Der verminderte ITlemorierftoff
Klage eines Weimarer Goftesmannes
(Me die Blätter melden, hat das Großherzoglich
weimarifche Kultusministerium, einem Wunsche der
Landeslehrerschaft entsprechend, eine Verminderung des
religiösen Lernstoffs in den Volksschulen angeordnet.)
Weh Dir, mein Kind! Doch nur wofern Du
In Weimar in die Schule gehst.
Denn ist's ein andrer Staat, so lern' Du
Nur weiter, was Du nicht verstehst!
Doch dort, wo Goethe schon und Schiller
Gar lang in Heidenthum gemacht,
Ward selbst der Herr der Kinderdriller *)
Zum Gottesleugner über Nacht.
Ja. der Minister — nicht zu glauben! —
Der Frommen Stolz, der Kirche Hort,
Will seinem Volk den Glauben rauben
Und kürzt gewaltsam Gottes Wort!
Ja. er, dem sonst zu höh'ren Zwecken
Bon Religion die Seele troff,
Beschränkt jetzt zu der Pfarrer Schrecken
Den Memorier- und Lesestoff.
Nur 150 Bibelsprüche
Soll künftig lernen jedes Kind.
Wiewohl's — ich schwör's bei Teufels Küche —
Wohl an die 30,000 sind!
Nur 120 Liederstrophen
Lernt fürder mehr der junge Mann,
Obwohl Großmutter hinterm Ofen
Wohl an die 1000 singen kann!
Ein Thor, wer da sich noch verwundert,
Wenn unsre Jugend ganz verthiertl
So geht's mit jeglichem Jahrhundert,
Wenn es zu wenig memoriert!
Drum Dank für diese Ostereier,
Die der Minister uns bescheert!
Das kommt auch von der Schillerfeier —
Denn Einer ist des Andern werth!
_ Cri-Cri
*) „Herr der Kinderdriller", vom Deutschen Sprach-
verein preisgekrönte Uebcrsetzung von „Cultusminister".
Ein Sonderling
In einem Gemeinwesen, in dem gelehrte Bildung,
industrieller Unternehmungsgeist und technisches Er-
findergenie gleichmäßig vertreten waren, lebte ein
altmodischer, verknöcherterSonderling, der ein ganzes
Jahrhundert verschlafen zu haben schien und in diese
moderne Umgebung gar nicht passen wollte. Mit
Kniehosen und Schnallenschuhen, mit Jabot und
Spitzenmanschetten angethan und mit einem langen
Zopf geschmückt, schritt er lächelnd durch die schwir-
rende Menge; Fußgänger und Reiter, Radler und
Chauffeure wichen ihm mit scheuen Blicken aus, die
Schutzleute standen stramm, wenn er vorbeikam, und
grüßten ihn. Wo er auch ging, überall schien er
gefürchtet zu sein, nirgends traf ihn ein Blick der
Liebe. Manch höherer Staatsbeamter grüßte ihn
offiziell mit großer Höflichkeit, aber der Blick, den
der Beamte dem Sonderling nachsandle, zeugte nicht
von Achtung und Verehrung. Es gab freilich auch
vorlaute Burschen, die ihn ostentativ nicht grüßten,
ja die ganz offen vor ihm ausspieen. — Ein Nord-
amerikaner, der sich in dein Jndustrieorte zum Ein-
kauf aufhielt, fragte seinen Geschäftsfreund nach dem
Sonderling; in der neuen Welt, meinte er, wäre ein
so unmoderner Mensch unmöglich. Was er triebe
und was er sei? Der Geschäftsfreund erzählte ihm,
der Sonderling sei ein Denunziant, ein Angeber, vor
dem man sich hüten müsse, wie vor der Pest. Denn
er habe es vorzugsweise auf anständige Menschen
abgesehen. Nur selten verfolge er wirkliche Ver-
brecher; sein größtes Vergnügen sei es, wenn er einem
Ehrenmann ein Bein stellen könne. Der Nordameri-
kaner fragte verwundert, warum mau einen solchen
Lumpen in der Stadt und in der Gesellschaft dulde.
Der Geschäftsfreund erwiderte achselzuckend, die Be-
hörden glaubten ohne den Spitzel nicht auskommen
zu können; ohne ihn, meinten sie, würden die Höhlen
des Lasters unentdeckt bleiben; sie achteten ihn ja
auch nicht, aber sie bedienten sich seiner. „Pfui
Teufet!" schimpfte der Amerikaner, „wie heißt denn
dieser Bursche?" Der Geschäftsfreund antwortete:
„Er heißt Zeugnitzzwang." Frido
Die Deiden ReicftsDälften
Der Ungar ist ein stolzer Monn,
Du stehst's om Wauch und Maul ihm an!
Der Michel ober, der da steht,
Gon; schüchtern nur um Gnade steht!
Den Ungarn rühret so was nicht!
Er schreit dem Michel in's Gesicht:
„Nie Geld, nir Mekrut, nie Kanon!" —
Na, siehste wohl, das kommt davon! si.
CagesKotiferenzen
Der Selbstmord des Leutnants Diez in Mainz
bat sich zu einem psychologischen Knoten gordischer
Güte ausgewachsen. Vor Allem müßte wohl
daran festgehalten werden, daß Selbstmord bei
einem jungen Manne immer Anzeichen von
krankhafter Depression oder Exaltation ist. Der
Kerngesunde entleibt sich nicht, namentlich nicht,
wenn seine Seele verliebt oder gar verlobt ist.
Was nun den bösen Major anbelangt, so möchte
ich das Rüffeln vor der Front nicht schlecht-
weg verurtheilen. Es ist gut, wenn die Mann-
schaften sehen, daß auch ihre Vorgesetzten gerechten
Tadel erfahren. Verwerflich ist das Rüffeln nur,
wenn es in unausgesetztes Schikanieren oder gar
in Brutalitäten ausartet. Niemals aber sollte
der „blaue Brief" in solcher Weise angekündigt
werden; wo es sich um Sein oder Nichtsein handelt,
ist nur eine intime, väterliche Vorstellung am Platze.
ۥ
Von Preußen kommt die humane Botschaft
von der Abschaffung aller körperlichen Züchti-
gnngen an den Mittelschulen. Bravo, bravissimo!
Aber warum soll dem Voksschiiler nicht recht
sein, was dem Lateinschüler billig ist? Oder glaubt
man wirklich, daß die Kinder des Volkes sich
bessern, wenn sie gehauen werden? Manschlägt
das Fleisch und trifft den Charakter. Irgendwann
und wo kommen diese Brutalitäten, diele Erniedrig-
ungen, an deren Anblick die ganze Klasse sich grin-
send schadenfroh erfreuen lernt, wieder zur Vergelt-
ung, meistens an ganz Nnbetheiligten durch jugend-
liche Rohlinge. Bestenfalls rächt sich der verhauene
Hintere durch Heimlichkeiten, die dem Zusammen-
brach des Knabenstolzes noch die Neurasthenie hin-
zufügen. Alkohol und Prügel, Soldatenschinderei
und Messerheldenthum, Frömmelei und Sitten-
richterei, Speichelleckerei und Byzantinismus, —
oh deutsches Volk, mit diesem „Salz der Erde"
gewinnst Du Achtung nicht und sündigest am
eignen Herde!
#
Der Kaiser meinte freilich was Besseres, Höheres,
als er in Bremen sagte: „Wir sind das Salz
der Erde." Er meinte wohl unseren germanischen
Idealismus, unsere Gründlichkeit, unseren Rechts-
sinn, der selbst dem Gegner mehr zuzugestehen
bereit ist, als ihm gebührt; er meinte wohl unsere
konfessionslose Wissenschaftlichkeit, unseren Eifer
und Nachdruck in der Verfolgung nützlicher Unter-
nehmungen, unsere fast internationale Hilfsbereit-
schaft und so manches Verwandte, das wir mit
den: Namen der deutschen „Ubiguitüt" zusammen'
fassen können. Jeder mag dabei an was Andres
denken, meinetwegen auch an Goethe's echt deutschen
Plan einer Weltliteratur. Gewiß enthält das viel-
deutige Wort eine tiefe Wahrheit, — nicht etwa
vorwiegend im Sinne der Sozialdemokratie, die
nicht nur Alles, was Friedrich Schiller gemünzt
hat, sondern gelegentlich auch neukursige Kaiser-
worte für sich in Anspruch nimmt.
Salz ist bitter. Mich hat das gute Wort zu-
nächst an die unsäglichen Bitternisse erinnert,
die unserem Volke und Reiche bis in die neueste
Zeit von scheelsüchtigen, undankbaren Nachbarn
und Aftermiethern der Kultur bereitet worden
sind. Fasse ich nur alles das zusammen, was ich
seit meiner Jugend an grimmigem Haß auf das
Deutsche mit erlebt habe, so erscheinen mir die
zahllosen, ebenso gegen unsere geistigen Errungen-
schaften wie gegen den Machtbestand unseres Volks-
thums gerichteten Bosheiten als eine interna-
tionale Geisteskrankheit, in deren Aetiologie
der Neid die Hauptrolle spielt. Und ich gestehe
offen, daß mich die tiefe Schädigung der ver-
blendeten feindlichen Racker mit großer Genugthw
ung erfüllt. Recht geschieht ihnen!
Die Russen, von denen Bismarck einst sagte,
daß sie ohne die Deutschen nichts machen können,
hätten ohne ihren Skobelewschen Hochmuth gegen
das Deutsche (der selbst von einem Tolstoi genährt
ward) sich die blutigen Lehren ersparen können,
die ihnen unsere gelehrigen gelben Schüler beige-
bracht haben. Was mußte Napoleon III., der
traurige Schustergeselle, 1870 mit uns anbandeln?
Hatte Oesterreich es nothig, im Verein mit den
uns ewig feindlichen Jesuiten dem Deutschen eine
Grube zu graben, in der nun der ganze Mörtel
der Monarchie als geologische Formation späteren
Geschichtsforschern entgegenschlummert? Auch den
Magyaren hat das Paprika des Deutschenhasses
unterm Schwänze gebissen, von den undankbaren
Bemmen nicht zu reden. Gar unsinnig führen
sich auch etliche (nicht alle) Engländer auf, ja die
welfisch-französische Hure „Times" übertrifft mit
ihrem Veitstanz des Deutschenhasses alles bisher
Dagewesene. Schämen sollten sie sich alle, daß
die gelben Japaner und die schwarzen Marokkaner
sie an Einsicht in das Deutsche übertreffen. Und
wir thun doch alles made in Germany so billig
und gut, so gemüthlich, so friedlich und harmlos!
Aber wo es nöthig ist, können wir auch recht un-
gemüthlich werden und rufen: Willem, bleibe
Georg I)irth
Schluß eines Dchnigsidylls
Hört! Auch bei fürstlichen Geschlechtern
Trifft oft den Vater bittre Pein.
Lr hat kein G!ück mit seinen Töchtern,
So liebend auch er sonst mag sein.
Mit einem simplen Grafen kränkte
Erst Stephanie den König schwer.
Drum gibt, was ihm die Mutter schenkte,
Der Tochter er nicht wieder her.
Luise, die vermählt nach Loburg,
Schlich eines Morgens — glitsch! glitsch! glitlch!
Ins Automoppel und ging — oh! — durch
Mit dem geliebten Matasitsch.
Die dritte aber, Llementine,
weilt an der Riviera jetzt,
wo neben Sekt und Apfelsine
Tin Bonaparte sie ergeht!
Doch tröste Dich, Du alter Leo,
Du umgekehrter König Lear!
Dir blieb Dein Geld und Deine Tleo —
was sollen Deine Töchter Dir?!
Tarub
bine Entdeckung Delcasses:
„Nicht schlecht! Dieses Deutschland exi-
stiert also thatsächlich immer noch!"
Klage eines Weimarer Goftesmannes
(Me die Blätter melden, hat das Großherzoglich
weimarifche Kultusministerium, einem Wunsche der
Landeslehrerschaft entsprechend, eine Verminderung des
religiösen Lernstoffs in den Volksschulen angeordnet.)
Weh Dir, mein Kind! Doch nur wofern Du
In Weimar in die Schule gehst.
Denn ist's ein andrer Staat, so lern' Du
Nur weiter, was Du nicht verstehst!
Doch dort, wo Goethe schon und Schiller
Gar lang in Heidenthum gemacht,
Ward selbst der Herr der Kinderdriller *)
Zum Gottesleugner über Nacht.
Ja. der Minister — nicht zu glauben! —
Der Frommen Stolz, der Kirche Hort,
Will seinem Volk den Glauben rauben
Und kürzt gewaltsam Gottes Wort!
Ja. er, dem sonst zu höh'ren Zwecken
Bon Religion die Seele troff,
Beschränkt jetzt zu der Pfarrer Schrecken
Den Memorier- und Lesestoff.
Nur 150 Bibelsprüche
Soll künftig lernen jedes Kind.
Wiewohl's — ich schwör's bei Teufels Küche —
Wohl an die 30,000 sind!
Nur 120 Liederstrophen
Lernt fürder mehr der junge Mann,
Obwohl Großmutter hinterm Ofen
Wohl an die 1000 singen kann!
Ein Thor, wer da sich noch verwundert,
Wenn unsre Jugend ganz verthiertl
So geht's mit jeglichem Jahrhundert,
Wenn es zu wenig memoriert!
Drum Dank für diese Ostereier,
Die der Minister uns bescheert!
Das kommt auch von der Schillerfeier —
Denn Einer ist des Andern werth!
_ Cri-Cri
*) „Herr der Kinderdriller", vom Deutschen Sprach-
verein preisgekrönte Uebcrsetzung von „Cultusminister".
Ein Sonderling
In einem Gemeinwesen, in dem gelehrte Bildung,
industrieller Unternehmungsgeist und technisches Er-
findergenie gleichmäßig vertreten waren, lebte ein
altmodischer, verknöcherterSonderling, der ein ganzes
Jahrhundert verschlafen zu haben schien und in diese
moderne Umgebung gar nicht passen wollte. Mit
Kniehosen und Schnallenschuhen, mit Jabot und
Spitzenmanschetten angethan und mit einem langen
Zopf geschmückt, schritt er lächelnd durch die schwir-
rende Menge; Fußgänger und Reiter, Radler und
Chauffeure wichen ihm mit scheuen Blicken aus, die
Schutzleute standen stramm, wenn er vorbeikam, und
grüßten ihn. Wo er auch ging, überall schien er
gefürchtet zu sein, nirgends traf ihn ein Blick der
Liebe. Manch höherer Staatsbeamter grüßte ihn
offiziell mit großer Höflichkeit, aber der Blick, den
der Beamte dem Sonderling nachsandle, zeugte nicht
von Achtung und Verehrung. Es gab freilich auch
vorlaute Burschen, die ihn ostentativ nicht grüßten,
ja die ganz offen vor ihm ausspieen. — Ein Nord-
amerikaner, der sich in dein Jndustrieorte zum Ein-
kauf aufhielt, fragte seinen Geschäftsfreund nach dem
Sonderling; in der neuen Welt, meinte er, wäre ein
so unmoderner Mensch unmöglich. Was er triebe
und was er sei? Der Geschäftsfreund erzählte ihm,
der Sonderling sei ein Denunziant, ein Angeber, vor
dem man sich hüten müsse, wie vor der Pest. Denn
er habe es vorzugsweise auf anständige Menschen
abgesehen. Nur selten verfolge er wirkliche Ver-
brecher; sein größtes Vergnügen sei es, wenn er einem
Ehrenmann ein Bein stellen könne. Der Nordameri-
kaner fragte verwundert, warum mau einen solchen
Lumpen in der Stadt und in der Gesellschaft dulde.
Der Geschäftsfreund erwiderte achselzuckend, die Be-
hörden glaubten ohne den Spitzel nicht auskommen
zu können; ohne ihn, meinten sie, würden die Höhlen
des Lasters unentdeckt bleiben; sie achteten ihn ja
auch nicht, aber sie bedienten sich seiner. „Pfui
Teufet!" schimpfte der Amerikaner, „wie heißt denn
dieser Bursche?" Der Geschäftsfreund antwortete:
„Er heißt Zeugnitzzwang." Frido
Die Deiden ReicftsDälften
Der Ungar ist ein stolzer Monn,
Du stehst's om Wauch und Maul ihm an!
Der Michel ober, der da steht,
Gon; schüchtern nur um Gnade steht!
Den Ungarn rühret so was nicht!
Er schreit dem Michel in's Gesicht:
„Nie Geld, nir Mekrut, nie Kanon!" —
Na, siehste wohl, das kommt davon! si.
CagesKotiferenzen
Der Selbstmord des Leutnants Diez in Mainz
bat sich zu einem psychologischen Knoten gordischer
Güte ausgewachsen. Vor Allem müßte wohl
daran festgehalten werden, daß Selbstmord bei
einem jungen Manne immer Anzeichen von
krankhafter Depression oder Exaltation ist. Der
Kerngesunde entleibt sich nicht, namentlich nicht,
wenn seine Seele verliebt oder gar verlobt ist.
Was nun den bösen Major anbelangt, so möchte
ich das Rüffeln vor der Front nicht schlecht-
weg verurtheilen. Es ist gut, wenn die Mann-
schaften sehen, daß auch ihre Vorgesetzten gerechten
Tadel erfahren. Verwerflich ist das Rüffeln nur,
wenn es in unausgesetztes Schikanieren oder gar
in Brutalitäten ausartet. Niemals aber sollte
der „blaue Brief" in solcher Weise angekündigt
werden; wo es sich um Sein oder Nichtsein handelt,
ist nur eine intime, väterliche Vorstellung am Platze.
ۥ
Von Preußen kommt die humane Botschaft
von der Abschaffung aller körperlichen Züchti-
gnngen an den Mittelschulen. Bravo, bravissimo!
Aber warum soll dem Voksschiiler nicht recht
sein, was dem Lateinschüler billig ist? Oder glaubt
man wirklich, daß die Kinder des Volkes sich
bessern, wenn sie gehauen werden? Manschlägt
das Fleisch und trifft den Charakter. Irgendwann
und wo kommen diese Brutalitäten, diele Erniedrig-
ungen, an deren Anblick die ganze Klasse sich grin-
send schadenfroh erfreuen lernt, wieder zur Vergelt-
ung, meistens an ganz Nnbetheiligten durch jugend-
liche Rohlinge. Bestenfalls rächt sich der verhauene
Hintere durch Heimlichkeiten, die dem Zusammen-
brach des Knabenstolzes noch die Neurasthenie hin-
zufügen. Alkohol und Prügel, Soldatenschinderei
und Messerheldenthum, Frömmelei und Sitten-
richterei, Speichelleckerei und Byzantinismus, —
oh deutsches Volk, mit diesem „Salz der Erde"
gewinnst Du Achtung nicht und sündigest am
eignen Herde!
#
Der Kaiser meinte freilich was Besseres, Höheres,
als er in Bremen sagte: „Wir sind das Salz
der Erde." Er meinte wohl unseren germanischen
Idealismus, unsere Gründlichkeit, unseren Rechts-
sinn, der selbst dem Gegner mehr zuzugestehen
bereit ist, als ihm gebührt; er meinte wohl unsere
konfessionslose Wissenschaftlichkeit, unseren Eifer
und Nachdruck in der Verfolgung nützlicher Unter-
nehmungen, unsere fast internationale Hilfsbereit-
schaft und so manches Verwandte, das wir mit
den: Namen der deutschen „Ubiguitüt" zusammen'
fassen können. Jeder mag dabei an was Andres
denken, meinetwegen auch an Goethe's echt deutschen
Plan einer Weltliteratur. Gewiß enthält das viel-
deutige Wort eine tiefe Wahrheit, — nicht etwa
vorwiegend im Sinne der Sozialdemokratie, die
nicht nur Alles, was Friedrich Schiller gemünzt
hat, sondern gelegentlich auch neukursige Kaiser-
worte für sich in Anspruch nimmt.
Salz ist bitter. Mich hat das gute Wort zu-
nächst an die unsäglichen Bitternisse erinnert,
die unserem Volke und Reiche bis in die neueste
Zeit von scheelsüchtigen, undankbaren Nachbarn
und Aftermiethern der Kultur bereitet worden
sind. Fasse ich nur alles das zusammen, was ich
seit meiner Jugend an grimmigem Haß auf das
Deutsche mit erlebt habe, so erscheinen mir die
zahllosen, ebenso gegen unsere geistigen Errungen-
schaften wie gegen den Machtbestand unseres Volks-
thums gerichteten Bosheiten als eine interna-
tionale Geisteskrankheit, in deren Aetiologie
der Neid die Hauptrolle spielt. Und ich gestehe
offen, daß mich die tiefe Schädigung der ver-
blendeten feindlichen Racker mit großer Genugthw
ung erfüllt. Recht geschieht ihnen!
Die Russen, von denen Bismarck einst sagte,
daß sie ohne die Deutschen nichts machen können,
hätten ohne ihren Skobelewschen Hochmuth gegen
das Deutsche (der selbst von einem Tolstoi genährt
ward) sich die blutigen Lehren ersparen können,
die ihnen unsere gelehrigen gelben Schüler beige-
bracht haben. Was mußte Napoleon III., der
traurige Schustergeselle, 1870 mit uns anbandeln?
Hatte Oesterreich es nothig, im Verein mit den
uns ewig feindlichen Jesuiten dem Deutschen eine
Grube zu graben, in der nun der ganze Mörtel
der Monarchie als geologische Formation späteren
Geschichtsforschern entgegenschlummert? Auch den
Magyaren hat das Paprika des Deutschenhasses
unterm Schwänze gebissen, von den undankbaren
Bemmen nicht zu reden. Gar unsinnig führen
sich auch etliche (nicht alle) Engländer auf, ja die
welfisch-französische Hure „Times" übertrifft mit
ihrem Veitstanz des Deutschenhasses alles bisher
Dagewesene. Schämen sollten sie sich alle, daß
die gelben Japaner und die schwarzen Marokkaner
sie an Einsicht in das Deutsche übertreffen. Und
wir thun doch alles made in Germany so billig
und gut, so gemüthlich, so friedlich und harmlos!
Aber wo es nöthig ist, können wir auch recht un-
gemüthlich werden und rufen: Willem, bleibe
Georg I)irth
Schluß eines Dchnigsidylls
Hört! Auch bei fürstlichen Geschlechtern
Trifft oft den Vater bittre Pein.
Lr hat kein G!ück mit seinen Töchtern,
So liebend auch er sonst mag sein.
Mit einem simplen Grafen kränkte
Erst Stephanie den König schwer.
Drum gibt, was ihm die Mutter schenkte,
Der Tochter er nicht wieder her.
Luise, die vermählt nach Loburg,
Schlich eines Morgens — glitsch! glitsch! glitlch!
Ins Automoppel und ging — oh! — durch
Mit dem geliebten Matasitsch.
Die dritte aber, Llementine,
weilt an der Riviera jetzt,
wo neben Sekt und Apfelsine
Tin Bonaparte sie ergeht!
Doch tröste Dich, Du alter Leo,
Du umgekehrter König Lear!
Dir blieb Dein Geld und Deine Tleo —
was sollen Deine Töchter Dir?!
Tarub
bine Entdeckung Delcasses:
„Nicht schlecht! Dieses Deutschland exi-
stiert also thatsächlich immer noch!"