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Die weihe Lilie

Alle Rosen, die im Garten glühen,
Maienglockenduft und Veilchenblau,

Alle Lilien, die so brennend blühen,

Alles brech' ich Dir, geliebte Frau!

Bog für Dich das Dach der Schattenlaube,
Pflückte Dir der Früchte rotes Gold;

Aus dem Rebcugang die Purpurtraube
Bringt ihr Feuer Dir als süßen Sold.

Eine Lilie träumt an Gartens Ende,
Wildniß dämmert heimlich drum und dicht,

Segnend breit' ich drüber meine Hände,
Breche Dir die eine Lilie nicht.

Quillt des Mondes Strahlenfülle nieder
Schimmernd über Busch und Blüthenflor,

Sankt Jörg, mein 5rühling!

In meinen Kindheitstränmen sah ich Dich
Vom zarten Luftgewölk der Liebesblüthe
Umwittert, Friihling!

Das Leben wuchs, die Aehre neigte sich.

Der dnstberauschte Blüthentraum verblich,

Das Flammenwort des heißen Kampfes sprühte
Aus schwerem Wctterfluß.

Jetzt — wie Sankt Georg durch das Taumcht bricht,
In Stahl gehüllt und in den Augen Sehnen,

So kommst Du, Frühling.

Und hcil'gc Glut umstrahlt Dein Angesicht.

Heiliger Lande fernes Firnenlicht

Hast Du entschleiert. Jene süßen Thränen

Trocknet Dein Morgcngruß.

Ich will von Deiner sieggewohnten Hand
Vasalle sein, in Deinem Odem streiten,

Sankt Jörg, mein Frühling.

Aus harter Roth blüht uns das hcil'gc Land.

Sankt Jörg, ein rothes Kreuz trägt mein Gewand!
In seinem Brand erkämpf' an Deiner Seiten
Ich meinen Todeskuß.

Krwin («uido liolbenlieycr

Hebt sie scheu die Blumenaugenlider,

Lächelt andachtsvoll zum Licht empor.

Und den Steig herab mit Elfentritten
Kommt's verstohlen wie ein lieber Traum,

Wie ein lichtes Märchen leis geschritten,
Beugt sich zu des Kelches Silbersaum.

Holde Hände sch' ich fromm sich schließen,
Betend vor dem Heiligsten der Nacht,

Und aus süßen Frauenaugen fließen
Pcrlcntropfcn in die weiße Pracht.

Blitzt der Tag durch glüh'ude Wolkensäume,
Schützend birgt der Kelch den nächt'gen Thau.

Brich sie nicht vom stillen Beet der Träume,
Laß die eine blüh'n der holden Frau!

Fritz Krdner

Handlung

Wo der goldgelbe Weizen am höchsten steht,

Zwischen Mohn und Rade, da fand ich die Gret'.

Ich zupft' ihr am Zopf und tippt' ihr ans Lätzchen,

Da rief sie zornig und zog mir ein Frätzchen,

Als ob eine Spinn' ihr darüber kroch:

„O Du alter, böser Hans,

Geh doch!"

Wo der Farrnkrautwcdcl am höchsten steht,

Zwischen Tann' und Birke, da fand ich die Gret';

Ich zog sie ins Moos hinterm Hasclstöckchcn,

Ich faßte sic fest und nestelt' am Röckchen
Und lacht' ihr ins Oehrchen, . . . kaum wehrte sie noch:
„O du böser, lieber Hans,

Geh doch!"

Wo das Korn auf der Scheuer am höchsten steht,
Zwischen Stall und Tenne nun sucht mich die Gret'!
Sie zupft mir am Bart und drückt mich ans Lätzchen,
Sie zieht mich ins Stroh und flüstert: „Mein Schätzchen," —
Der Kobold nur hört es im Bodculvch —

„O du lieber, süßer Haus,

Bleib doch!"

W, T.
Register
Erwin Guido Kolbenheyer: Sankt Jörg, mein Frühling
Any Dähne: Zierrahmen
Fritz Erdner: Die weiße Lilie
W. T.: Wandlung
 
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