1904
JUGEND
Nr. 29
Der Tarifkampf
(mit obiger (Zeichnung)
3, ^roifdjen der Lunard-Linie und der Hamburg-
lUeriKa-pacKetfahrtgeseUschast tobt ein erbitterter Lon-
i^enzkampf, der in gegenseitigem Unterbieten der
^Ql)t-preife seinen Ausdruck findet.
j. Erster Agent: Billigste Fahrkarten nach
"terika > Samt Verpflegung fast geschenkt I
t! iZiveiler Agent: ssäohsts! ss'iohsts! Uer uill
k ^bts? Ain Pfund kor der Stuck! (Ein Hei«
Ln .5 erscheint auf dem Plan. Beide Agenten
'Nächtigen sich seiticr.)
Weisender: Nu hären Sä ...
Erster Agent: Für zehn Mark nach Amerika I
Zweiter Agent: vor five Shilling!
. Erster Agent: Für einen Thalcr l Sie reisen
n»t uns!
..Weisender (wird zwischen den beiden Agenten
utheud hi,,- und hergezerrt, nach Luft schnappend):
Ntschnldigen Sä, meine Herrn —
F'neitcr Agent: You braucken nix pay, nix
lu Mal!
F0 Erster Agent: Ebenfalls Gratisfahrt 1 Schiffs-
"Zerte! Damenkaxelle! Glänzendes verguügungs-
^^>°Tramm! Großartige Soupers! Täglich Lham-
^ Zweiter 21gent: Nock mehr ploasurs, nock
"hr Vergnügen anck uock mähr Damen!
ein Erster Agent: Wir besorgen Ihnen in Amerika
" hiillionencrbin zur Fraul
ptiscndcr: Ich bin Sä ja schon vcrhairath't!
h,» , circr 2lgent: ^ll right l Air vollen bcsal
bchaidung!
s^. Erster Agent: Und wir HeiratHen Ihre gc-
(Eh "e Frau! Linsteigen! Es ist höchste Zeit l
'U den Reisenden mit Gewalt davonschlepxcn.)
"eisender: Nu werden Sä aber uich un>
Ui?'ethlich I Wceß Anebbchen, ich will Sä ja gar
' nach Amerika!
äwcircr Agent: You raisen not?
tfeiscnder: Nu nee! Ich will Sä nach DräsenI
Rn^^^er Agent (drebt ihm empört den Rücken):
Dresden? Ordinärer Kerl!
Q0(Vlv>cttet- Agent (versetzt ihm einen Fußtritt):
' "NM I Krokodil
Ein alter „Mikosch"
Fm Großen Berliner Ausstellungspark,
^» kostet der Eintritt 'ne halbe Mark.
«lur ift’s Qn schönem Sommerabend
•JPr unterhaltlich und sehr erlabend.
®>> amüsirt sich mit Kunstkritik,
^ Mkt Bier und genießt die Blechmusik:
Sim? Meinst und Blech, wird mir zugeflüstert,
Aum sthr häufig eng verschwistert.
v,. M siehe man daselbst zu jeder Zeit
Kl mtereffante Weiblichkeit.
£i n ist- wie ich in der (Zeitung gelesen,
®Qtne aus Rorwegen dort gewesen,
Und *om "mH Berlin zu den Frau'nkongressen
wollte im Grünen zu Abend effen,
Rahm Play und wünschte die Speisekarte,
welche sie aber vergebens erharrte;
Denn der Herr „Dber", der grimmig schnob,
Wies sie hinaus, sacksiedegrob,
Aus dem Paradiese, mit der Bedeutung:
„Für Damen ohne Herrenbegleitung —
Det sag ick Sie een für alle Mal —
Wird nischt jereicht in dieset Lokal!"
(Zwar nannte sie ihren Ramen dem Dber,
Der aber wurde nur immer grober
Und sagte: „Ra, na! Det kennt man schon!
Sie jehören zur Prostitution!"
Die Dame rief mit gekränktem Sinn:
„Ich bin eine Frau Ministerin
Und werde mich bei meinem Gesandten
Beschweren, haben Sie mich verstanden?"
Der Dber lächelte überlegen:
„Ru ja! So thun Se et, meenetwejen!
Ick bin nämlich ooch nich erst von jestern
Und kenne die Friedrich-Straßen Schwestern!
Und wat mein Herr Lhef ist, der sagte immer:
„von alle die scheinen Frauenzimmer
Mit Federhut, Boutongs und Schleppe
Ist jede Dritte hier eine — Demimondaine'
Ru Hab' ick jenau jezählt, ick bitte:
Und Sie Madameken, sind die Drittel"
So sprach im sittenstrengen Berlin
Der Kellner zu der Ministerin,
Dann schmiß er sie 'raus, trotz Ach! und Dl —
Lin alter „Mikosch" endigt sol iMp»
Geld her!
„Gott sei Dank, 's ist nur der Gerichts-
vollzieher!" sagte ein verschuldeter Rommcr-
zicnrarh, „Ich dacht' schon, 's war Mirbach."
2wet Oerkiner Parka,nentstempi
Was sinnt ihr, was zögert ihr? Volldampf voraus!
Hurrah! Zur Attacke geritten!
Die städtische Fleischbeschau ist uns ein Graus,
Man hat sie zu lange gelitten.
Drum kommt nun, ihr Herren, von ferne und nah,
Und stimntt nur und redet nicht 1 Hip, hip, hurrah!
Fühlt der hohe Reichstag sich dagegen
Wegen der Diäten — ach — verkürzt,
Dann muß man dies reiflich überlegen,
Daß man sich nicht etwa überstürzt.
Nur nicht vorschnell handeln, wie die Knaben!
Jedes gute Ding will Weile haben.
Nur schnell mit dem neuen Ansiedlungsgesetzl
Ein Zeitverlust wäre da Sünde.
Was soll uns das Reden, was soll das Geschwätz?
Wir brauchen die Mehrheit, nicht Gründe.
Wir wissen ja alles schon aus dem ff.
Wozu debattiren? Rur vorwärts! Töff, töff!
Aber in die Mirbach'sche Geschichte
Brachte der Minister noch kein Licht.
Denn er hat bis jetzt nur vier Berichte,
Die genügen selbstverständlich nicht.
Eh' nicht alle Akten foliirt sind,
Weiß er nicht, ob wir kompromittirt sind.
l'ildo
Michel! I)orch, der Seewind pfeift!
Graf Moy im bayr. Reichsrath: „Die Erörter-
ung meines Antrages auch in der Presse hat die von
mir längst gehegte Ueberzeugung befestigt, daß der
religiöse und politische Friede wesentlich gefördert würde,
wenn die Geistlichen sich von der politischen Arena
fernhalten."
Der nationalliberale Abg. Rohrhurst im bad. Land-
tag : Ls sei viel die Rede gewesen, von der Störung
des konfessionellen Friedens durch die Presse. Dem-
gegenüber möchte er doch bemerken, daß der kon-
fessionelle Friede vornehmlich gestört werde durch den
Kleinkrieg um die einzelne Menschenseele,
sei es am Tauftisch, am Traualtar oder an dem
Sterbebett.
Michel! Horch, der Seewind pfeift!
Hörst Du's fern im Dstcn schallen?
Der Geschicke Würfel fallen —
Zwischen Völkern tobt der Streit —
Horch!
„Ich habe keine Zcitl
Muß nur immer?luhe schaffen
Zwischen meinen lieben Pfaffen,
Viel gewalt'gcr tobt ihr Streit 1"
Michel! Horch, der Seewind pfeift!
Hörst Du, wie sich mit Behagen
Deine Feinde rings vertragen,
Thcilend unter sich die Beut'?
Horch!
„Ich habe keine Zeit!
Muß mich hier nur immer plagen,
Daß die Hetzer sich vertragen —
Ach, ich selber bin die Beut'l"
Michel! Horch, der Seewind pfeift!
während Du vergehst im Zanke,
Nimmt der Nankce, Brit' und Franke
Sich auf Erden, was ihn freut —
Horch!
„Ich habe keine Zeit!
Laß sie nur die Erde rauben!
wenn die Pfaffe» cs erlauben,
Bleibt mir doch des Himmels Freud'."
A. I>e Nora
(mit Zeichnung auf der nächsten Seite!)
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JUGEND
Nr. 29
Der Tarifkampf
(mit obiger (Zeichnung)
3, ^roifdjen der Lunard-Linie und der Hamburg-
lUeriKa-pacKetfahrtgeseUschast tobt ein erbitterter Lon-
i^enzkampf, der in gegenseitigem Unterbieten der
^Ql)t-preife seinen Ausdruck findet.
j. Erster Agent: Billigste Fahrkarten nach
"terika > Samt Verpflegung fast geschenkt I
t! iZiveiler Agent: ssäohsts! ss'iohsts! Uer uill
k ^bts? Ain Pfund kor der Stuck! (Ein Hei«
Ln .5 erscheint auf dem Plan. Beide Agenten
'Nächtigen sich seiticr.)
Weisender: Nu hären Sä ...
Erster Agent: Für zehn Mark nach Amerika I
Zweiter Agent: vor five Shilling!
. Erster Agent: Für einen Thalcr l Sie reisen
n»t uns!
..Weisender (wird zwischen den beiden Agenten
utheud hi,,- und hergezerrt, nach Luft schnappend):
Ntschnldigen Sä, meine Herrn —
F'neitcr Agent: You braucken nix pay, nix
lu Mal!
F0 Erster Agent: Ebenfalls Gratisfahrt 1 Schiffs-
"Zerte! Damenkaxelle! Glänzendes verguügungs-
^^>°Tramm! Großartige Soupers! Täglich Lham-
^ Zweiter 21gent: Nock mehr ploasurs, nock
"hr Vergnügen anck uock mähr Damen!
ein Erster Agent: Wir besorgen Ihnen in Amerika
" hiillionencrbin zur Fraul
ptiscndcr: Ich bin Sä ja schon vcrhairath't!
h,» , circr 2lgent: ^ll right l Air vollen bcsal
bchaidung!
s^. Erster Agent: Und wir HeiratHen Ihre gc-
(Eh "e Frau! Linsteigen! Es ist höchste Zeit l
'U den Reisenden mit Gewalt davonschlepxcn.)
"eisender: Nu werden Sä aber uich un>
Ui?'ethlich I Wceß Anebbchen, ich will Sä ja gar
' nach Amerika!
äwcircr Agent: You raisen not?
tfeiscnder: Nu nee! Ich will Sä nach DräsenI
Rn^^^er Agent (drebt ihm empört den Rücken):
Dresden? Ordinärer Kerl!
Q0(Vlv>cttet- Agent (versetzt ihm einen Fußtritt):
' "NM I Krokodil
Ein alter „Mikosch"
Fm Großen Berliner Ausstellungspark,
^» kostet der Eintritt 'ne halbe Mark.
«lur ift’s Qn schönem Sommerabend
•JPr unterhaltlich und sehr erlabend.
®>> amüsirt sich mit Kunstkritik,
^ Mkt Bier und genießt die Blechmusik:
Sim? Meinst und Blech, wird mir zugeflüstert,
Aum sthr häufig eng verschwistert.
v,. M siehe man daselbst zu jeder Zeit
Kl mtereffante Weiblichkeit.
£i n ist- wie ich in der (Zeitung gelesen,
®Qtne aus Rorwegen dort gewesen,
Und *om "mH Berlin zu den Frau'nkongressen
wollte im Grünen zu Abend effen,
Rahm Play und wünschte die Speisekarte,
welche sie aber vergebens erharrte;
Denn der Herr „Dber", der grimmig schnob,
Wies sie hinaus, sacksiedegrob,
Aus dem Paradiese, mit der Bedeutung:
„Für Damen ohne Herrenbegleitung —
Det sag ick Sie een für alle Mal —
Wird nischt jereicht in dieset Lokal!"
(Zwar nannte sie ihren Ramen dem Dber,
Der aber wurde nur immer grober
Und sagte: „Ra, na! Det kennt man schon!
Sie jehören zur Prostitution!"
Die Dame rief mit gekränktem Sinn:
„Ich bin eine Frau Ministerin
Und werde mich bei meinem Gesandten
Beschweren, haben Sie mich verstanden?"
Der Dber lächelte überlegen:
„Ru ja! So thun Se et, meenetwejen!
Ick bin nämlich ooch nich erst von jestern
Und kenne die Friedrich-Straßen Schwestern!
Und wat mein Herr Lhef ist, der sagte immer:
„von alle die scheinen Frauenzimmer
Mit Federhut, Boutongs und Schleppe
Ist jede Dritte hier eine — Demimondaine'
Ru Hab' ick jenau jezählt, ick bitte:
Und Sie Madameken, sind die Drittel"
So sprach im sittenstrengen Berlin
Der Kellner zu der Ministerin,
Dann schmiß er sie 'raus, trotz Ach! und Dl —
Lin alter „Mikosch" endigt sol iMp»
Geld her!
„Gott sei Dank, 's ist nur der Gerichts-
vollzieher!" sagte ein verschuldeter Rommcr-
zicnrarh, „Ich dacht' schon, 's war Mirbach."
2wet Oerkiner Parka,nentstempi
Was sinnt ihr, was zögert ihr? Volldampf voraus!
Hurrah! Zur Attacke geritten!
Die städtische Fleischbeschau ist uns ein Graus,
Man hat sie zu lange gelitten.
Drum kommt nun, ihr Herren, von ferne und nah,
Und stimntt nur und redet nicht 1 Hip, hip, hurrah!
Fühlt der hohe Reichstag sich dagegen
Wegen der Diäten — ach — verkürzt,
Dann muß man dies reiflich überlegen,
Daß man sich nicht etwa überstürzt.
Nur nicht vorschnell handeln, wie die Knaben!
Jedes gute Ding will Weile haben.
Nur schnell mit dem neuen Ansiedlungsgesetzl
Ein Zeitverlust wäre da Sünde.
Was soll uns das Reden, was soll das Geschwätz?
Wir brauchen die Mehrheit, nicht Gründe.
Wir wissen ja alles schon aus dem ff.
Wozu debattiren? Rur vorwärts! Töff, töff!
Aber in die Mirbach'sche Geschichte
Brachte der Minister noch kein Licht.
Denn er hat bis jetzt nur vier Berichte,
Die genügen selbstverständlich nicht.
Eh' nicht alle Akten foliirt sind,
Weiß er nicht, ob wir kompromittirt sind.
l'ildo
Michel! I)orch, der Seewind pfeift!
Graf Moy im bayr. Reichsrath: „Die Erörter-
ung meines Antrages auch in der Presse hat die von
mir längst gehegte Ueberzeugung befestigt, daß der
religiöse und politische Friede wesentlich gefördert würde,
wenn die Geistlichen sich von der politischen Arena
fernhalten."
Der nationalliberale Abg. Rohrhurst im bad. Land-
tag : Ls sei viel die Rede gewesen, von der Störung
des konfessionellen Friedens durch die Presse. Dem-
gegenüber möchte er doch bemerken, daß der kon-
fessionelle Friede vornehmlich gestört werde durch den
Kleinkrieg um die einzelne Menschenseele,
sei es am Tauftisch, am Traualtar oder an dem
Sterbebett.
Michel! Horch, der Seewind pfeift!
Hörst Du's fern im Dstcn schallen?
Der Geschicke Würfel fallen —
Zwischen Völkern tobt der Streit —
Horch!
„Ich habe keine Zcitl
Muß nur immer?luhe schaffen
Zwischen meinen lieben Pfaffen,
Viel gewalt'gcr tobt ihr Streit 1"
Michel! Horch, der Seewind pfeift!
Hörst Du, wie sich mit Behagen
Deine Feinde rings vertragen,
Thcilend unter sich die Beut'?
Horch!
„Ich habe keine Zeit!
Muß mich hier nur immer plagen,
Daß die Hetzer sich vertragen —
Ach, ich selber bin die Beut'l"
Michel! Horch, der Seewind pfeift!
während Du vergehst im Zanke,
Nimmt der Nankce, Brit' und Franke
Sich auf Erden, was ihn freut —
Horch!
„Ich habe keine Zeit!
Laß sie nur die Erde rauben!
wenn die Pfaffe» cs erlauben,
Bleibt mir doch des Himmels Freud'."
A. I>e Nora
(mit Zeichnung auf der nächsten Seite!)
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Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der Tarifkampf"
A. De Nora: Michel! Horch, der Seewind pfeift!
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Arpad Schmidhammer: Geld her!
Krokodil: Der Tarifkampf
Frido: Zwei Berliner Parlamentstempi
Pips: Ein alter Mikosch
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der Tarifkampf"
A. De Nora: Michel! Horch, der Seewind pfeift!
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Arpad Schmidhammer: Geld her!
Krokodil: Der Tarifkampf
Frido: Zwei Berliner Parlamentstempi
Pips: Ein alter Mikosch