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1904

J U'JtND

Mr. 52

Deutsches Bauertitbum

l 3m „Corri6re della Sera“ veröffentlicht der Inns-
,ru*er italienifctie Universitätsprofessor Galante
,l|'e »Studie" über die Innsbrucker Verhältnisse. Lr
»"gnet, daß eine eigentliche Gefahr der Ilaiienisierung
^tolz jenseits des Brenners bestehe. Solche Gefahr
"fftehe nur insofern, als der Tiroler Bauer faul, ver-
'“Julbei und Alkoholist sei.

Wenn ihr schon solche Melden seid
Im Schinden und im Rackern,

Was bleibt ihr lieber nicht daheim,

Hm euer Land zu ackern?!

Dort reift Italiens reiche Frucht
Euch ohne viel Beschwerde,

Indeß bei uns der Bauer ringt
Ü,n jede Handbreit Erde!

Das hat gerade noch gefehlt
Don allen wälschen Trümpfen,

Daß sie das deutsche Bauernthum
Degeisern und beschimpfenl

Der Bauer ist der Wurzel stock
Im Volke der Germanen,

In ihm wächst noch das alte Mark
Don unfern stolzen Ahnen!

Zu höhnen deutschen Bauernstamm
Dabt ihr euch frech vermessen —

Doch Brot, das deutsche Bauern bau'n,

Derschmäht ihr nicht zu essen!

Ruckolt Greinz

Postmortales

Folgende wahrhaft schneidigeAnzeige erließ
Mr einigen Tagen (im Hann. Tagbl.) der „Verein
“ieinaliger von Scharnhorster" in Hannover:

„Am Sonnabend findet unser 8. Stiftungsfest
und Geburtstagsfeier weiland Sr. Excellenz
"s Herrn Generals v. Scharnhorst . . . statt."

, Die Anzeige ist geeignet, eine ganz neue Per-
11*e11it>e auf bem ©eBiete her Titulaturen su
^'offnen: Während man die Mitlebenden des
Genusses der Titulaturen in hohem Maße theil-
Mslig werden läßt, wird auf die Vergangenheit
ungebührlicher Weise gar keine Rücksicht genom-
§kn. Wahrlich, es ist an der Zeit, dementsprechende


erfügungen mit rückwirkender Kraft,

Wenigstens innerhalb der schwarz-weißen Grenz-
^lähle, in Kraft treten zu lassen.

~ Eiirige Beispiele mögen zur Erläuterung dienen:
?siß man sämmtlichen verstorbenen Fürstlich-
ftiten die gebührende Titulatur zuertheilt, ist ohne
Weiteres selbstverständlich. Es kann nur zur Krästi-
m>ng des monarchischen Gefühls dienen, wenn die
Feuerung, z. B. in Schulbüchern, in vollem Um-
züge dnrchgeKhrt wird: „Seine Majestät König
Jmmmetich geruhten.

Königin Kleopatra

Ihre Majestät die
„Seine Majestät Kaiser

ero, Allerhöchst welcher die Gnade hatten . . .
M. w. u. s. w. Im klebrigen ist vor Allem das
Militärische Element zu bevorzugen. Feldherren
Mer Zeiten, die im Range eines komman dieren-
"En Generals standen, sind ohne Weiteres als
vrxcellenz" zu bezeichnen, z. B. „Se. Excellenz
?err General von Nebuchadnezar," „Se. Exc.
Sjerr General von Hannibal," „Se. Exc. Herr
General v. Tilly" rc. Auch z. B. Geistliche, im
^»nge von Generalsuperintendenten an
Aufwärts, sind durch Titulaturen auszuzeichnen,
z. B. „Seine Heiligkeit Herr Peter von
Arbues" und ähnliche Männer, die sich um das
smhl der Menschheit verdient gemacht haben. So
V'det ein jedes Verdienst auch in dieser
sjcht den verdienten postmortalen Lohn!
. Empfehlenswcrth dürfte es sein, in Bezug aus
^"litische Gesinnung Unterschiede eintreten zu
: Männer von so ausgesprochen fortschritt-
„Mi e m Charakter, wie es z. B. der verstorbene Geist-
3? Martin Luther war, der zudem gelegent-
3.einen ausgesprochen kulturkämpserischen
®e'ft offenbarte, verdienen die gedachte Auszeich-

"U>.

^g nicht.

L. llun.


Wollüstiger Traum eines (lugendmuckers: A. schmMammer

Oeffentlichc Auspeitschung renitenter „Jnsscnd"-Aiitnrbciter, so die „Sittlichkeit" gefiilirden.

Splitternackte Gedanken

Die Gewöhnung an den Gedanken, daß
alles Bekleidete — auch die Seelen unserer
werthen Mitmenschen — unter der Hülle nackt
ist, wurde Jung wie Alt vor großem Schaden
bewahren. Man sollte daher in den Schulen
die Lehre vom Nackten obligatorisch machen,
anstatt den Kindern falsche Vorstellungen von
der Wirklichkeit beizubringen.

Den Enthaltsamen gehört die Zukunft.
Allerdings bezieht sich diese Wahrheit nicht nur
auf den Alkohol und den Mißbrauch der Liebe,
sondern auch auf den Aberglauben.

Wer das Leid nicht ehrt, ist die Freude
nicht werth.

Der Idealist geht zu Grunde, wenn er nicht
der Enttäuschung, der Verkennung und der
Verleumdung seine souveräne Mißachtung ent-
gegensetzt.

Dt)1 ihr Nächte, wie seid ihr so endlos, und
ihr Lernjahre, wie seid ihr so lang, und du Leben,
wie bist du so kurz!

Die berufsmäßigen Nuditätenschnüffler und
Sittlichkeitsapoftel habe ich stets im Verdacht,
daß sie von unsauberen Begierden gepeitscht
werden. Der Herzensreiue wandelt in den
Glyptotheken des Lebens wie unter Palmen des
Paradieses: froh und ungepeitscht.

Georg ksirtb

i°55
Register
Georg Hirth: Splitternackte Gedanken
L. Hun.: Postmortales
Rudolf Greinz: Deutsches Bauernthum
Arpad Schmidhammer: Wollüstiger Traum erines Tugendmuckers
 
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