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(Warum Aneifek öurchfiek

Die Herren Studenten Pflegen bekanntlich niemals
aus Unwissenheit, wohl aber aus den verschiedensten
anderen Ursachen durchzufallen. Ein ganz besonderer,
noch nie vorgekommener Fall trat aber bei Kneifel
ein. Als nämlich die letzten Ferien vor der großen
Prüfung da waren, hatte er zwar noch nichts studirt,
beschloß aber, sic trotzdem, eben weil sie die letzten
waren, ans anmuthige Art zu verbringen. Und zwar
wollte er diesmal reisen. Reisen bildet bekanntlich
gar sehr — wer weiß, dachte er, ob das römische
Röcht, das sich aus den Büchern so schlecht studirt,
mir nicht plötzlich angeflogen kommt? Lustveründer-
ungen haben ja schon so viel bewirkt! Uni aber mit
dem Nützlichen das Angenehme zu verbinden, be-
schloß er, eine recht.. trinkbare Gegend zu besuchen.
Schon ein flüchtiger Blick auf die statt einer Land-
karte zu Rathe gezogene Weinkarte seines Stamm-
restaurants überzeugte ihn, daß eine Rheinreise für
ihn am zuträglichsten märe. Kneise! trieb somit prak-
tische Geographie.

Auch aus der Reise iutercssirte er sich weniger für
Ruinen-Denkmäler, römische Wasserleitungen, goth-
ische Kirchen und Gemnldegallerien — das, fand er,
ist ewig dasselbe, verschieden sind nur die Getränke.
Die aber studirte er so eifrig, als sollte er auf dem
Grunde des Bechers den Stein der Weisen entdecken
Aber Kueiscl war ein fein gestimmter, kein gewöhn-
licher Trinker. Auch ihm erschienen wie in Schiller's
glühender „Dithyrambe" die Götter nimmer allein:
auf „Bachus den Lustigen" folgte „Phöbus" mit dem
— Fremdenbuch.

Ja, niit dem Fremdenbuch; lieber Leser, bist Du
einmal als rheinfahrender Mann in den dämmerigen
Weinstuben jenes glücklichen Gaues gesessen, so kennst
auch Du die anmuthige Sitte, dem Gaste das eyr-
würdigeBuch zu überreichen, worin die verschiedensten
Leute aus den allerverschiedensten Länder» sich im
Lobe des Rebensaftes vereinen.

Was Kneifel betrifft, so war das gerade seine
starke Seite; er hielt darauf, sich an jedem Punkte,
wo er verweilte — natürlich war dieser Punkt ein
Wirthshaus — würdig cinzuzcichnen: er konnte keine
tvciße Wand sehen, ohne ein paar kräftige Reime mit
öigens mit geführten rothen und blauen Stiften säuber-
lich hiuzumalen; in jeder Bahnstation, aus jeder
Aussichtswarte verewigte er sich. Ja selbst in die
von Amtswegen auszufüllenden Meldezettel, die ihm
in den Gasthöfen gereicht wurden, schrieb er zum
Staunen des Garpon und künftigen Ingrimm der
Obrigkeit kurze, aber ausgiebige Sprüchlein. Aus
den Rheindampfern schmückte er die weißen Tische
und Bänke mit ganzen Liedern, ausgesührt in schwar-
zer Kohle; er hätte am liebsten ein saftiges Weinlob
auch auf den schwarzen Kamin geschrieben — mit
weißer Kreide — wurde aber vom Capitän verhindert.
Und überall stand unter seinen Werken in großen
Lettern: Max Kueiscl, Oanck. jur. t'ecit 1890.

Einige Zeit nachher saß Kneifel im Examen. Al?
der Professor des römischen Rechtes eintrat, sagte er
blos: „Also,.Sie sind der, der im heurigen Sommer
dre Rheinlande so verschmiert hat?" Der Professor
hatte ebenfalls die übliche Rheintour gemacht. Sonst
wurde nichts mehr von Belang in diesem Examen
gesprochen. Darum fiel Kneifel durch.

Emil Rechert

Galgenhumor

New - ?) orker: „Sie staben mir die Stiefel gut geputzt."
Schiffbrüchiger Leutnant: „Ja, Garde bleibt Garde!"

Die Rühe

Marschfertig saßen wir auf der Bank vor
der Sennhütte und warteten auf einen säumige»
Gefährten. Vor uns lag tief eingebettet zwischen
waldigen Bergen der geräumige Almkessel; dar-
über verstreut weideten zahlreiche Kühe im saft-
igen, thaufrische» Gras.

Ei» kurzes dumpfes Brüllen ließ uns auf-
schauen; am Rande der Alm, wo die erste»
Tannen emporragten, stand ein Kalb, welches
den seltsamen Schrei ausgcstoße» hatte. Zu-
gleich bemerkten wir unter den weidenden Kühen
eine Bewegung, sie hoben die Köpfe und setzten
sich bedächtig der Schallrichtung nach in Beweg-
ung; ja sogar die Ruhenden erhoben sich schwer-
fällig »nd folgten den Andern. Schließlich hatte

sich die ganze Herde, etwa dreißig Stück, in
einem Zeugen Kreis versammelt und starrte auf
jene Stelle, vor der das Kalb noch immer
regungslos mit ausgespreizten Beinen stand.

Dort unten lag der Aufbruch des Hirsches,
de» wir am Abend vorher geschossen batte». —

„Merkwürdig, daß auch diese stumpfsinnigen
Thiere sich so prompt verständigen!" staunte
mein Freund ...

Es ist die Mutterliebe — auch dem fremden
Kalb gegenüber — die all diese Thiere bewog,
zu etwaiger Hilfe herbeizueilen... ging es mir
durch den Kopf. . .

„San halt gar neugieri, d'Weiber ..
meinte lakonisch der Jäger.

Arthur Schubart

Belehrung

„Mau unterscheidet steute drei grosse
Kunstrichtungen: die dekorative, die im-
pressionistische und die m e i n i g e 1"

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Register
Albert Weisgerber: Galgenhumor
Arthur Schubart: Die Kühe
Emil Rechert: Warum Kneifel durchfiel
Monogrammist Frosch: Belehrung
 
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