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Nr. 29

1904

JUGEND

Oie

armen kranken Illcycrs!

®c,itTeman, ein ganz einwandfreier,

>n Berlin der Professor Meyer,

man

oebe„

wegen Schwindeln? — wie absurd 1 —

Alz'x, ^"bandelt und verknurrt I
Bux • !renn>anit war er irreprochabel,

Lg U'Jnc Gesundheit war miserabel I
®emi» ?s' et Hab' um sein gutes Geld
^°<6 hts ■ - c'ncn Kellner geprellt —

Btt jj ist es an den Tag gekommen:

H»d }3tlnc' ^cr hatte Brom genommen
Dg§ s Oiirkt schlecht aufs Gedächtniß c>

Und !>,. Jedem geläufig sein!

D^ v(r um sein Geld am andern Morgen
K„t yCf r ^am in Ängsten und Sorgen,
iVgii ^inen peller bekommen,

dg„ Jlleycr Ricinus öl genommen.
Aon,,?^^sn der Wirkung von diesem Trank
Fest"^er Meyer nicht ans die Bank,

Pg^ er gebannt an das W. C.,
t)crt U^üvindel aber war keine Idee!

,,. yer wohnt' im feinsten Botel,

«bl

» wohl er ganz blank war finanziell
D' außerdem auch besaß eine Wohnung —
j“Jagten die Leute ohne Schonung,

^ ^ Gläubigern hätt' er wollen eutfltcl^ it
Rfrv ^ibcl! wie sehr verkannten sie ihn!

ly. -. wii sehr verkannten sie
La^i^^'cr ist nämlich ein Diabetiker,

Irr

wohnt er als Peripatetiker
lVo> h"r, bald dort — Gewiß versteht
Und ^ ö^iitten an Diabetes!

^Ntn^^'a seine Frau bei einem Bazar
stzgk j °udcte zwanzig Mark in Baar,

In ^ ^ bestimmt — ich versichere Sie! —
l>»d '".sch Anfall von Hysterie;

Djg.chunderte sie mit sanftem Gckose

rrn im Seebad — geschah's aus LHlorose;
!vg/ ** die Leute mit frecher Erfindung,

Und S >salge von einer Bauchfellentzündung;
Sg L^jnn ex was kauft' und zahlt' es nicht,
K„t,„ er Nolik, oder Gicht,

Ivgr,ch dies unselige Ehepaar
Die gwwend, wie nie noch ein zweites war. —
3„ cjt,'1ei1 Meyers I Sie kommen wohl d'rum
ll»d U schatlichcs Sanatorium,

Lnrje-ch Idyllischen Plötzensee

" wan sie gratis von ihrem Weh.

Ti-

-ÄKfchrecKungorecht

lichkei.E uH^emcine Erbitterung über die Unzuläng-
tzdhe ""ieresAbschreckungsrechles ist aus einer
S„ "chlelangt. die nicht mehr — übersehen werden
muß etwas zu Gunsten des gesunden
Dg/nverstandcs geschehen. Und zwar bald!
U,n sich dabei nicht ui» Belehrung vor und
chiatrj.-^Ekung nach der Unthat, oder gar um psh-
berßjjchl?. Tchönsnrbcrcien handeln kann, ist selbst-
kinsaa, j tch. Der gesunde Menschenverstand kalkuliert
b°g g w! Es lauien Tausende und Abertausende
^'ssenlosen Individuen frei herum, die im
ÜHcit1,'uärc». die größten Scheußlichkeiten und
Achtet? begehen, wenn sie nicht die Strafe
tfebet y*• Also wirkt die Strafe abschreckend!
b°n it>evM,er un® kennt persönlich eine ganze Anzahl
Jutta,,, ,en Mitmenschen, denen er das Unerhörteste
Üe Juri’, eben nicht die Angst vor den Folgen
d°r der r, Einen schreckt schon die Scheu

pn, n, «etnste» Fwiheitsstrasc, ja sogar schon vor
pr »jf,.wnntwerdcn der Missethat ab, während
poha,, °ee sich seine Enthaltsamkeit nur durch An-
N L>mx"/^ll"'eer Leiden abkausen läßt. Hier liegt
Mtp " "egrabcn: Langjähriges Zuchthaus und
i^rg,, enthalten heute bei der milden Durch-
"wure,. ? .leser Strafen für viele Verbrechcr-
.Ärüh^eiUe genügende Abschreckung mehr!
Ai, j,’ LlDar das anders. Da war das Mitleid
pus^^^^^^^ern noch geringer, als das mit
r hleidß,?^'.. las man noch nicht in Zeitungen
“■ B. ei« ^Milderungen der „Seelenqualcn," denen
besetzt -, iwn Tode verurthciltcr Lustmörder aus-
Da sagte man sich einfach: Hat der Kerl

gewußt, daß seine That straf- und fluchwürdig war,
so muß er ordentlich „dafür büßen, damit allen
anderen, die etwa Ähnliches im Schilde führen,
die Lust dazu gründlich vergehe!

Diese vernünftige, der Noth abgerungene Schluß-
folgerung unserer Altvordern scheint sich unter dem
Kreuzfeuer einer falschen Sentimentalität und einer
noch falscheren Psychologie gänzlich zu verkrümeln.
Und da, >vo etwa noch die richtige Einsicht in die
wahren Quellen des Uebels vorhanden ist, sträubt
man sich gegen die Wiedereinführung der Prügel-
strafe und des von den Unholden noch mehr ge-
fürchteten Lynchens, weil man denjenigen, die das
warnende Beispiel in Szene zu setzen haben, nicht
die erforderliche Selbstbeherrschung zutraut. Man
scheut mit einem Worte die thätliche Mißhand-
lung, die rohe Handarbeit, weil sie eben wieder
verroht.

Aber gibt es nicht empfindliche Leiden, die wir
alle — gestehen wir es nur offen! — tagtäglich bei
Tausenden unserer unschuldigen Mitmenschen
sehen, ohne uns darüber gar so schrecklich auszuregen?
— Leiden, die wir auch den Schweinehunden
der Kultur zu kosten geben könnten, ohne dabei
die Hand zu rühren? — Oder sind wir schon
so weit heruntergekommen, daß wir Hunger und
Frost, diese ständigen Gäste der Armuth, zwar in
den elenden Hütten der Freien, nicht aber in den
soliden Prachtlokalen der Zuchthäusler zu wissen —
ertragen können?

Man stoße die „Unholde" — die Lustmörder und
Raubthiere in Menschengestalt — nackt in eine un-
geheizte Kasematte und öffne das Loch nicht eher,
als bis der Hungertod eingetreten ist. Will man
sie aber nicht tödten, so sperre man sie lebens-
länglich ein und pfeffere ihre Einzelhaft nicht
etwa nur durch „Wasser und Brod" (das Lieblings-
gericht der Abstinenzler), sondern durch recht zahl-
reiche kalte Hungertage; dann werden sich's ihre
latenten Kameraden zehnmal überlegen, ehe sie ihrer
bestialischen Roheit die Zügel schießen lassen. Es ist
schändlich, daß die Unholde in ihren Käfigen reichlich
gefüttert werden, während Millionen unserer un-
schuldigen Brüder und Schwestern in der men-
schenmordendcn Freiheit elend umkommen. Und fast
noch schändlicher ist es, diejenigen nicht ernstlich
durch warnendes Beispiel abzuschrecken, die mit ihren
verbrecherischen Gelüsten frei unter uns herumlaufen.
Machen wir uns durch das perverse Mitleid mit den
Schnstcn nicht zu Mitschuldigen an künftigen
Unthaten? Winkt doch den Unholden, die es auf
Leben und Blut der Schuldlosen, ja sogar unschul-
diger Kinder abgesehen haben, das holde Zucht-
haus!

Einen vernünftigen Sinn aber wird das wieder
„unhold" gemachte Zuchthaus alsAbschreckungs-
anstall erst dann haben, wenn für glle Missethäter
schon nach dem zweiten oder dritten Rückfall
die lebenslängliche Einsperrung erfolgt, und
zwar bei schwerer Arbeit. Wenn man in den

Anhaltspunkte e- wwu

„3 moan als, öö kenn >. Mann s ma
nur a watschn einihaun ivoUt, daß i mi
auskennet."

GerichtSvcrhandlungen regelmäßig von den „zehn
oder zwanzig Vorstrafen" der Angeklagten liest,
so kommen Einem unwillkürlich die Fragen: Ist denn
der Staat ein dummer Junge, mit dem das Ge-
sindel Schindluder treiben darf, und sind wir stcuer-
zahlenden Staatsbürger denn dazu verurtheilt, zeit-
lebens als Versuchskaninchen für eine cynische
Verbrccherbande unser Dasein zu fristen? — wer gibt
dem Staate das hundsmiserable Recht, die
Bestien immer auf's Neue gegen die anständige Ge-
sellschaft loszulassen? — Willst Du Deine dumme
Binde ewig vor den Augen behalten, Justizia, und
nicht sehen, daß Du durch Deine blödsinnige „Von
Fall zu Fall-Gerechtigkeit" selber zur Verb rech crin
an der Menschheit wirst?

Keorg Birth

Regenperiode in der lOcindlcliurei

Unser auf dem Kriegsschauplätze wettender Spezial
Korrespondent sandte uns das nachfolgende stimm-
ungsvolle

Nachtlied

lieber^ allen Wipfeln ist Wasser,

Die Gegend wird immer nasser,

Ss ist's hier der Brauch.

Alles ersäuft in der Halde,
warte nur, balde
Ersäufst Du auch.

Oierleldutzend-Oenkmäler

In Berlin ist ein Haydn-Mozart-Beet-
Hoven-Monument enthüllt worden und zwar ohne
jedeFeicrlichkeit, einfach durch Entfernung dcSBretter-
zaunes. Nicht einmal der große Richard Wagner-
Commerzienrath, dem Haydn ohnedies nie einen
Groschen für Fettschminken und Nasenwachs zu ver-
dienen gegeben, hielt eine Rede. Die einzige of-
fizielle Persönlichkeit, die mit der Enthüllung dieses
bürgerlichen Civclisten-Denkmals zu thun hatte, war
ein Schutzmann; er schrieb einen Gejangvereln
wegen nächtlicher Ruhestörung auf, weil jener den
drei Tonheroen Abends ein Ständchen brachte. Glor-
reich, wie diese Enthüllungsseier, ist übrigens die
ganze Idee des Denkmals: An einem dreikantigen
Massiv stehen in drei Nischen die drei Büsten der
drei großen Männer. Wäre noch ein vierter Musi-
kant dazu gekonimeu, Johann Strauß, Keler Bela,
Sonsa, .Karl Maria v. Weber, Leoucavallo oder
Qfscnbach, so hätte das Denkmal eben vier Seiten
mit vier Nischen bekommen. Bei sechs, acht Berujs-
genossen hätte man je zwei Nischen übereinander
angeordnct und so könnte man, je nach dem zur
Verfügung stehenden Raum in die Höhe oder in die
Breite bauen. Auch an sich ist der Gedanke, mehrere
Männer verwandter Art in einem Denkmal zu
ehren, reizvoll. So ließen sich zusammen aushauen
etwa: Berthold Schwarz, der das Pulver ersunden
hat, Herr v. Mirbach und Botschafter Speck v. Stern-
burg : oder Albrecht Dürer, Knacksuß, Kossack und
Gustav Eberlein; oder Cicero, Stadthagen, De-
mosthenes und Gras Bülow; oder Immanuel Kant,
Houston Stewart Ehamberlain, Spinoza und Oskar
Älunienthal ; oder Hermann der Cherusker, Alexander
der Große, Papa Wränget und Herr v. Podbielski
u.s. w. u.s. w. Und da der Platz allmählich knapp
wird im Berliner Thiergarten, könnte ma» so bei
größter Raumökonomie noch einer endlosen Reihe
dringender DenkmalSbcdürsnisse genügen. Dabei
siele auch das so lästige Kopfzerbrechen über einen
künstlerischen Einfall vollkommen weg! Ha»»

Das Höchste!

Im ungarischen Reichstag hat der Exminister
Baron Banffy erklärt, es sei seine Ueberzcngung,
daß die Zukunft des ungarischen Staates mit den
Interessen der Dynastie verbunden sei, daß
es im Einvernehmen mit der Dynastie möglich sei,
den im Sinne des ungarischen Ehau-
v i n i s m » s ausgefaßten ungarischen Staat auf-
zubauen. —

Die „Republik mit einem Großherzog"
war schon da. Jetzt hat sie der oft gehäutete
Ulagyar durch die Idee der „Revolution im
Einvernehmen mit dem König" überbotenl
ssille Gchtung, schnaidigös Lhauvinistl

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Register
Pips: Die armen kranken Meyers!
Fritz Frh. v. Ostini: Das Höchste!
Hanns (Hans): Vierteldutzend-Denkmäler
[nicht signierter Beitrag]: Regenperiode in der Mandschurei
Erich Wilke: Anhaltspunkte
Georg Hirth: Abschreckungsrecht
 
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