familien vernichtet,
unglückliche Eltern und Gatten zum Irrsinn gl"
trieben, Seelenqualen ausgelöst, für die es kein"
Worte gibt — aber eine Menge Dollars gespart
für Rettungsringe und Löschgeräthschaftenl Das
Volk, das just mit der erweiterten Monroedoktri"
den Grundsatz aufstellen zu wollen scheint: das
Weltall den Amerikanern I, läßt im Schooße sein"'
Mammuth - Hauptstadt Greuel geschehen, die d""
verknöchertste, rückständigste Polizeibeamte im letztes
Rest des alten Europa zu verhindern gewußt hätte-
Und diese grimmige Ironie des Schicksals ist a»"!
— Mammuth!
—r.-
1904
Die verirrte Mine
(Sine Badegeschichte aus Norderney,
mit Zeichnungen von A. Schmidham me r>
Ls kam eine Mine angeschwirrt,
Die hat aus Japan sich herverirrt.
Sie trieb sich in Nordsee und Kattegat
Herum, wo sie gar nichts zu suchen hat.
Sie trieb nach Norderney hinein —
Dort badet Familie Löwenstein,
Sie badet die ganze Saison hindurch
Mit dem Kaufmann Meyer aus Merseburg,
Der den Litern genehm als Schwiegersohn —
Doch Röschen liebt leider den kleinen Lohn,
Und gibt ihm täglich und immerzu
Auf See ein heimliches Rendez-vous.
Heut' wartet wieder auf feinen Schah
Herr Lohn und nimmt sehr vergnüglich Platz
Auf einem Dinge, das, wie er so meint,
Als-Ruhepunkt sehr geeignet scheint.
Sieh! — Schon kommt Röschen, so hold und jung,
Sie theilt die Fluthen mit mächtigem Schwung,
Sie theilt die Mellen so meisterlich. —
Herr Lohn, vor Wonne ganz außer sich,
Springt einen Meter hoch in die Luft —
JUGEND
Dann saust er herunter. — Da hat es gepufft!
Ein Höllenkrach und ein Donnergetön —
Und von Lohn war leider nichts mehr zu sehn,
Nur später schwamm seine Hose an's Land,
Die Röschen als die des Geliebten erkannt. —
Lin Jahr noch grämte sie sich hindurch,
Dann nahm sie den Meyer aus Merseburg.
Hufruf des
Vereins katholiTcher Sefangener in Bagern!! *)
Endlich kommt es zu einer reinlichen Scheidung
zwischen den katholische» und nicht katholischen
Strafgefangenen Bayerns, welche wir mit Ge-
nugthuung begrüßen!
Ls war ein Schlag gegen die °/s-Majorität
unsres Standes, daß wir mit Protestanten und
Juden zusammengesperrt wurden, und wir haben
die Ungerechtigkeiten und Mißstände dieses wieder
echt liberalen (!) Systems als eine schwere Be-
drückung unserer Gewissensfreiheit empfunden l
Die Personalien haben auch hier wieder eine
Rolle gespielt!
Ls sollen z. B. Fälle vorgekommen sein, wo
Protestanten und Juden im I. Stockwerk einge-
sxerrt waren, während sich katholische Mitgefangene
mit dem II. und III. (l) begnügen mußten. Wie
schwer es für das Gewissen eines katholischen
Lumpen ist, Wochen, Monate oder vielleicht Jahre
seines Lebens in Zellen zubringen zu müssen,
welche vorher ein Nichtkatholik bewohnt hat, kann
*) 23ei der Verhandlung des bayrischen Linanzaus-
schuffes über die Lrbauung zweier neuer Gefängnisse,
die nur für katholische Missethäter bestimmt sein
sollen, wurde das Prinzip der Trennung nach
Lonfefsionen von den ultramontanen Abge-
ordneten warm begrüßt, während der liberale Schlau-
meier vr. Laffelmann n i ch t damit einverstanden
war. Als vr. Laffelmann zugleich den Wunsch einer
Lonfessionsstatistik der Gefangenen aus-
sprach, meinte der ultramontane vr. Daller, „in der
vorliegenden Sache sei der Konfessions-
streit unberechtigt".(! !> Kultusminister Wehn er
«heilte dann mit, im Mai habe es 5585 katholische,
1110 protestantische und 28 jüdische Gefangene ge-
geben.
mair leicht ermessen. Manche von uns sind bah""
aus solchen unreinen Behältnissen mit Gewalt
ausgebrochen, aber wenn sie erwischt wurde",
vielleicht sogar durch protestantische Richter wieder
in dieselben unwürdigen Zustände zurückversetz'
worden! Lin so geringes verständniß findet na"!
heutzutage unter der angeblichen „Herrschaft de--
Lentruins" ein katholischer Lin- und Ausbrecher
im katholischen Bayern! Welcher Stand würde
sich dies bieten lassen?
Ls ist daher hohe Zeit, daß hier einmal grü"d'
lidj Wandel geschaffen wird. Wir sind überzeugt,
daß jeder 2lngehörige unseres Standes zehnmal
lieber ins Gefängniß wandern wird, wenn er
weiß, daß dasselbe kein gemischt-conses'
sionelles Lulüpanarium ist, daß nicht eine nivel-
lirende Simultanzuchthäuslereiden Bode» für
das Lindringcn fremder Elemente in unsre Zucht'
Häuser ebne. Iluser Ziel sei, allmählich die lieber-
zcugung ins Volk zu tragen, daß, wie nur a"-
rein confessionellen Universitäten tüchtig"
Wissenschaft, ebenso nur aus rein confef-
sioneilen Gefängnissen eine gesunde (mit rc!)
Gefangenen-Generation hervorgehen kan"-
Die Statuten des Vereins sind bereits Herr"
Dberlandesgerichtsrath Lerno in Vorlage <J*
bracht.
Mit Gott denn frisch auf ins confefsionell ge-
reinigte Zuchthaus!
Hus {ßammutb-Cand
Drüben ist Alles riesenhaft im Lande der n"'
begrenzten Möglichkeiten. Alle Ziffern steigen
Größe phantastischer Ungeheuer auf. Alles ist
Mammuth! Anderswo haben die Häuser vie"
oder fünf Stockwerke — dort zwanzig — Mai"'
muth! Anderswo brennt einmal ein Haus ab,
oder zwei — dort werden ganze Städte zu Asch"
— Mammuth! Anderswo faßt ein Vergnügung^'
dampfer ein paar hundert Leute — dort ein paar
Tausend — Mammuth! Anderswo ist solch ei"
Schiff vielleicht ein Dutzend Jahre alt — dort
stammt es noch aus der Zeit Abraham Lincoln^
— Mammuth I Anderswo greift die Behörde ei>>
und verbietet den verbrecherischen Leichtsinn, mit
einem wackeligen, morschen Holzkasten, der scho"
vor Jahren als „wahre Zunderbüchse" erklärt wor
den ist, das Leben der Passagiere aufs Spiel z"
setzen — aber „Mammuth" ist dort auch die per-
sönliche Freiheit des smarten Geschäftsmannes,
Mammuth die Gewissenlosigkeit des Dollarjägers
— und Mammuth ist die Zahl seiner Opfer!
Zwölfhundert Leichen treiben im Waffel
des Stroms — ein Mammuth-Rekordl Mal"'
muth ist auch die Feigheit und Nachlässigkeit des
Personals I Und Mammuth, ungeheuerlich wäre"
auch die Leiden der Opfer. Langsam verbrannt,
zertreten, zertrampelt, zerdrückt in tollem ver-
zweifeltem Kampfe, im wilden Ringen von Todes-
angst und entsetzlich geinarterter Mutterliebe
nicht schnell und barmherzig hingeschlachtet,
diese unselige Hekatombe I Familien vernichtet,
unglückliche Eltern und Gatten zum Irrsinn gl"
trieben, Seelenqualen ausgelöst, für die es kein"
Worte gibt — aber eine Menge Dollars gespart
für Rettungsringe und Löschgeräthschaftenl Das
Volk, das just mit der erweiterten Monroedoktri"
den Grundsatz aufstellen zu wollen scheint: das
Weltall den Amerikanern I, läßt im Schooße sein"'
Mammuth - Hauptstadt Greuel geschehen, die d""
verknöchertste, rückständigste Polizeibeamte im letztes
Rest des alten Europa zu verhindern gewußt hätte-
Und diese grimmige Ironie des Schicksals ist a»"!
— Mammuth!
—r.-