Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karl Bauer (München)

Gestalten, die in Letzterer entstunden,

Sie wurden Dir, wie wirkliche, vertraut —
Drum liest sich Alles, was Du frei erfunden,

Als hättest Du persönlich es geschaut.

Ach, Deine Muse war in goldnem Haar
Ein Feenkind — ich glaube immer fester,

Daß sie des Volkslieds Base und die Schwester
Von Meister Moriz Schwindens Muse war!

Zugleich bedeutend und doch harmlos immer,
Vucllklar und nie gespickt mit Phrasendunst,

So war Dein Lied, voll Glanz und

Farbenschimmer,

Kunstlos sich gebend, aber feinste Kunst I
Selbst beim Gebrauche der antiken Form —
Z»m Beispiel jenes Metrums mit sechs Füßen —
Fehlt's Dir am goldnen Wohllaut nicht,

am süßen,

Und auch natürlich bleibst Du da enorm!

Gar manchmal klingt ein Hauch in

Deiner Dichtung

Aus jener Zeit, die meinen Namen führt,

Der sogenannten Biedermaierrichtung —
Doch wird er nie als philiströs verspürt!

Das Beste nur, was damals uns erblüht,

Hast Du bewahrt, Behaglichkeit im Kleinen,
Gemcffne Freude am ästhetisch Feinen
Und ein naives, freundliches Gcmüth!

Und Dein Humor! D! Der ii't einfach goldig!
Zum Beispiel in der Mär vom sichern Mann,
vom Hutzelmännlein, welches schlan-koboldig
Dem Schustersepp das vronele gewann;

Und ferner in dem Bodensee-Idyll,

Im Dialog von „eingemachten Gurken" —

Den nenn' ich einen ausgemachten Schurken,

Der Dir die Palme da bestreiten will!

Das Wort — bei Andern meist gar

unverdaulich! —

Von Heimathkunst — auf Dich paßt's

unbedingt,

Durch dessen edles Hochdeutsch oft so traulich
Ein sanfter Hauch von echtem Schwäbisch klingt!
Dann hebst Du wieder herrlich Dich empor,

Zu Höh'n, die auch kein Goethe überklettert,

Daß Einer, der in Deinen Werken blättert,

Zu blicken glaubt durch schöner Welten Thor!

Und Lines noch: So flüssig und behende
Dein Versfuß eilte, hast Du dennoch blos
Nur wenig Bändchen und nicht dreißig Bände
veröffentlicht — doch die sind tadellos!

Das wenige, was man von Dir besitzt,

Ist pures Gold. — Und als die Last der Jahre
Dich beugte, hast Du nur in Töpferwaare
Zuletzt noch muntre Sprüchlein eingekritzt!

Der Mann, der also seine Muse schonte,
Erstrahlt uns d'rum auch jetzt noch, wie ein Stern,
So daß auch Hugo Wolf Dich oft vertonte —
Und der ist doch wohl ganz und gar modern l
Ja, eigentlich wird heute erst Dein Lied
Auch einem breiter» Publikum verständlich —
Als Hundertjährigen schätzt man Dich endlich
Nach vollem werthe, Sänger von Drplid I

So bleibe denn in Deiner lichten Klarheit,

Die jede Seele von Geschmack erfreut,

In Deiner Wahrheit, Lauterkeit und — Rarheit,
Ein Vorbild für die Dichterwelt von heut'!

Sag' ihr: Dem Mann von Genialität
Gebricht es nie an Anerkennung schließlich —
Nur warten können muß er unverdrießlich,

Denn manchmal grünt der Lorbeer etwas spät!

Biedermeier mit ei

Kräutlein wider den God

Lin Märchen von Rudolf 6rei»l

n den Lehrbüchern der Boi»'

, v. nik ist es nirgends zu st"'»»
Und dennoch blüht es irgend»'
weltfern und verborgen —

. 'Tod. y,

Jahrhunderten entdeckt es v»''
leicht einer. Aber noch nie
es wahr behalten. Sonst ruüb»
es eine» ewig lebenden Mensch^»
geben. Der eine verlor das »"'»’
derthätige Kräutlein im St'»'»,
dieses Lebens, der andere B>atj
es freiwillig aus Ueberdruß
dem irdischen Dasein von sich.

Da war einmal ein ar>»^
Hirtenbub, der seinen Ziegen b»
in die steilsten Hänge und F"»'
klüfte nachkletterte, wenn sich ei>»^
der eigensinnigen Thiere verstieß»
hatte. So kam er an einem späte»
Abend in eine ihm vollstäift»'
fremde Felsenwildniß. Die Da»»
merung wob schon ihre Schlei^
tief drunten im Thal. Hoch ol».»
auf den Bergzackcn erstorben
letzten Schimmer der Sonne, »»
flackernde erlöschende Lichter. D»
Nebel stieg in schweren Masse»
empor. Dem Buben war cs ft"
ängstlich zu Muth. Mit keucht
der Brust hastete er vorwärts
empor an schmalcn Felsbänder»'
vorbei an schaurigen Abgründe»'
Plötzlich wich der Boden unts»
feinen Füßen. Ein Schrei.
Sturz. Er sauste hinunter '»
einen gähnenden Schlund. I'»
Fall griff seine rechte Hand krampfhaft nach eine»
schwanken Staude, die aus einem Spalt des zee
klüfteten Gesteins sproßte...

Im Frllhsonnenschein des nächsten Tages er'
wachte der Hirtenbub heil und gesund auf ei'»'
herrlichen Bergmatte, wo das kurze hellgrüne Gr»"
von goldgelben Aurikeln, tiefblauen Genzia'»»
und sattbrannen duftenden Prunellcn wie ">»
bunter Teppich gestickt war. Der Bub hatte d»
Augen aufgeschlagen und sah zunächst über si^
nur den wolkenlos klaren Himmel. Dann beft"
er seine nächste Umgebung und war sehr erslau'»
darob.

Neben ihm im Gras kauerten drei bildscho'»
Fräulein. Ihre Kleider trugen die Farben de'
Alpenblumen, und in den wehenden Haaren hatte»
sie prächtige Kränze. Es waren aber verwünsche'»
Bergfräulein oder Salige Fräulein, wie sie »o^
oft in den Alpen hausen. Sie hüten verborge'»
Schätze. Und wer ein rechtes Sonntagskind >»'
der hört sie an stillen Morgen oder Abenden he>ch
droben singen oder begegnet ihnen gar. Das i»»»
aber schon ein Hochfciertagskind sein.

„Ausgeschlafen?" lachte eines der Sn!»»»
Fräulein den Hirtenbuben an. „Du kannst »»
seltenem Glück sagen. Zerschmettert würdest
tief drunten liegen, wenn Du nicht das Kräutle'»
wider den Tod gefunden hättest! " Dabei deute»
die Salige auf einen abgerissenen kleinen Zwe'ch
den der Bub mit der rechten Hand umklamn»'
hielt. Sieben Blüthen standen an dem Zwei»»
Schneeweiße Glocken, aus deren Kelchen es rost^
schimmerte, wie das Alpenglühen um die stolz''»
Firnen.

„Bewahre es wohl I" sprach die zweite
Salige».

„Du wirst ewig leben, solange Du das Krä»»
lein Dein eigen nennst!" die dritte.

Nachdem sie so gesprochen, verschwanden ^»
drei Bergfränlein vor den Augen des Bube»
Ivic ein ganz leichter Nebel, der aus Almmatfte'

746
Register
Karl Bauer: Eduard Mörike
Biedermeier mit ei: Zum 100. Geburtsfest Eduard Mörike's
Rudolf Greinz: Das Kräutlein wider den Tod
 
Annotationen