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prolott

„Was's Eine Nummer für die Sittlichkeit
Von dieser gott- und sittenlosen ,JugenkL?"

— Ja, jo, ihr Herrn! Und ob Ihr Zeter schreit,
Nicht Eine nur, — »och Jede war geweiht
Ser leider Euch nicht sehr bekannten Tugend.

Der Sittlichkeit! Die freilich anders malt
In unser» Köpfen sich als in den Euer»!

Die freilich nicht mit Feigenblättern prahlt!

Für die sich freilich Pfaff und Staatsanwalt
Nicht immer plagen, um sie blank zu scheuern!

lins ist auch Nacktheit sittlich, wenn sie rein!
lind jede Liebe, wenn sie treu und' echt ist!
Und jede Wahrheit, die uns will befrei»,
Schlüg' sie dabei auch tausend Fenster ein!

Und jeder Jrrthum, wenn er nur im Recht ist!

Unsittlich ist nicht, was Ihr hört und seht,
Doch Eure Ohren sind's und Eure Augen!
Unsittlich ist, daß Ihr die Dummheit sat
Und der Erkenntniß aus dem Wege geht,

Weil Euch die Dummen gut zum Dienen taugen!

Unsittlich ist es, wie Ihr haßt und hetzt,

Ihr, die die Liebe führen stets im Munde!

Und Euch zum Richter über Andre setzt.

Doch heuchlerisch Gesetz und Recht verletzt
Für alle Biedern, die mit Euch tut Bunde!

Unsittlich ist all Eure „Sittlichkeit",

Ihr frommen Volksverdammer und -Verdnmmer!
Doch daß Ihr seht, wie Ihr in Wahrheit seid,
Sei allerunterthäuigst Euch geweiht
Hier diese ganz spezielle „Jugend"-Nnmmcr!

„Iugericl"

Unter Eros' Flügel

Ich möchte sterben unter Eros' Flügel!

In einem Augenblicke höchster Lust!

Gelehnt an einer weißen Franenbrust
Von Liebesglück geschwellte Lilienhügel!

Inmitten meiner Sünden Maienblnst,

Den Fuß noch in der Leidenschaften Bügel!
Schnell, ohne Sterbgeklingel und -Geklügel!

Zu Ende, — und des Endes nicht bewußt!

So möcht' ich sterbe»! llnd im Nichts verschwinden
Wie Sonnenstaub in einem dunklen Raum,
Wie Opferdampf in feuchten Abendwinden,

Wie Mutterlied in einem Kindertraum!
llnd über meinem Grabe müßte prangen
Die goldne Schrift: In Seligkeit vergangen! ...

A. >>< Hora

Das Scherkengcricöt

Auf Veranlassung des Vereins zur Bekämpfung
der Unsittlichkeit fand im Vestalinnen-Aasino auf
dem Mlymp ein Parteitag der olympischen Götter
statt, der über den Ausschluß der Göttin Aphro-
dite Beschluß fassen sollte. Die Mitglieder trugen
sämmtlich das Parteiabzeichen, ein Feigenblatt in
den päpstlichen Farben. Der Vorsitzende Zeus
ertheilte dem Referenten Pephästos das lvort.

Hcphästos: Die Pallung meiner Genossin
Aphrodite ist zweideutig. Die Treue wohnt nicht
in ihrer Brust.

Der überwachende Wachtmeister: Brust is
nich jestattet; Brust is unsittlich.

Hcphästos: — nicht in ihrem Perzen. Sie
hat eine sträfliche Neigung zur Junker- und Mi-
litärpartei. Sie hat noch andere Götter neben
mir. Freilich schwört sie Stein und Bein —

Der Wachtmeister: Bein is nich jestattet;
Bein is unsittlich.

pephästos: — sie schwört, daß sie ganz auf
dem Boden der Partei steht; aber sie schwört
falsch. Ich beantrage, in einer Resolution aus-

zusprechen, daß das vertrauen des Vereins V
Bekämpfung der Unsittlichkcit, dessen eine olf'.^
ische Göttin heute unbedingt bedarf, aufs st',.,,
erschüttert ist, und daß, wenn Aphrodite farjb'
in der bisherigen weise zum Schaden der ffü» |(,
feit zu wirken, sie gezwungen sein wird, die »
seguenz ihres Verhaltens zu ziehen. (Beifall-/^
Ares: Nach meinen Erfahrungen in f»' .,
Garnisonen finde ich die Ehose mit Göttin
dite nicht so kolossal, wie Vorredner meint. ,' ..
Genossen sind erstklassige Götter, lvir diikst ^
nur die Plebs darf es nicht. Am Tage bi» „|j<
fromm, aber die Nacht gehört mir.

Singer ist auch nicht ganz koscher, na, und d>cllA,i.)
(Glocke des Präsidenten, die Redezeit ist abgelanf^,
Hera: Der tvlymp ist kein Forbach- ? f,t.
muß das Frauenzimmer; unter Aontrolc >»»!>

Im verhältuiß — ,, IM

Der Wachtmeister: verhältuiß is »ich
stattet; verhältuiß is unsittlich. , .

Hera: Im vergleich zu ihr ist ja HMI'1
eine Vestalin. (Sehr richtig I) , ^ifl

Poseidon: Misere Zukunft liegt aut j#
Wasser. Wasser ist das Beste. Darum
gegen den Alkohol, lvir müssen absti»e>st
Die Aphrodite ist aber nicht abstinent; aste -
ihr einen Stoß gegen den Aallipygos.

Der Wachtmeister

Sprache tit öffentlicheil Versammlungen

Der Icbrauch der pel"^ch
i versamiiilungen is vere

ick'

also is der Aallipygos nich jcstattet; den» "
stehe ihm nich. ,

Der Präsident des Vereins zur Bekämest'
der öffentliche» Unsittlichkcit August
Duckmäuser: lllcine lieben Brüder «»d Sch^'^st
betet für unsere irregeleilctc Genossin, die
als wäre sie eine PrinzessinI Seid froi»>»-^,ffs
Geld für de» Tcmpelbaufonds, zeichnet z»M
Aaxpa, geht regelmäßig in die Tempel und' j,,»
Aergerniß und Skandal in der GcffcntIichkc>M;jjck
Volk darf nichts Ilnrcincs merken. Nehn» ji*
sicht auf Euren Sland und schließt
Gestein lichkeit ans!

pierauf wurde die Resolution Pephäsia^

genommen.

tw:

Als Aphrodite das Vestalinncu-Aasino
näherte sich ihr perr Duckmäuser mit ernster j,i.
und sprach in väterlichem Toiie: „Fest'
sind Sie heute Abend frei?"
Register
A. De Nora: Unter Eros' Flügel
Redaktioneller Beitrag: Prolog
Frido: Das Scherbengericht
Léon Bakst: Zeichnung zum Gedicht "Unter Eros' Flügel"
 
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