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JUGEND

Sommer

I» dieses Morgens zartgeschliffne Schale

Hat nun der Heiland all sein lichtes Blut

Verschüttet. Silbern leuchten Bach und Thale.

Ein Rosenstrauch, der halb noch schlummernd ruht,

Wiegt seinen Traum an meine Fensterscheibe».

Mattgelbe Seide, quillt die Sounenfinth.

So selig athmend kann das Herz nur bleiben,

Sv in sich still, nur einen Morgen lang.

Bald, ahn' ich, werden wieder Sturme treiben.

Und eh der Amsel lockend Lied verklang.

Die Mondessichel dunkle Garben schneidet,

Vergißt das Herz, was ihm der Morgen sang.

Mein ist das Glück, das wie ein Seufzer scheidet.

Hans Müller

Die Petition

von Hanns Heinz Ewers <Laprl)

lieber die Haushälterin des Herrn Pfarrers Liborius
Dornblüth zu Gampelskirchen hätte auch das allerliberalste
Witzblatt keine Scherze machen können. Sie war nahe an
die Siebzig und konnte bequem die Großmutter des jungen
Pfarrers fein, der erst im Jänner seinen siebenundzwanzig-
stc» Namenstag gefeiert hatte. Aber wenn Pfarrer Dorn-
bliith auch eine Zwanzigerin zur Köchin gehabt hätte, so
hätte sich doch in der ganze» Gegend kaum eine böse Zunge
gesunden, die sich einen faulen Witz erlaubt hätte. Der
Herr Pfarrer, das stand fest, nahm es ernst mit seine»
Pflichten, so blutig ernst, daß seine Borgesetzte» manchmal
mit den Köpfen schüttelten. Ter bischöfliche Bicar, der ihn
vom Seminar her kannte, hatte erst unlängst zum Bischof
gesagt:

„Cm. Hochwürden, von dem Pfarrer Dornblüth werden
wir noch einmal außerordentliches erleben."

Der Pfarrer ging auf in seiner Arbeit. Die Seelsorge,
bv er auf's Peinlichste erfüllte, ließ ihm, da seine Ge-
meinde nur klein war, viel freie Zeit, und diese Zeit füllte
er theils mit einem angestrengten Studium, thcils mit
Kranken- und Armenbesuchen aus. Aber obwohl feststand,
daß er den ganzen Jahresertrag seines kleinen Vermögens
und sicher die Hälfte seiner Pfarrgelder zu wohlthätigen
Zwecken hergab, obwohl man ihm ansah, daß er sich die
Pfennige absvarte, um sie den Armen geben zu können,
genoß er doch keine rechte Beliebtheit.

Der einzige Luxus, den sich der Pfarrer gönnte, war das
Abonneinent aus drei oder vier Dutzend klerikale Blätter.
Er begnügte sich nicht mit deutschen Zeitungen, er hielt
auch den „Osservatore Cattolico,“ die ,,La Croix,*' sowie
belgische und spanische Organe. Auch bekam er allmonat-
lich eine Sendung von Büchern aus der Bibliothek zu
Würzburg. Die Herren von der Presse kamen bald hinter
diesen Eifer, so blieb es denn nicht aus, daß Pfarrer
Dornblüth unbezahlter und also um so beliebterer Mit-
arbeiter an einer ganzen Reihe von katholischen Blättern

Peter Behrens

wurde. — Wie alles, so nahm er auch diese Mitarbe«
außerordentlich ernst, er seilte und schliss stundenlang #l
seinen Artikeln herum und oft genug kam es vor, daß c
die ganze Nacht hindurch bis zur Frühmesse arbeitete.

Die alte Haushälterin, die sah, wie ihr Herr sich körpe^
lich ruinierte, wie seine Wangen täglich eingefallener r>n
bleicher wurden, setzte sich eines schönen Tages hin u»
schrieb einen langen Brief nach Würzburg. Sie könnt
sich daS schon erlauben, sie war bei dem Vorgänger
Borvorgänger des Pfarrers, nun schon über vierzig Jwst
auf dein Pfarrhos und kannte die Herren da oben säst
persönlich.

Der Bicar, der sich für Dornblüth interessierte, spr"^
mit dem Bischof. Es lag aus der Hand, daß die biebeie
Alte kein Wort zu viel gesagt hatte, es mußte also züw
Besten des Pfarrers etlvas geschehen, wenn auch gegen fe'ne!
Willen. Nach langem Bcrathen fand man einen Ausweil
Die Schulaufsicht in der Gegend von Gampelskirchen w"
frei geworden, da der alte Pfarrer, der sie bisher ansüb»'
gebeten hatte, ihn davon zu entbinden. Diesem Gesuch wun
also entsprochen und Liborius Dornblüth die Schnlinspcctw'
übertragen. Mit dieser für den so jungen Pfarrer ist"»
besonder» Auszeichnung konnte man aber leicht den Wunstl
verbinden, „man erwarte, daß der Pfarrer nunmehr st"s
publicistische Wirksamkeit einschränke, um die neue Thütiiste'
nicht zu vernachlässigen". Man hoffte, auf diese Weise, ohm
den Pfarrer irgendwie zu verletzen, ihn von der gejundhcn'
schädlichen Nachtarbeit fern zu halten; auch, glaubte W0"'
würde das Herumreisen in die verschiedenen Ortschaften un
Dörfer des ziemlich ausgedehnten Bezirkes von kräftigende
Wirkung für ihn sei».

Liborius Dornblüth dankte tief gerührt für die ihm flc'
wordene Auszeichnung. Er stellte sofort jede Mitarbeit
den Blätter» ein, ja, er bestellte sämtliche Abonnements
und behielt nur ein kleines Kreisblättchen bei. Dafür abe
tvidmete er sich niit wahrem Feuereifer der Schulaufsiflh'
glücklich, seiner Kirche ans einem neuen Gebiete dienlich st";
zu können. Seine Revisionen ivurden bald der Schreck ave
Schullehrer, an keinem Tage konnte man vor seinem Beststs,
sicher sein. Heute war er in Dingelfiugen, morgen 1
Nculötting, übermorgen in Traunheim. Dabei hörte e
stundenlang dem Unterrichte zu, stellte selbst Fragen und '
schäftigte sich mit allen Einzelheiten. Es läßt sich um>
leugnen, daß die Resultate, die in dieser Zeit in ^
Schulen seines Bezirkes erreicht wurden, ganz außerorden '
lich gut waren, geradezu überraschend waren die Fortschritt 1
die von den Kindern in der Religion gemacht wurden.

„Wann's so weitergeht," sagte eines Abends der dü^
Pfarrer von Bambach zu seinen Stamnltischfreunden 1
,Blauen Ochsen', „wann's so wcitergeht, so kenn« dö B»ab
bald selber aus d' Koanzl steig'». Unsaoans braucht'^ 1
uimma!" ,,

-Eines Abends kam Pfarrer Dornblüth ganz otll,

geregt von einer Tagsahrt heim. Er faßte sich forttvährs:
mit de» Händen an den Kops und vermochte keinen D’l!
Suppe zu essen. . „

„Es geht nicht so weiter!" ries er. „Man muß da e
schreiten!" . •>«

„Um Gottes Willen, Hochwürden, was ist denn passtet
fragte erschreckt die alte Haushälterin. .

Er antwortete nicht, aber als sie nicht nachließ und i»""
wieder fragte, wurde er ausgebracht.

„Die Botanik!" schrie er wild. „Die Botanik!" ,eg

Er besann sich sofort und bereute sein mischm"
Aufbrausen.

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Register
Peter Behrens: Zierleiste
Hanns Heinz Ewers: Die Petition
Hans Müller: Sommer
 
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