1904
J UGEND
Nr. 35
Biedermeiers Automobil-Hymnus
(Mit Zeichnung von Julius Diez)
Hebers Auteln Hab' bis dato ich gcurthcilt streng, wie Cato, und begreistich in der That, o! ist dies auch.
Denn der Staub ist unermeßlich und der Anblick oft recht häßlich, der Geruch ist einfach gräßlich und der Rauch!
Ich vcrsteh's, wen» bei dem Nasen durch die sommerdürren Straßen d'rum das Publikum die Nasen manchmal rümpft,
Wenn da, aufgeschreckt, ein Jedes, das im Staube schleicht per poäes, auf den Protzen im „Mercedes“ zornig schimpft.
Ja, in früheren Semestern pstcgt' ich auch so grob zu lästern — aber seit ich selber gestern drinnen fuhr,
Hab' erkannt ich im Gemüthe, daß ein Fahrzeug erster Güte das Töff-Töff — es ist die Blüthe der Kultur!
Erstens ist das Tempo riesig, ob die Straße glatt, ob kiesig — eben war der Mensch noch hiesig — eins, zwei, drei! —
Ist in pfeilgeschwindem Sausen er auch schon in Wolfratshausen — eins, zwei, drei! auch wieder draußen und vorbei!
Achtzig Kilometer machen in der Stunde, in der schwachen, wir — der Schnellzug wird mit Lachen überholt,
Neben uns ist er 'ne Schnecke, kommt er förmlich nicht vom Flecke, wie er auch zu diesem Zwecke keucht und kohlt!
Durch die Dörfer gcht's mit Klirren, Hühner gackern, Tauben schwirren, Mütter jammern, Kinder irren schaarenweis',
Radler purzeln, Roß und Reiter, Kühe rennen immer weiter, auf das Dach auf einer Leiter klimmt ein Greis;
Der Tourist entflieht in Schleune hinter Hecken, hinter Zäune, oder kriecht in eine Scheune, wie verrückt,
Daß man ihn nicht massakriere, dann verrammelt er die Thüre, bang, daß man ihn überführe und zerstückt!
Schmerzlich ob so schauderbarer, aller Ueberlegung baarer Thorheit schaut der Mvtorfahrer ihnen zu,
Kläglich däucht ihm dies Gewimmer, er ist doch kein Stier, kein schlimmer, und er kann doch bremse» immer auch im Nu!
Bremsen mit metall'nen Bändern, oder an den Funkenspendern, viermal Uebersetzung ändern auf der Stell',
Regeln des Benzines Leitung und die Gasgemischbereitung — und des Motors Vorwärtsgleitnng hemmt sich schnell!
Solch ein Aut, ein gut geführtes, gut geschmiertes, konstruiertes, ohne Tadel funktioniert es jeder Zeit,
Nur Tags dreimal in der Regel fährt der Gummireif in Nägel oder Scherben, die ein Flegel hingestreut.
Dies erblickt man, dann erschrickt man und dann flickt man und verpickt man aber auch sofort geschickt man schleunigst ihn.
Schlimmer schon ist die Bescheerung, streikt das Aut und die Erklärung lautet: Mangel an Ernährung durch Benzin!
Rathlos blickt man in die Runde, Jammerlau' entflieht dem Munde, weil man noch so manche Stunde bis zur Stadt,
Wo in wohlgemess'nen Gaben jener Lebenssaft zu haben, d'ran sich die Motore labe», oft noch hat.
Dann vor seinen Vierzylinder spannt man Rösser oder Rinder, zum Gespött der bösen Kinder, voller Scham;
Nur mit schwerer Ueberwindung fügt man sich in die Verbindung und man schimpft auf die Erfindung dann infam!
Aber schnell zu neuen Flügen gcht's mit wachsendem Vergnügen und man kneipt in vollen Zügen reine Luft,
Weil den Staub, den wir erregen hinterher auf unser'» Wegen, And're einzuathmen pflegen und den Dust.
Förmlich werden uns're Lungen, tief zu athmen da gezwungen und von Sauerstoff durchdrungen, wie noch nie.
Und um niemals umzuwerfen, müssen sich die Sinne schärfen und natürlich auch der Nerven Energie!
Auch mit Unrecht wird bekrittelt, daß man schrecklich wird geschüttelt — nein! Im Gegentheil vermittelt uns das Aut,
Daß wir Wohlsein ihm verdanken, es verhindert das Erkranken, weil man bei dem sanften Schwanken gut verdaut!
Ob die Welt in Hundstagshitze koche, siede, brate, schwitze, ich, ans meinem Autositze habe kühl.
Gleich dem heiter'» Maienwinde, weht's um's Antlitz frisch und linde, daß ich wahrhaft köstlich finde dies Gefühl —
Kurz, ich will nichts weiter sage», als die Fahrt im Motorwagen schafft unendliches Behagen! Jedermann
Schaffe, der in seinen Mappen die bewußten braunen Lappen hat, um diesen zu berappen, einen an!
Biedermeier mlt ei
J UGEND
Nr. 35
Biedermeiers Automobil-Hymnus
(Mit Zeichnung von Julius Diez)
Hebers Auteln Hab' bis dato ich gcurthcilt streng, wie Cato, und begreistich in der That, o! ist dies auch.
Denn der Staub ist unermeßlich und der Anblick oft recht häßlich, der Geruch ist einfach gräßlich und der Rauch!
Ich vcrsteh's, wen» bei dem Nasen durch die sommerdürren Straßen d'rum das Publikum die Nasen manchmal rümpft,
Wenn da, aufgeschreckt, ein Jedes, das im Staube schleicht per poäes, auf den Protzen im „Mercedes“ zornig schimpft.
Ja, in früheren Semestern pstcgt' ich auch so grob zu lästern — aber seit ich selber gestern drinnen fuhr,
Hab' erkannt ich im Gemüthe, daß ein Fahrzeug erster Güte das Töff-Töff — es ist die Blüthe der Kultur!
Erstens ist das Tempo riesig, ob die Straße glatt, ob kiesig — eben war der Mensch noch hiesig — eins, zwei, drei! —
Ist in pfeilgeschwindem Sausen er auch schon in Wolfratshausen — eins, zwei, drei! auch wieder draußen und vorbei!
Achtzig Kilometer machen in der Stunde, in der schwachen, wir — der Schnellzug wird mit Lachen überholt,
Neben uns ist er 'ne Schnecke, kommt er förmlich nicht vom Flecke, wie er auch zu diesem Zwecke keucht und kohlt!
Durch die Dörfer gcht's mit Klirren, Hühner gackern, Tauben schwirren, Mütter jammern, Kinder irren schaarenweis',
Radler purzeln, Roß und Reiter, Kühe rennen immer weiter, auf das Dach auf einer Leiter klimmt ein Greis;
Der Tourist entflieht in Schleune hinter Hecken, hinter Zäune, oder kriecht in eine Scheune, wie verrückt,
Daß man ihn nicht massakriere, dann verrammelt er die Thüre, bang, daß man ihn überführe und zerstückt!
Schmerzlich ob so schauderbarer, aller Ueberlegung baarer Thorheit schaut der Mvtorfahrer ihnen zu,
Kläglich däucht ihm dies Gewimmer, er ist doch kein Stier, kein schlimmer, und er kann doch bremse» immer auch im Nu!
Bremsen mit metall'nen Bändern, oder an den Funkenspendern, viermal Uebersetzung ändern auf der Stell',
Regeln des Benzines Leitung und die Gasgemischbereitung — und des Motors Vorwärtsgleitnng hemmt sich schnell!
Solch ein Aut, ein gut geführtes, gut geschmiertes, konstruiertes, ohne Tadel funktioniert es jeder Zeit,
Nur Tags dreimal in der Regel fährt der Gummireif in Nägel oder Scherben, die ein Flegel hingestreut.
Dies erblickt man, dann erschrickt man und dann flickt man und verpickt man aber auch sofort geschickt man schleunigst ihn.
Schlimmer schon ist die Bescheerung, streikt das Aut und die Erklärung lautet: Mangel an Ernährung durch Benzin!
Rathlos blickt man in die Runde, Jammerlau' entflieht dem Munde, weil man noch so manche Stunde bis zur Stadt,
Wo in wohlgemess'nen Gaben jener Lebenssaft zu haben, d'ran sich die Motore labe», oft noch hat.
Dann vor seinen Vierzylinder spannt man Rösser oder Rinder, zum Gespött der bösen Kinder, voller Scham;
Nur mit schwerer Ueberwindung fügt man sich in die Verbindung und man schimpft auf die Erfindung dann infam!
Aber schnell zu neuen Flügen gcht's mit wachsendem Vergnügen und man kneipt in vollen Zügen reine Luft,
Weil den Staub, den wir erregen hinterher auf unser'» Wegen, And're einzuathmen pflegen und den Dust.
Förmlich werden uns're Lungen, tief zu athmen da gezwungen und von Sauerstoff durchdrungen, wie noch nie.
Und um niemals umzuwerfen, müssen sich die Sinne schärfen und natürlich auch der Nerven Energie!
Auch mit Unrecht wird bekrittelt, daß man schrecklich wird geschüttelt — nein! Im Gegentheil vermittelt uns das Aut,
Daß wir Wohlsein ihm verdanken, es verhindert das Erkranken, weil man bei dem sanften Schwanken gut verdaut!
Ob die Welt in Hundstagshitze koche, siede, brate, schwitze, ich, ans meinem Autositze habe kühl.
Gleich dem heiter'» Maienwinde, weht's um's Antlitz frisch und linde, daß ich wahrhaft köstlich finde dies Gefühl —
Kurz, ich will nichts weiter sage», als die Fahrt im Motorwagen schafft unendliches Behagen! Jedermann
Schaffe, der in seinen Mappen die bewußten braunen Lappen hat, um diesen zu berappen, einen an!
Biedermeier mlt ei