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J UGEND

Die Hirten aus dem Dachauer Rrippenfpiek

Hermann Stockmann

(DacM0

Dunkler Garten

In Deinem traumdunklen Märchengarten
Unter Bäumen, die uralte Greise sind,

Seh ich noch immer mit seinen zarten
Wänglein und blonden Locken Dein Kind.

War nur ein Sonnenstrahl in dem Dunkel;
Legt sich dem Kind aufs Haupt wie ein Kranz.
Nimmer vergeh' ich das goldne Gefunkel,
Nie seiner Schläfen angelischen Glanz.

Und es schaut inden Strahl und mit Schmeicheln
Sagt es und lacht und lacht in das Licht:
„Mutter, ich möchte die Wölkchen streicheln!"
Sagt die Mutter: „Das kannst Du nicht!"

Deinem Kind ist sein Wunsch geworden;
Flog zu den hellen Wolken empor.

Ach, und Dein Garten ist dunkel geworden,
Dunkel, dunkel, wie nie zuvor. . .

Hugo Salus

Die Hühnereier

Lin Märchen von Georg Ruseler

Man sollte es nicht für möglich halten, aber
es gab doch einmal eine Zeit, da war der Esel
der König der Thiere, und sie muhten es sich ge-
fallen lassen; denn der Affe war Kanzler und der
Ochse Kriegsmiuister, und das ganze Heer seiner
Vettern stand ihm bei. Der Hahn diente als Ober-
kammerherr, und alle Schreibcrposten im Lande
waren von Hühnern besetzt; denn der Esel liebte
die Hühner, weil sie so schöne weiße Eier legten,
nicht zu groß und nicht zu klein, richtige normale
Hühnereier, die ganz unschuldig sind, weil inimer

nur zahme Küken herauskommen. Als nun der
König sah, daß er groß und mächtig war, dünkte
ihm, er sei auch ein Herr über die Geister, und
er wollte, daß alle Leute in seinem Lande einen
Glauben und eine Meinung haben sollten. Des-
balb befahl er, alle Thiere, ob groß oder klein,
hoch oder niedrig, vier- oder zweibeinig, sollten
fortan Eier legen, einerlei Eier, und zwar Hühner-
eier. Darob entstand eine gewaltige Aufregung
im Reich der Thiere; aber weil auf allen Wachen
die Ochsen in doppelter Anzahl ihre drohenden
Spieße aufpflanzten, mußte man den Mund halten
und versuchen, ob man dem Gesetze Nachkommen
könnte. Nur einer hatte die Frechheit, seine Stimme
dagegen zu erheben, das war der kleine Sperling;
der schrie, der König solle doch einmal dem Kriegs-
minister und seinen Vettern befehlen, dem Volk
in eigener Person vorzumachen, was das Gesetz
verlange. Darob ward er vor Gericht gestellt,
und das entschied, es sei überhaupt nicht die Auf-
gabe der Ochsen, Eier zu legen, und deshalb sei
der Spatz schuldig, die Majestät beleidigt zu haben.
Dafür ward er todtgetreteu, und so mußte er fortan
den Mund halten.

Danach ward der König noch kühner, und er
befahl seinen Unterthanen, nach der Hauptstadt
zum Reichstage zu kommen; dort sollten alle er-
klären, ob sie Hühnereier legen wollten oder nicht.
Und sie kamen getreulich, der Löwe und der Hund,
das Schaf und das Schwein, die Taube und die
Gans, und auch der Adler kam geflogen. Der
König saß auf einem hohen Thron, der war ans
lauter Hasenschädeln aufgerichtet, und trug einen
Purpur, den hatten die vereinigten Schafe seines
Reiches ihm geschenkt. Lautlose Stille lagerte über
dem weiten Platze; zur Rechten des Thrones stand
der Ochse mit gesenktem Haupt, und seine Angen
zeigten einen blutigen Schimmer. Zur Linken
aber prunkte der Affe mit einem großen Stern
und batte ein Pergament in der Hand und las
alle Namen vor. Zuerst ward der Löwe aufge-
rufen; der trat langsam an die Stufen des Thrones,

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und der Affe fragte ihn: „Seid Ihr gew»»:
Allerhöchsten Befehle zu gehorsamen u»d >
Hühnereier zu legen?" trft

Der Löwe antwortete nicht gleich; bc» ^
Grimm schnürte ihm die Kehle zusammen-
einer Weile sagte er: „Ich will ein
Bedenkzeit haben." Damit ging er an ' j,(t
Platz. Der Hund aber rief: „Ob Hülintteier .„
Enteneier, das gilt mir gleich! Der König» 0
Herr, befiehlt, folglich lege ich Hühnereier-
das die Ochsen hörten, brüllten sie Belsnn»
der König nickte gnädig ob der löblichen/ gab
ung und senkte huldvoll seine Ohren. der
es kein Halten inchr, der Hase, die
Wolf, die Hyäne, da? Ecknvein und das „scä
alle eiferten dem ruhmvollen Beispiel des

nach und gaben zu Protokoll, sie wollten
eier legen.

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Der Fuchs verneigte sich am tiefsten 'j„e
Thron und sagte: „Majestät, es wird ,n* „jlcni
Freude sein, Euch doppelten Tribut Z" ;v gas
ich habe zu Hauke ganze Nester voll." *11. aW
Schaf beschwor, des Königs Willen zu thu>>■ 0
es hatte keine Ahnung davon, was cs f>!j
versprach. Nun kam die Reihe an die Vög"» ^,1
diese stimmten nur mit leisem Widerstrebe» .?"> xie
sie dachten daran, daß sie fliegen könnten-.
Taube nieinte: „Ich finde es ist reichlich
mir verlangt; aber ich will nicht wrdeu
und ehrlich versuchen, das zu leisten, n'w
von uns fordert" Aber die Gans war 1 ^

kränkt und schnatterte: „Hühnereier? ^

— was ist das? Das sind ja ga — 0n
keine Eier!"

Als aber der Ochse einen Schritt sie
machte und mit den Hörnern drohte, da • „feit1
ganz erschrocken: „Ba — Ba — Barinhers
Ich null mich ja zusammennehmen und 0fl»3
Inneres einen Druck ausüben, und cs im
gewiß Hühnereier werden." Ach>" »

Nun wurde der Adler vorgcrufcn- ». .. jag»
auch Du, daß Du Hühnereier legen w"U'

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Georg Ruseler: Die Hühnereier
Hugo Salus: Dunkler Garten
Hermann Stockmann: Die Hirten aus dem Dachauer Krippenspiel
 
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